24.05.2019
Auf zur Europawahl – Ein Streifzug durch die Wahlprogramme
Am Sonntag findet die Wahl zum Europäischen Parlament statt. Während sich bei der vergangenen Wahl im Jahr 2014 gerade einmal 38 Prozent der Deutschen für die Wahl stark interessierten, liegt die Quote laut Forschungsgruppe Wahlen derzeit bei 56 Prozent - der Protektionismus des Herren Trump und die Brexit-Diskussion haben sicherlich dazu beigetragen. Nach Umfragen steht aber der Klimaschutz - spätestens seit Beginn der Friday-for-future-Bewegung - an Nummer 1, wenn Menschen nach den Themen für ihre Wahlentscheidung gefragt werden. Die Wahl zum Europäischen Parlament wird daher von vielen Klimaschützern als wichtig erachtet, damit das Thema nicht nach der Wahl vernachlässigt wird. Interessant zu sehen ist, dass viele Initiativen auffordern, zur Wahl zu gehen, aber nicht für eine oder mehrere Parteien werben. Eine hohe Wahlbeteiligung soll das Ziel erfüllen, dass sowohl rechte Gruppierungen klein gehalten, aber auch das Thema Klimaschutz vorangetrieben wird.
Im Gegensatz zu den Kommunalwahlen, die vielerorts zeitgleich stattfinden, ist die Teilnahme an der Europawahl auch einfach: Während der Autor bei der Kommunalwahl 520 Kandidaten aus 13 Listen zur Auswahl hat auf mehrfach Stimmen vergeben kann, ist bei der Europawahl nur eine Stimme für eine der 40 Parteien zu vergeben. In der Parteienliste stehen immerhin drei verschiedene Tierschutzparteien, aber keine, die das Thema Klimaschutz und Energie im Namen trägt. Darum wollen wir heute eine kurze Analyse der Europawahl-Wahlprogramme der namhaften Parteien vornehmen, aus der Perspektive der Energiewende und des Klimaschutzes gesehen. Die Auswahl wurde subjektiv aus den 40 angetretenen Bewerberparteien getroffen.
CDU/CSU
Die Unionsparteien betonen, Ziel sei es, Wirtschaftswachstum und Umweltschutz zu vereinen. Die Ergebnisse der UN-Klimakonferenz von Paris und Kattowitz sollen umgesetzt werden. CDU und CSU fordern in Ihrem kompakten 26-Seiten-Programm, dass Treibhausgasemissionen global kostenpflichtig werden. „..die Erhaltung der Artenvielfalt und damit auch der Kampf gegen den Klimawandel [sind] zentrale Anliegen. Wir verfolgen diese Ziele entschlossen, mit Vernunft und Augenmaß.“ so der Text. Und „Wir fordern die globale Bepreisung der Treibhausgasemissionen und deren rasche Umsetzung, notfalls zunächst auf Ebene der G20-Staaten.“
SPD
Die Sozialdemokraten haben ihr Europaprogramm auf immerhin 76 Seiten zusammengefasst, die Themen Umwelt und Mobilität bekommen breite 10 Seiten Platz darin. „Wir wollen weiterhin ambitionierte Schritte zur schnelleren Umstellung des Energiemixes hin zu mehr Erneuerbaren Energien in ganz Europa vereinbaren. Dazu gehört das Funktionieren des europäischen Emissionshandels weiterhin sicherzustellen, ebenso wie die Einführung eines CO2-Preises für die Sektoren, die nicht vom Emissionshandel erfasst sind.“ Daneben soll die Klimaforschung ausgebaut werden und auch die Infrastruktur und Energiespeicher. Viel konkreter wird der Programmtext nicht.
FDP
Der FDP ist die Darstellung ihrer Europaziele 150 Seiten wert, 10 Seiten drehen sich um Energie- und Klimapolitik. Schon zu Beginn werden darin nationale Alleingänge abgelehnt: „Wir brauchen eine europäische Klimapolitik aus einem Guss“. Innovationen und Technologieoffenheit sollen es richten. Wenig überraschend: Die FDP bekennt sich zum Pariser Klimaabkommen, verweist aber schnell auf mögliche schnelle Erfolge mit geringem Aufwand, wenn denn der Klimaschutz in Asien, Afrika und Südamerika umgesetzt wird. Dann wird dem Wähler eine seitengroße Grafik präsentiert, das Deutschland wieder als Land der höchsten Strompreise in Europa darstellt. Auch die Idee der CO2-Bindung durch weltweite Aufforstung wird wieder bemüht. Eine moderne Klimapolitik soll nicht auf Technologievorgaben und Verbote setzen.
