24.05.2024
Kurspeilungen der Energiewende Teil 7: Böden schützen
Eine Skizze von Götz Warnke
Ein Skipper auf dem Meer muss sich bei heraufziehendem Unwetter überlegen, welchen Kurs er anlegen bzw. wohin er sein Boot steuern will. Der Skipper muss sich also verschiedene Kurse überlegen, auf denen er unter den gegebenen Umständen einen sicheren Platz zum Festmachen erreicht. Wie und mit welchen Manövern er diesen Platz dann auf den letzten paar Hektometern erreicht, ergibt sich dann aus der aktuellen Situation. Wichtig ist, den richtigen Kurs zu wählen und sichere Gewässer zu erreichen.
Das gilt auch für die Energiewende. Denn das heraufziehende Unwetter ist die Klimakrise mit immer häufiger und zum Teil auch stärker auftretenden Extremwetter-Ereignissen. Ihr gilt es möglichst weitgehend zu entkommen, die richtigen Kurse anzulegen. Dabei geht es um die richtige Richtung, um grundsätzliche Orientierungen, nicht um Einzelmaßnahmen, auch wenn die zu laufenden Kurse immer mit Einzelmaßnahmen als Beispiele unterlegt werden. Dabei erheben weder die hier abgesteckten Kurse/Grundorientierungen noch die einzelnen Manöver/Maßnahmen zu ihrer Umsetzung Anspruch auf Vollständigkeit.
Böden und Flächen schützen
Mag uns die Erde bisweilen unendlich weit erscheinen – ihre Oberfläche bleibt begrenzt. Und nur ein geringer Teil davon ist für die wachsende Menschheit direkt zugänglich und nutzbar. Von diesen relativ geringen Flächen beziehen wir nicht nur unsere Energie in Form von Nahrung und den meisten Erneuerbaren Energien, sondern auch vielfältige Roh- und Werkstoffe wie Bauholz, Bambus, Baumwolle, Flachs und Hanf, Kork und Kautschuk, Färber- und Medizinpflanzen – um nur wenige zu nennen –, die wir künftig im Zuge des Ausstiegs aus der Erdölchemie noch stärker in Anspruch nehmen müssen. Eigentlich müsste man diese Böden vorrangig schützen, aber das geschieht nicht oder nur unvollkommen.
A) Ackerböden: Die obere Bodenschicht, die organischen Bodenhorizonte, sind humus- und damit nährstoffreich. Sie haben oft nur eine Dicke von 30 bis 40 cm, sind aber für das ganze Pflanzenwachstum unentbehrlich. „Unterstützt“ werden sie durch A-Horizonte, die ebenfalls Humus, aber auch mineralische Verwitterungsstoffe enthalten. Diese überlebenswichtige Bodenschicht ist durch verschiedene Gefahren bedroht:
a. Überbauung/Versiegelung: das Problem reicht von immer größeren Wohnhäusern und Nutzbauten wie riesige Gewerbehallen (einstöckig!) über gepflasterte Vorgärten, verbreiterte Straßen und vergrößerte Flughäfen. Gegenmaßnahmen wären u.a. aufgeständerte Häuser wie viele Tiny Houses, ein Verbot einstöckiger Bauten inkl. großer Gewerbehallen, Parkplätze künftig nur noch mit Rasengittersteinen oder einem lückenhaften Steinpflaster (wozu das Fahrzeuggewicht sinken muss), erheblich kürzere Start- und Landebahnen bei Flugplätzen, was durch elektrische STOL- oder VTOL-Flugzeuge möglich wäre.
b. Verschmutzung: Landwirtschaftliche Überdüngung, Industrieemissionen oder das Quecksilber aus den Schloten der Kohlekraftwerke verschmutzen bzw. verseuchen Böden. Dies ist nicht nur problematisch, weil viele der Stoffe über die Nahrung in unsere Körper gelangen, sondern auch weil sie die Kleinstlebewesen im Boden schädigen, und so zu einer Degeneration von Böden führen. Gegenmaßnahmen u.a.: Biolandbau vermehrt umsetzen, Umweltvorschriften stärker überwachen, Kohleverbrennung sofort beenden.
c. Austrocknung: Die vermehrten Hitzesommer der letzten Jahre führten zu einem zunehmenden Wasserverbrauch der Landwirtschaft. Deren Anteil an der öffentlichen Wasserversorgung ist zwar noch gering, aber die nichtöffentlichen Entnahmemengen aus eigenen Brunnen sind durchaus zu hinterfragen. Und so muss man auch hier künftig statt großflächiger Beregnung und ähnlichen Wassereintragungen vermehrt auf das Halten des Wassers in der Fläche setzen. Das kann geschehen durch private Wasserspeicher in Form von Teichen oder ehemaligen offenen Rundbehältern für Gülle etc. und durch die Umstellung auf Agroforstsysteme.
d. Verwehung: Dust Bowls, große Staubstürme, die wertvolle Humusböden wegwehen, sind nicht nur aus den landwirtschaftlichen Weiten der 1930er in den USA bekannt. Sie finden sich auch in deutschen Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern mit seinen großen Ackerflächen. Dort führte z.B. ein solcher Staubsturm am 8. April 2011 auf der A19 bei Kavelsdorf zu einem Massenunfall mit 110 Verletzten, 85 z.T. ausgebrannten Autos und acht Toten. Die Verhinderung solcher Bodenverwehungen hat das Nachbarbundesland Schleswig-Holstein intelligenter gelöst. Dort gibt es seit dem 18. Jahrhundert meist rechtwinklig zueinander verlaufende Wallhecken (Sing. „Knick“), die nicht nur ein Rückzugsraum für Pflanzen und Tiere sind, sondern große Staubstürme wirkungsvoll unterbinden.
