24.04.2020
Standardlastprofil und kein Ende …
In der letzten Ausgabe der DGS News vom 17. April 2020 hatten wir die These vertreten, dass die vom Bundeswirtschaftsministerium geführte Linie der Digitalisierung der Energiewende ein zentralisiertes Energiemanagement verfolgt. Darüber hinaus hatten wir geschrieben, dass die Eigenversorgung mit PV Strom abgewürgt werden solle. Soweit also die politische Einschätzung. Wir wollen aber noch einen differenzierten Blick wagen, wie sich dies konkret für Neuanlagen, Anlagenerweiterungen und aus dem EEG ausscheidende Anlagen darstellt. Und das unter Einbeziehung steuerliche Aspekte.
Nur kurz wollen wir auf Schaufensterpräsentationen eingehen, wie sie etwa gestern von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) in Form einer Animation in die Welt gesetzt wurde. Darin wird gesagt, dass durch die intelligente Vernetzung dezentraler Produzenten diese zu einem virtuellen Kraftwerk zusammen geschaltet werden könnten. Daran würden Prosumer, die sich beteiligen, über neue, variable Stromtarife profitieren. Entgegen den bunten Bildchen von AEE sehen wir das nicht so. Um dies dem geneigten Leser zu veranschaulichen, haben wir eine grafische Darstellung auf Basis der Daten der Bundesnetzagentur (BNetzA) gewählt (Link zur ausführlichen Darstellung).
Die BNetzA argumentiert, dass derzeit Anlagenbetreiber mit Eigenverbrauch vom Lieferanten nach dem für alle Haushalte geltenden Standardlastprofil, also quasi doppelt, beliefert werden. Dieses Zuviel an Graustrom müsse derzeit durch teure Regelenergie „bereinigt“ werden. Das Ganze läge weder im Interesse der Anlagen-, noch der Netzbetreiber. Als Alternative werden drei Optionen vorgeschlagen, die die momentan geltende, ungewollte Doppelbelieferung eines PV-Anlagenbetreibers beenden sollen. Diese sollen für die bereits erwähnten Fälle von Neuanlagen, Erweiterungen und Ü20 Anlage zur Wahl stehen:
Für die Systemintegration flexibler Lasten (als Novellierung des § 14a EnWG) wären dies drei Optionen. Siehe dazu die verlinkte Grafik:
- Markt Option
- Netzbetreiber Option - Auffangvermarktung
- Lieferanten Option
Bei der Option 1 dürften Direktvermarkter dem Prosumer, egal ob Gewerbebetrieb oder privater Betreiber, die kalte Schulter zeigen. Für sie ist dieses Modell alles anderen als attraktiv. Ohne eine entsprechende Übernahme der EU-Richtlinie für die Erneuerbaren in nationales Recht, wäre dies erst recht schwierig.
Wie bereits ausgeführt, geht die Tendenz dahin, dass dem Kleinstromerzeuger, der seinen Strom teilweise selbst nutzen möchte, die nahezu volle Verantwortung für seine Eigenerzeugung aufgebürdet wird. Der Strom muss in Bilanzkreise integriert werden und darf nicht unter einem dezentralen Energiemanagement bereitgestellt und verbraucht werden. Das alles basiert darauf, dass die Versorger grundsätzlich nicht vom Standardlastprofil Abschied nehmen wollen.
Die Option 2, die Volleinspeisung ohne Eigenverbrauch, bietet aber auch keine Alternative. Ein Anreiz für den Zubau weiterer PV-Anlagen besteht nicht. Höchsten für Ü20-Anlagen könnte dies, sofern kein größerer Aufwand für den Weiterbetrieb anfällt, zumindest für eine Zeit funktionieren. Allerdings nur so lange, bis Wartungs- und Erneuerungsmaßnahmen die konterkarieren.
Option 3 kommt als Sorglospaket daher und scheint damit vordergründig attraktiv. Der private oder auch gewerbliche Anlagenbetreiber investiert in eine Anlage, speist seine komplette Erzeugung ein und braucht sich um nichts mehr kümmern. Im Gegenzug erhält er seinen PV-Strom bei Bedarf „kostenfrei“ zurückgeliefert. Das Netz dient als virtueller Speicher, stationäre Batterien zur Eigenverbrauchsoptimierung werden überflüssig. Der bürokratische Krimskrams wird vom Partner abgenommen. Dieser bekommt die Marktwertvergütung des Netzbetreibers und die vom Kunden erhobenen, nicht unerheblichen Grundgebühren für seine Dienstleistung der bedarfsgerechten Stromlieferung. Für Stadtwerke dürfte der damit verbundene Aufwand zu viel sein, es wäre allenfalls ein Modell für große Versorger.
Dabei könnte, wenn der Gesetzgeber und die alte Energiewirtschaft dazu bereit wäre, auch ein vom Standardlastprofil abweichendes Profil für PV-Anlagenbetreiber mit Batterie generiert werden. Daten der Anlage und des installierten Speichers sind bereits heute im Marktstammdatenregister hinterlegt, größere Verbraucher wie Wärmepumpen, Ladestationen beim Netzbetreiber meldepflichtig. Smartmeter werden verpflichtend – so wären eigentlich alle Voraussetzungen gegeben, das Verbrauchsverhalten dieser Haushalte einzuschätzen und damit die Betriebspläne der Großkraftwerke zu planen.
Zudem wird in der beim Bundeswirtschaftsministerium einsehbaren Barometerstudie zur Reform der Netzentgelte anvisiert, dass der Verbraucher mit Eigenerzeugung sein Lastprofil von Einspeisung und Strombezug in Zukunft von Lastspitzen bereinigen muss, um nicht empfindlich zur Kasse gebeten zu werden. Der laut EU-Richtlinie eigentlich zu entlastende, eigenverbrauchende Kleinerzeuger wird also vom Prosumermodell der BNetzA und von den Plänen zum Netzentgeltreform jeweils gezwungen, mit größtmöglichem technischen Aufwand und Professionalisierungsgrad ein Lastmanagement zu betreiben und die volle Verantwortung als Energieerzeuger und Netzanschlussnehmer zu übernehmen. Dabei erhält er für diesen Aufwand weder eine Ermäßigung in Form flexibler Netzentgelte, noch einen anderen finanziellen Ausgleich für eine marktgerechte Einspeisung in das Netz.
Das Modell einer Kombination von Stadtwerkeversorgung und Bürgerenergieanlagen könnte aber in diesem Zuge realisierbar sein. Es könnten für Bürger und Stadtwerke verwaltungstechnische Synergien genutzt werden. Das Netzmanagement auf höherer Ebene wäre effizienter und die Integration des lokal erzeugten Stromes im Portfolio von Kunden der Stadtwerke erwünscht. Aber das wäre eine politische Entscheidung, die bei den gegenwärtigen Kräfteverhältnissen kaum zu erwarten sein dürfte.
Nicole Lauckner
Klaus Oberzig
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