24.04.2020
Vom Stromlieferanten zum Stromproduzenten
Fernwärme, Gas, Wasser Strom: auf diesen vier Sparten fußt das Geschäft der N-Ergie. Die entstand bei der Fusion der früheren Nürnberger Stadtwerke EWAG mit dem Regionalstromversorger FÜW. Der Konzern, er gehört zu den zehn größten Versorgern Deutschlands, liegt heute zu 60 Prozent in städtischen Händen. Und als solcher wird man immer mehr zum einem Vorreiter auf dem Weg zur dezentralen Energieversorgung. Die Telefon-Bilanzpressekonferenz für das Geschäftsjahr 2019 lieferte vor wenigen Tagen dafür wieder genug Belege.
„Lägen wirksame Rahmenbedingungen zur Stärkung dieser vielfältigen lokalen und regionalen Ansätze vor, würde der Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) besser gefördert, so wäre die Energiewende heute deutlich weiter, der Klimaschutz deutlich wirksamer und die Akzeptanz der Energiewende deutlich höher.“ Nein: Das ist kein Statement eines Umweltverbands, sondern stammt von Josef Hasler und Magdalena Weigel, dem für die Bilanz 2019 verantwortlichen Vorstandsteam der N-Ergie.
In ihrem Vorwort zum Geschäftsbericht erwähnen Hasler und Weigel auch: „Insgesamt werden fast 60 Prozent des jährlich in unserem Netzgebiet verbrauchten Stroms in der Region erzeugt. Der Großteil stammt aus dezentralen Photovoltaik-, Windkraft- und Biomasseanlagen, der Rest aus Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), wie beispielsweise unserem Heizkraftwerk in Nürnberg-Sandreuth.“
Wie Dezentralität technisch funktioniert, zeigt man beispielsweise auf der eigenen Webseite "Hallo, Energiewende!". Und dass sich dieses Konzept mehr und mehr rechnet, verdeutlichen die Zahlen: Der Umsatz stieg auf 2,26 Mrd. Euro (zuvor 2,14 Mrd.), das Jahres-Ergebnis ging von 129 (2018) auf 135 Mio. Euro nach oben. Im Konzern, mit den „assoziierten Unternehmen“ zusammen, schrumpfte das Ergebnis zwar um 15 Mio. auf 109 Mio. Euro. Das aber lag wohl besonders am „Materialaufwand“: Der ging um 6,4 Prozent nach oben, vor allem wegen der stark gestiegenen Bezugspreise für Strom, Gas und Fernwärme, ist zu lesen. Gut 100 Mio. Euro aus den Erträgen fließen im Übrigen an die beiden Gesellschafter, die Thüga und die Städtischen Werke Nürnberg.
60 Prozent der Einnahmen steuerte die N-Ergie Netz bei, die vor allem für die Strom-Verteilnetze zuständige Tochterfirma. Doch deren Ertrag (6 Mio. Euro) im Verteilnetzgeschäft ist im Verhältnis zum Umsatz (1,31 Mrd. Euro) sehr gering. Zum Vergleich: wer diese Zahlen mit den Bilanzen der vier großen deutschen Strom-Übertragungsnetzbetreiber vergleicht, weiß, wie hoch Hochspannungs-Netzrenditen ausfallen können.
Aber wo kamen dann die Gewinne der N-Ergie 2019 her? „Wir waren sehr erfolgreich bei Schlüssel-Großkunden“, sagt Hasler, warnt aber: „2020 stehen wir vor einer großen Herausforderung mit Corona. Aktueller Einbruch im Stromverbrauch: 60 bis 70 Prozent – das wird so weitergehen. Wir müssen reservierte Strommengen wieder zurückverkaufen an die Börse, müssen also Verluste einbuchen.“
Zwar hätten viele dieser Kunden „Abnahmepflicht, aber wir versuchen, Lösungen zu finden, da besteht eine Vertrauensbasis. Wir wollen langfristig mit ihnen zusammenarbeiten, führen deshalb konstruktive, intensive Gespräche. Wir alle sitzen in einem Boot.“ Namen der Großkunden will der N-Ergie-Chef deshalb auch nicht nennen. Nur so viel lässt er heraus: „Wir sind überall unterwegs, in der Automobilindustrie, Chemieverarbeitung, im Baugewerbe. Wir sind nicht branchenspezifisch ausgerichtet.“ Trotzdem setzt die N-Ergie auch jetzt weiter auf den Ausbau der Ökostromerzeugung – auch der eigenen. „Dezentralität per se ist sehr sehr sinnvoll. Energieversorgung ist klassische Daseinsvorsorge, die gehört nicht an internationale Hedgefonds“, nennt Josef Hasler einen Grund.