e. Wegschwemmung: Hochwasser schwemmen große Mengen wertvoller Böden aus den Flächen und ins Meer. Um diese Erosion zu verhindern, existieren in den Flüssen Deutschlands 200.000 bis 215.000 Querbauwerke, die die Strömung verlangsamen und den Schwund des Schwemmguts verhindern sollen. Von diesen Querbauwerken dienen nur ca. 7.300 der Wasserkraft. Die EU möchte mit ihrer Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) die Flüsse „renaturieren“ und die Querverbaue zurückbauen. Dass dies hochproblematisch ist, zeigt sich an der Ahr: dort hatte man ebendies gemacht, wie das Umweltbundesamt 2019 stolz mitteilte, und war dann von der Ahrflut 2021 überrascht worden. Dabei ist die schreckliche Ahrflut nur ein Kleinereignis gegenüber dem, was ohne Zutun des Menschen und der Klimakrise von der „guten Mutter Natur“ aus möglich ist: im Juli 1342 zerstörte das Magdalenen-Hochwasser weite Teile Mitteleuropas, schwemmte Böden weg wie sonst nur die Wassermassen in 2.000 Jahren, tötete Tausende, und bereitete bei den unterernährten Menschen den Weg für die große Pestepidemie. Es hilft also letztlich nur, die blauäugigen EU-Bürokraten politisch zu stoppen.
B) Moorböden: Die nassen, oft unzugänglichen Böden wurden lange Zeit als nutzlose Verschwendung potentiell wertvoller Ackerflächen angesehen. Dabei sind nasse Moorböden nicht nur ein Standort für sonst nicht vorkommende Pflanzen, sondern auch ein höchst effektiver CO2-Speicher, solange die mächtigen Torfschichten unter dem Wasserpegel bleiben: ein Quadratmeter Moor speichert fünfmal mehr CO2 als ein Quadratmeter Wald. Moore als Feuchtgebiete verhindern zudem einen zu schnellen Abfluss von Regenwasser; sie halten das Wasser in der Fläche. Und sie lassen sich – allen Vorurteilen zum Trotz – schonend landwirtschaftlich nutzen: Die „Paludikultur“ ermöglicht die Gewinnung von Bau- und Dämmstoffen, aber auch von Medizinalpflanzen. Kein Wunder, dass man immer mehr Moore wiedervernässt, um die CO2-Freisetzungen aus dem trockenen Torf zu stoppen. Im Zuge dieser Wiedervernässung ist es möglich, aufgeständerte PV-Anlagen über den sich regenerierenden Moorflächen anzubringen; das senkt insbesondere an heißen Tagen die Wasserverdunstung aus dem Moor. Für Gebäude am Rand dieser Moore ist auch eine Wärmenutzung des Moores per Wasser-Wasser-Wärmepumpe denkbar.
C) Wasserflächen: Auch wenn es sich hierbei allenfalls um einen „Boden“ für Wassergeflügel und einige Insekten handelt, so bedürfen auch diese Flächen eines Schutzes. Neben Schadstoffeinträgen, die vor allem unter Wasser die Flora und Fauna schädigen, sind die Wasserflächen durch sinkende Wasserpegel und Austrocknung in Hitzesommern bedroht. Was tun?
In den USA hat die Gila River Indian Community südlich von Phoenix/Arizona die Überdachung eines ihrer Bewässerungskanäle mit PV-Modulen in Auftrag gegeben. Portugal hat damit angefangen, schwimmende PV-Anlagen (Floating-PV) auf seinen großen Stauseen zu errichten. Und auch in Deutschland gibt es solche Anlagen auf Baggerseen u.ä. Wir werden aber auch – Naturschutz hin oder her – solche Anlagen ebenso vermehrt auf normalen Seen errichten müssen; denn ist erst der See ausgetrocknet und die Seefauna tot, ist es auch mit dem Naturschutz vorbei.
D) Meeresböden: Meist in jeglicher Hinsicht „aus dem Blick“, werden die Meeresböden still und leise zerstört. Mittlerweile sollen sich 11 Millionen t Plastik auf den Ozean-Böden befinden und dort das maritime Leben schädigen; nur der geringste Teil des Plastikmülls schwimmt in den großen Müllstrudeln der Weltmeere sichtbar an der Meeresoberfläche. In die Küstenzonen der Meere wird immer mehr überschüssiger Dünger aus der Landwirtschaft eingetragen, was zu Algenblüten, und nach deren Absterben zu sauerstoffarmen Todeszonen im Meer führt. In der Ostsee werden so die Seegraswiesen zerstört – deren Produkte wir eigentlich für ökologische Dämmstoffe benötigen – und damit die Erholung der Dorschpopulation verhindert.
Dazu kommt die Fischerei insbesondere mit Grundschleppnetzen, die nicht nur die Seegraswiesen als Kinderstube der Fische und alles Bodenleben großflächig plattwalzen, sondern aus dem Meeresboden auch riesige Mengen CO2 freisetzen: Das von den Netzen am Boden aufgewirbelte, seit Jahrhunderten im Meeresboden eingelagerte CO2 erreicht die Atmosphäre in einer Menge, die ungefähr der des internationalen Luftverkehrs entspricht.
Eine Begrenzung der Plastikproduktion und des Düngereinsatzes sowie ein noch weiter gehendes Verbot der Grundschleppnetzfischerei wären hier geeignete Maßnahmen.
Deutlich wird bei alledem, wie eng Böden und das Energiesystem miteinander verflochten sind.
Teil 1: Temperaturen senken, Verbrennung beenden
Teil 2: Ein EE-System installieren
Teil 3: CO2-lastige Stoffe vermeiden
Teil 4: Geschwindigkeiten anpassen
Teil 9: Fußabdruck verschlanken