GRÜNE
Für die Grünen ist das Energie- und Klimathema schon lange eine Herzensangelegenheit, deutlich wird das auch daran, dass sich der erste Absatz der 197 Seiten Wahlprogramm direkt um Klimaschutz, Erneuerbare Energien und Atomausstieg drehen. Schon der erste Satz ist ein Statement: „Ein Europa ohne Kohle, Atomkraft und sonstige fossile Energien ist möglich.“ Das Ziel der Bündnis 90/Grünen: Bis 2030 muss 45 Prozent von Europas Energie erneuerbar sein; bis 2050 müssen es 100 Prozent sein. Es soll Investitionen in intelligente Stromnetze für Erneuerbare Energien, einen transeuropäischen Netzausbau und in Energiespeicher geben. Außerdem wollen die Grünen einen wirksamen Preis für CO2 und einen Aktionsplan für klimaschonende Wärmeversorgung schaffen.
Linke
Die Linke möchte das Pariser Klimaabkommen schneller voranbringen, plädiert dabei für eine Verstaatlichung der Energieversorgung und die Energiewende bis 2040. Die 20 ältesten Braunkohlemeiler über 100 MW Leistung sollen bis 2020 stilllegt werden. Die Linke will die Vormachtstellung von Großkonzernen in der Energieversorgung beenden und die Energieversorgung umfassend bürgernah organisieren.
AfD
Die AfD listet auf 88 Seiten ihr Wahlprogramm auf, 2 Seiten davon im hintersten Bereich drehen sich um Energie. Hier wird zu Beginn die Aufgabe der Energieversorgung als nationalen hoheitliche Aufgabe beschrieben. Die Steuerbarkeit des Klimawandels wird bestritten, daher gibt es dazu auch keine Lösungsmöglichkeiten im politischen Angebot. Sogar werden alle EU-Maßnahmen zur CO2-Verminderung aus Klimaschutzgründen ab.
Transparenz des Bundesverbandes Erneuerbare Energien
Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) hat zur Europawahl einige Kernforderungen aufgestellt und diese veröffentlicht: https://www.bee-ev.de/home/politik/europa/unsere-vorschlaege/
Parteienranking zum Klima und Entscheidungshilfe
Die BUNDjugend aus NRW hat einen „Parteiencheck zur Europawahl“ veröffentlicht und dabei
die Kandidaten nach Befragung zu Klimaforderungen ausgewertet:
www.bundjugend-nrw.de/mitmachen/jugendgruppen/muenster/parteiencheck-europawahl/
Eine Bewertung der bereits vergangenen Entscheidungen zum Klimaschutz für die deutschen Parteien im Europaparlament hat der Deutsche Naturschutzring (DNR) vorgenommen. Dabei wurden für die im Parlament vertretenen Parteien 21 EU-Entscheidungen zwischen 2014 und 2019 analysiert, also das Realverhalten und nicht die Versprechungen der Wahlprogramme: www.dnr.de/presse/pressemitteilungen/pm-2019/ranking-zeigt-wer-meint-es-ernst-im-klimaschutz/
Eine weitere Möglichkeit stellt der Wahl-o-mat dar (www.wahl-o-mat.de). Er stellt dem Benutzer direkt politische Fragen und errechnet daraus die Übereinstimmung mit Parteizielen. Diese Hilfeplattform der Bundeszentrale für politische Bildung wurde Anfang der Woche aufgrund der Beschwerde einer Kleinpartei gerichtlich stillgesetzt. Aktuellist er wieder aktiviert.
Bleibt nur unser Aufruf: Gehen Sie wählen! Die Klima- und Energiepolitik wird zukünftig maßgeblich auch in Brüssel und Straßburg entschieden. Ihre Stimme zählt, auch wenn Sie neben dem Klimaschutz auch andere Themen für wichtig halten.
Jörg Sutter