24.03.2023
PV-Strategie: Was darin fehlt
Eine Betrachtung von Jörg Sutter
Den Textbeitrag zum Entwurf der PV-Strategie in den DGS-News der vergangenen Woche hatte sehr erfreuliche Reaktionen hervorgerufen, etliche Leser:innen haben sich mit konkreten Verbesserungsvorschlägen und Ergänzungswünschen gemeldet. Dafür an dieser Stelle vielen Dank schon einmal vorab.
Ein großer Dank auch an unsere DGS-Sektionen in Rheinland-Pfalz und in München, die ebenfalls großes Engagement an den Tag gelegt haben. Verschiedenste Vorschläge und Korrekturwünsche sind zusammengetragen und zum Teil direkt an das Ministerium weitergegeben worden. Teils große, aber auch ganz kleine Änderungen und Verbesserungen, die in Zukunft eine PV-Umsetzung vereinfachen können, sind zusammengetragen. Diese Liste können wir nicht nur heute, sondern auch noch für die nächsten Jahre nutzen.
Fristgemäß bis zum heutigen Freitag werden wir uns „offiziell“ als DGS mit einer ausgewählten Zahl von Punkten an das BMWK werden, davon möchte ich an dieser Stelle einige beleuchten. Es ist jedoch nur eine Auswahl, da wir an der Stellungnahme auch nach Verfassen dieser DGS-Newsmeldung noch arbeiten. Der Arbeitskreis der DGS München wird die Ergebnisse der Diskussion auch selbst und über andere Kanäle weitergeben, damit diese auch über befreundete Organisationen an das Ministerium angetragen werden.
Grundsätzlich sehen wir die PV-Strategie positiv und können ganz vielen darin beschriebenen Punkten unsere Zustimmung geben. Auch das Vorgehen begrüßen wir ausdrücklich. Dass hier nun nicht starr auf Gesetze, sondern die gesamte Umsetzungskette geschaut wird und eine große Offenheit für Vorschläge von außen gezeigt wird, begeistert. Es ist gut zu erkennen, wie ernst der PV-Ausbau nun vom BMWK genommen wird.
Doch kein Strategieentwurf kann so gut sein, dass nicht noch einige Punkte ergänzt werden könnten, daher an dieser Stelle einige Vorschläge:
a) Solarpflicht
Es ist sehr erstaunlich, dass eine Solarpflicht für gewerbliche Neubauten zwar im Koalitionsvertrag vom vergangenen Oktober steht, aber im Entwurf der PV-Strategie vollständig fehlt. Die Regierung hatte beschlossen: „Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für die Solarenergie genutzt werden. Bei gewerblichen Neubauten soll dies verpflichtend, bei privaten Neubauten soll es die Regel werden. Bürokratische Hürden werden wir abbauen und Wege eröffnen, um private Bauherren finanziell und administrativ nicht zu überfordern. Wir sehen darin auch ein Konjunkturprogramm für Mittelstand und Handwerk.“
Etliche bürokratische Hemmnisse sollen ja zukünftig angegangen werden, aber die genannte Solarpflicht fehlt. Warum? Natürlich gibt es Argumente gegen eine Solarpflicht, von der Gefahr für das Image der Solarenergie bis zu den Problemen der konkreten Durchsetzbarkeit und möglichen Überlastung von Unternehmen. Andererseits: Aus unserer Sicht könnte das ein Booster werden, die Unternehmen werden unabhängiger in ihrer Stromversorgung und um es plakativ zu formulieren: Wer sich als Unternehmer über die vergangenen 20 Jahre nicht durch die Förderung zu einer PV-Anlage „überreden“ lies, der wird das vermutlich auch in den kommenden Jahren nicht freiwillig machen.
In Baden-Württemberg gibt es für gewerbliche Neubauten schon seit über einem Jahr eine Solarpflicht, die erstaunlich geräuschlos umgesetzt wird. Im Ländle sind keine Proteste zu hören, sieht aber immer mehr Neubauten, die PV-Anlagen auf den Dächern haben. Im Südwesten wurde die Solarpflicht mit Augenmaß beschlossen, das heißt es gibt Ausnahmen und Härtefall-Regelungen, Deshalb schlagen wir vor, dass die vereinbarte Solarpflicht für das Gewerbe nach Vorbild aus „the länd“ in die PV-Strategie aufgenommen wird.
b) Vereinfachung von Steckersolar
In der PV-Strategie sind wesentliche Vereinfachungen für Steckersolargeräte bereits enthalten. Das freut uns sehr und es ist positiv zu werten, dass nicht nur die „große“ Energiewende, sondern auch gerade die Umsetzung im „Kleinen“ hier ernst genommen wird und vorangebracht werden soll.
Vor allem die Erhöhung der AC-Leistungsgrenze auf 800 Watt und die Freigabe des Schukosteckers, gemeinsam mit der hoffentlich bis Jahresende fertigen Produktnorm kann den Einsatz hier deutlich vereinfachen. Die Klarstellung, dass diese Geräte zur Selbstmontage gedacht sind, müssten auch weitere Aufwände reduzieren, die derzeit von Netzbetreibern oft noch gefordert werden, das reicht von der Bestätigung einer Elektrikermontage bis zum Zwang des Umbaus der Steckdose.
c) Vereinfachung von Haus-PV-Anlagen
Hier muss aus unserer Sicht die Entbürokratisierung auf der steuerlichen Seite fortgesetzt werden: Ein PV-Betreiber braucht zwar keine Meldungen im Rahmen der Einkommenssteuer mehr vornehmen, das ist sehr positiv. Doch aktuell ist trotzdem die Anmeldung beim Finanzamt als PV-Betreiber noch notwendig, weil hier eine „Unternehmerfiktion“ unterstellt wird. Auch dieser Punkt gehört gestrichen, genau wie die unnötige jährliche Meldung an den Netzbetreiber, dass die PV-Volleinspeise-Anlage auch im Folgejahr in der Volleinspeisung verbleiben soll.
