24.04.2020
Hamburg sucht den Klimakurs
Diese Woche hat die Hamburgische Bürgerschaft das „Gesetz zum Schutz des Klimas“, kurz auch Hamburgisches Klimaschutzgesetz genannt – oder im Juristendeutsch „HmbKliSchG“ – , abschließend in Kraft gesetzt. Dieses Gesetz bildet den juristischen Rahmen für den Hamburger Klimaplan (→ § 6 HmbKliSchG), der die Stadt bis 2030 deutlich dekarbonisieren soll, und den die Wochenzeitung „Die Zeit“ als „kühnsten Klimaschutzplan der Republik“ rühmte. Dabei kommt der 64seitige Plan höchst bescheiden und unspektakulär unter dem offiziellen Titel „Erste Fortschreibung des Hamburger Klimaplans“ daher. Es gab also einen Vorläufer, den Klimaplan von 2015, und so kann es lehrreich sein, sich einmal die (Miss-)Erfolge der alten Pläne anzusehen.
Auch der 2015er Plan hatte hehre Ziele: Dort wollte man in der Vorbildfunktion der Stadt den Endenergieverbrauch von öffentlichen Gebäuden bis 2030 um mindestens 30 Prozent den Verbrauchswerten von 2008 reduzieren (S. 30) – allerdings gibt es hierfür keine Energieverbrauchsstatistik auf Jahresbasis, an der man Fortschritte überprüfen könnte. Auch im Mobilitätsbereich erwies man sich nur als halbwegs mobil: Bis 2020 sollte der Anteil elektrisch betriebener PKW im Fuhrpark der Freien und Hansestadt Hamburg bei 50 Prozent liegen (S. 38) – heute liegt er bei rund 15 Prozent. Aber, auch das gehört zur Fairness hinzu: Auf anderen Gebieten wie dem Ausbau des Fahrradnetzes ist man gut vorangekommen, auch wenn es noch Lücken zu schließen gilt.
Was also ist das Besondere am neuen, jetzt beschlossenen Hamburger Klimaplan bzw. HmbKliSchG? Immerhin enthält letzterer drei Punkte, die so relevant sind, dass Hamburg sie gar nicht allein beschließen konnte, sondern dafür ein Notifizierungsverfahren bei der EU durchführen musste, bei dem spezielle neue Gesetzesvorhaben in Brüssel angezeigt werden, und erst nach dem Plazet der EU-Kommission rechtliche Gültigkeit erhalten dürfen. Dieses OK liegt nun vor; die drei besonderen Hamburger Punkte – bisher als offene Paragraphen 11 bis 13 im Klimaschutzgesetz – sind:
• Verbot des Einbaus von Klimaanlagen in Wohngebäuden
• Verbot von reinen Stromheizungen
• Verbot von neuen Ölheizungen in Wohngebäuden (bereits ab Ende 2021)
Unter den deutschen Bundesländern ist Hamburg damit zweifellos Spitzenreiter. Nicht zu leugnen ist aber auch, dass bei den o.a. Verboten das Nachbarland Dänemark Pate gestanden hat, wo die verschiedenen Regierungen schon seit längerem gegen die o.a. Klimasünder-Techniken vorgehen. Aber dieses sind nur drei von den 31 Paragrafen des Gesetzes – dessen übriger Teil bereits am 20. Februar von der Bürgerschaft verabschiedet wurde – und ein geringer Teil der über 400 Maßnahmen, mit denen die Hansestadt ca. sieben Millionen Tonnen CO2 bis 2030 einsparen möchte.
So enthält das Gesetz auch Verpflichtungen zur Nutzung der Solarenergie: § 16 „Verpflichtung zum Vorhalten einer Anlage zur Stromerzeugung durch Nutzung solarer Strahlungsenergie“ schreibt PV-Anlagen für Neubauten ab dem 1.1.2023 und für umfangreiche Dachsanierungen ab dem 1.1.2025 vor – natürlich mit den üblichen Schlupflöchern („wirtschaftlich nicht vertretbar“). Und § 17 „Nutzungspflicht von Erneuerbaren Energien bei der Wärmeversorgung“ schreibt für alle Gebäude vor dem 1. Januar 2009 errichteten Gebäude vor, dass ab dem 30. Juni 2021 beim Heizungsanlagen-Austausch oder -Einbau „mindestens 15 v.H. des jährlichen Wärmeenergiebedarfs durch Erneuerbare Energien zu decken“ seien, wobei in Absatz 2 sogleich auf die Solarthermie verwiesen wird. Allerdings folgen dann auch gleich wieder die Aus- und Ersatzmaßnahmen (§ 18).
Neben dem Kohleausstieg bei der Fernwärme (§ 9), der in den vergangenen Jahren insbesondere durch die auch von der DGS-Sektion Hamburg unterstützte Volksinitiative „Tschüss Kohle“ vorangetrieben wurde, enthält das Gesetz einen aus Sicht des Klimaschutzes wichtigen § 14 „Förderung klimafreundlicher Baustoffe“, die allerdings hier nicht näher konkretisiert werden.
Sehr am Rande steht § 29 „Nachhaltige Mobilität“, und so randständig ist das Thema dann auch inhaltlich geraten: ÖPNV, Steigerung des Rad- und Fußgängerverkehrs, verkehrsberuhigende und verkehrsreduzierende Maßnahmen, alles im Sinne einer nachhaltigen und emissionsarmen Mobilität mit klimafreundlichen Antriebsformen, wobei „uneingeschränkte Technologieoffenheit“ gilt. Warum man hier nicht „CO2-freie Antriebsformen“ formuliert und die FDP-Diktion „Technologieoffenheit“ weggelassen hat, wird wohl ein Geheimnis der Behörden-Bürokratie bleiben. Es scheint zudem so, als gäbe es keine Wirtschaftslogistik, als würden Schiffs- und Luftverkehr in Hamburg nicht stattfinden. Im neuen Klimaplan, der natürlich weniger verbindlich ist als das Klimaschutzgesetz, findet sich dagegen schon ein Abschnitt zur Wirtschaftslogistik (S. 38f.) mit Ausbauoptionen und Konzepten. Ebenso kommen hier Schiffsverkehr (S. 39f.) und Luftverkehr (S. 40) vor, doch die Konzepte wirken blass und ratlos: Von einer Elektrifizierung des Kurzstrecken-Luftverkehrs, wie sie etwa Norwegen anstrebt, ist ebenso wenig die Rede wie von CO2-freien Hafenfähren. Und wer nach fünf Jahren Rot-Grün-Regierung bei „beispielhafte und wesentliche Maßnahmen“ im Schiffsverkehr „Emissionsfreie Alsterschifffahrt“ in den Klimaplan hineinschreiben muss, obgleich das Solarschiff „Alstersonne“ bereits seit 20 Jahren im Dienst ist, macht sich einfach lächerlich.
Und wie steht es nun – wenn man sich Klimaplan und Klimaschutzgesetz einmal zusammen ansieht – um die anfangs erwähnte Analyse der Wochenzeitung DIE ZEIT? Sicher, Hamburg hat den „kühnsten Klimaschutzplan der Republik“ – aber unter lauter Blinden ist der Einäugige halt König!