Allein über zehn Megawatt Solarkraftwerksleistung soll noch im laufenden Jahr in Hilpoltstein (Mittelfranken) und Rottendorf (Unterfranken) dazukommen. Vorausgesetzt, in letzterer Gemeinde kann die Planung rechtzeitig zu Ende geführt werden. Die Anlage südlich von Nürnberg ist dagegen bereits im Bau und dürfte im Sommer ans (eigene) Netz gehen.
Insgesamt blickt man mit einer Bilanz 2019, die sich sehr wohl sehen lassen könne, in die Zukunft. Trotzdem: Die Vorstände Hasler und Weigel gehen in der uns vorliegenden Version des Geschäftsberichts auf Konfrontationskurs zu Bundes- und Landes-Wirtschaftsministerien, der Bundesnetzagentur und besagten Strom- Übertragungsnetzbetreibern: „Der Ausbau der HGÜ-Trassen wird von der Bundesregierung nach wie vor als Voraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende interpretiert. Fakt ist aber, dass diese Trassen weder einen maßgeblichen Beitrag zur Versorgungssicherheit noch zum Klimaschutz leisten.“ HGÜ – das Kürzel steht für Hochspannungs-Gleichstromübertragung. Zwei dieser Trassen sollen durch den Raum Nordbayern führen, um „Windstrom aus Norddeutschland nach Bayern und Baden-Württemberg zu transportieren“, so die offizielle Lesart der Planer und Bundesbehörden.
„Kraftwerke in kommunaler Hand können viel mehr leisten als drei, vier fünf Leitungen von Nord nach Süd oder West nach Ost“: Das N-Ergie-Führungsduo hegt an der Haltung der Politik ganz offensichtlich große Zweifel. Es setzt stattdessen auf Dezentralität, Digitaltechnik und die Zusammenarbeit mit innovativen Mittelständlern.
Jüngste Beispiele: Ein Virtuelles Kraftwerk. Die entstehende Online-Plattform bündelt Ökostrom vor allem aus Biogas- und Solarkraftwerken in Bürger-, Bauern- und Genossenschaftsbesitz und vermarktet ihn gemeinsam. „In einem Jahr kann ich mehr erzählen“, so Hasler.
Ein zweites: die Beteiligung an Emonvia. Das Münchner Start Up für Elektromobilität soll „Back End-Lösungen für Firmen- und Mitarbeiterfahrzeuge abwickeln. Digital, völlig kundenfreundlich. Die Nutzer müssen sich um nichts mehr kümmern“, wirbt Josef Hasler für das Unternehmen, das von sich sagt: „Mit viel frischem Innovationsgeist entwickeln wir nutzerfreundliche Softwarelösungen für Ladestationen, für jeden Anwendungsfall geeignet.“
Oder die „N-Ergie & Münch Energielösungen Verwaltungs-GmbH“: Unter diesem Mantel entwickelt der Nürnberger Konzern gemeinsam mit dem Eigenstrom-Spezialisten Münch aus Oberfranken in Schweinfurt die Stromversorgung für einen großen Kugellagerbetrieb.
„Wir machen das mit Partnern, wollen Beteiligte, nicht Betroffene“, erklärt Vorstandsvorsitzender Josef Hasler solche auf den ersten Blick ungewöhnlichen Kombinationen.