Für Hausbesitzer und Installationsbetriebe wünschen wir uns nicht nur eine Digitalisierung von Netzanfragen und Anmeldungen, sondern eine konkrete volldigitale Plattform, von der Netzanfragen bis 30 kWp innerhalb von 24 Stunden automatisiert beantwortet werden. Einige Netzbetreiber in Europa und auch in Deutschland zeigen schon, dass das technisch bereits heute möglich ist. Nur damit würde das lange Warten auf die Freigabe des Netzbetreibers ein echtes Ende haben. Eine zentrale Internetseite, wie es auch das EEG 2023 ankündigt, ist sicherlich sinnvoll, jedoch nur dann vernünftig, wenn dahinter nicht weiter die netzbetreiberindividuellen Befindlichkeiten ausgerollt bleiben.
Auch der in der PV-Strategie angekündigte Wunsch nach vorausschauender Netzplanung greift aus unserer Sicht zu kurz: Gerade Beispiele aus Bayern zeigen, dass die Verteilnetze teils schon für den heute notwendigen Bedarf nicht ausreichen, um gewünschte PV-Leistungen ans Netz zu bringen. Hier müssen den Netzbetreibern konkrete Vorgaben für schnelleren Ausbau gemacht werden. Nicht nur für die PV, sondern auch für den weiteren Ausbau der Elektromobilität ist das zwingend notwendig. Oder vielleicht auch hier ein wenig mehr „Druck“ von oben: Wenn jeder Netzbetreiber abgelehnte PV-Anlagenleistung an die BNetzA melden müsste, könnte das Ansporn sein, doch noch bei der Netzplanung zu schauen, ob es nicht doch noch hinzubekommen ist – mit welchen Mitteln auch immer. Wie oft zählt auch hier schlicht das Resultat – und das sind möglichst viele angeschlossene Anlagen.
Eine weitere Freigabe brauchen wir bundesweit: Die so genannte Kaskadenschaltung, die als Zählerkonzept gleichzeitig die Nutzung von eigenem PV-Strom zusammen mit einem vergünstigten Tarif für eine Wärmepumpe bietet, muss bundesweit möglich sein. Ein derartiges Messkonzept muss überall im Land von PV-Betreibern nutzbar sein, derzeit ist das noch von der (willkürlichen?) Zustimmung des jeweiligen Netzbetreibers abhängig.
Und für die Hausanlagen steht noch ein praktisches Thema aus unserer Sicht zu schwach in der Strategie: Die Erlaubnis zum Repowering von Dachanlagen, wie es derzeit für Freiflächenanlagen schon erlaubt ist, also ohne Verlust der ursprünglichen Vergütungshöhe. Das soll nur „geprüft“ werden, das ist aber zu wenig. Schon aus Gründen der Gerechtigkeit und weil schon heute, vermehrt aber in den kommenden Jahren, diese Möglichkeit helfen kann noch mehr Strom effizient von einem Dach zu ernten.
d) Mieterstrom
Auch das Thema Mieterstrom sprechen wir hiermit nochmals an. Es werden neue Konzepte angekündigt, auch eine Art „Energy-Sharing“ nach österreichischem Vorbild ist enthalten. Das kann ein guter Schritt sein, jedoch fehlt ein Aspekt völlig: Ein Energy-Sharing, also die Weitergabe von erzeugtem Strom über das öffentliche Netz ist nicht Bestandteil des Strategieentwurfes. Dabei ist das wichtig, es kann viel neue Umsetzungschancen geben und auch Motivation liefern, ein Projekt in der Nachbarschaft oder bei Freunden umzusetzen, wenn das eigene Dach nicht geeignet ist. In diesem Themenkomplex werden wir auch die Expertise von unserem Juristen Peter Nümann in die Stellungnahme einfließen lassen, der auch im Austausch mit anderen Organisationen steht.
e) Vereinfachung von gewerblichen PV-Anlagen
Hier enthält die Strategie schon einen der wichtigen Punkte, nämlich die Anhebung der 135 kW-Grenze zur Zertifizierungspflicht. Das sorgt auch derzeit noch für lange Verzögerung, viel Bürokratie und hohe Kosten. Die Vereinheitlichung von Netzanfragen und Anmeldungen sowie die Abschaffung der doppelten Anmeldepflicht (Netzagentur und Netzbetreiber) hilft auch hier den Installateur:innen und PV-Handwerker:innen weiter.
Wie geht es weiter?
Nach dem Zeitplan des BMWK wird es schnell vorangehen: Im Mai soll die endgültige Photovoltaik-Strategie vorgestellt werden, danach werden zwei Gesetzespakete, das Solarpaket I und II, geschnürt. Wann die verabschiedet werden und ab wann dann weitere Vereinfachungen greifen, kann heute noch nicht abgeschätzt werden. Wir bleiben dran!
Der aktuelle Entwurf der PV-Strategie steht hier zum Download bereit