24.03.2023
LNG-Terminal-Debatte
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Seit wenigen Monaten verfügt Deutschland über LNG-Terminals. „Die Bundesregierung hat fünf schwimmende Terminals für Flüssigerdgas (LNG) geordert, von denen die ersten zwei schon diesen Winter operieren: Brunsbrüttel und Wilhelmshaven“, sagte Patrick Graichen vergangene Woche, bei einer Online-Veranstaltung des parteipolitisch unabhängigen Vereins Europe Calling (“Die LNG-Frage – Wie viel neue Flüssiggas-Infrastruktur brauchen Deutschland und Europa?”). BMWK-Staatssekretär Graichen ergänzte, dass eine weitere Anlage privatwirtschaftlich betrieben wird, in Lubmin. Betreiber sind die Unternehmen Totalenergies und Deutsche ReGas. Die Einheiten heißen auf Englisch „Floating Storage and Regasification Unit“, „FSRU“ abgekürzt.
Bei dem Webinar wurden mehrere Aspekte der aktuellen LNG-Debatte aufgegriffen. Dieser Artikel soll einen Einblick in die Diskussionen vermitteln.
„Wir haben den Markt für LNG vergrößert“
Im Podiumsgespräch betonte Mechthild Wörsdörfer, dass die Politik die Versorgungssicherheit gewährleisten wollte, und deshalb staatliche Beihilfen für den Bau von LNG-Terminals in Deutschland genehmigt hat. Diese seien „in Rekordzeit“ gebaut worden. Die stellvertretende Generaldirektorin für Energie der Europäischen Kommission sagte, dass die Kommission in der gesamten EU„bis 2027 Null russisches Gas“ haben möchte. Deshalb werde der Bezug reduziert und müsse in den nächsten Jahren ersetzt werden. Die Importe seien von etwa 50 %, was das „historische“ Mittel gewesen sei, auf 7 % im Januar 2023 gesunken. Die Zahlen zeigen, dass weiterhin LNG aus Russland importiert wird (siehe Abbildung). Von 2021 bis 2022 hat sich die Menge leicht erhöht, von 15,9 Milliarden Kubikmeter (billion cubic metres, bcm) auf 22,1 bcm.
Europaweit über 30 LNG-Projekte
Mehrere europäische Länder haben LNG-Terminals errichtet, weitere Projekte befinden sich im Bau (z.B. in Zypern) oder in Planung (z.B. in Irland). EU-Länder, die LNG importieren, sind Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Litauen, Malta, die Niederlande, Polen, Portugal, Spanien – wie eine Karte der EU Kommission zeigt.
„Der LNG-Bedarf sollte sich an den Klimazielen orientieren“
Wenn alle projektierten LNG-Terminals tatsächlich umgesetzt werden sollten, stellt sich die Frage, ob das an den tatsächlichen Bedarf gekoppelt ist. Im Online-Podiumsgespräch kritisierte Sascha Müller-Kraenner die Bedarfeinschätzung, auch im Hinblick auf immer wieder neu genannte LNG-Projekte, „die in der Diskussion auftauchen“. Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe argumentiert, dass sich der Bedarf an den Klimazielen orientieren sollte. „Wir brauchen eine europäische Gesamtplanung“ appelliert er an die Politik. Außerdem sei in Deutschland eine Novelle des LNG-Beschleunigungsgesetzes erforderlich. Hier gäbe es Konstruktionsfehler. Beispielweise sei eine Betriebsdauer bis 2043 zu lang. Außerdem müsse der Zeitpunkt für den Brennstoffwechsel zu Wasserstoff in der Genehmigung verpflichtend genannt werden.
Neue Elefanten im Raum
Um die gern zitierte Metapher des Elefanten aufzugreifen, seien an dieser Stelle noch zwei Punkte erwähnt, die Müller-Kraenner benennt. Es sei notwendig, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) durchgeführt werden, da massive Eingriffe in Naturräume stattfinden. Das Problem habe die Debatte auf Rügen gezeigt – vergangenes Wochenende hatte RWE mit Vorarbeiten „für den geplanten Bau der Terminals mit zwei Anlegern“ begonnen (wie der NDR berichtet). Das weitere Problem, das Klimaschutzmaßnahmen untergräbt, das Müller-Kraenner anspricht, ist der vorzeitige Maßnahmenbeginn. Diese Möglichkeit müsse seiner Meinung nach gestrichen werden. Einen solchen Maßnahmenbeginn „gab es zu einem Zeitpunkt als noch überhaupt keine Unterlagen der Betreiber eingereicht waren“, so der DUH-Bundesgeschäftsführer.
„Kein Bedarf an festen LNG-Terminals“
Einen weiteren Kritikpunkt spricht Claudia Kemfert an: Die geplanten festen LNG-Terminals sollen „erst 2025 fertiggestellt“ werden, und für diese gebe es keinen Bedarf. Außerdem verursache LNG „höhere Emissionen als Pipelinegas entlang der Lieferkette“, warnt die Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Zudem kritisierte sie, dass sehr lange Verträge für die Infrastrukturprojekte abgeschlossen werden. Sie fordert, bei LNG „das Ausstiegsdatum schon bei der Genehmigung festzulegen“.
Methan und der Treibhauseffekt
In dieser Woche veröffentlichte der IPCC den Abschlussbericht (AR6 Synthesis Report). Die Wissenschaftler:innen haben festgestellt, dass der Gehalt an Methan in der Atmosphäre höher ist als zu jedem anderen Zeitpunkt seit mindestens 800.000 Jahren. Das Treibhauspotenzial von Methan ist höher als das von Kohlenstoffdioxid; es wird jedoch schneller abgebaut. Eine Verminderung der Methanemissionen beeinflusst somit das Klima innerhalb kurzer Zeit. Eine Grafik aus dem Bericht zeigt wie stark die Emissionen gesenkt werden müssen, um die Erderwärmung auf 1,5 oder 2 Grad einzugrenzen (Grafik SPM.5, c).