23.10.2020
Standortauswahlverfahren: Zweitägiger Livestream als Auftakt für die Beteiligung der Öffentlichkeit
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Am Wochenende vom 17./18. Oktober fand die Auftaktveranstaltung der Fachkonferenz Teilgebiete statt, bei der sich Fachleute und Laien über den Stand des Suchverfahrens für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle informieren konnten. Referenten der Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) erläuterten die Datengrundlage und die Kriterien des Zwischenberichts Teilgebiete, der Ende September veröffentlicht wurde und 54% des Bundesgebiets zum aktuellen Zeitpunkt des Standortauswahlprozesses geologisch als günstig bewertet (Die DGS-News berichteten).
"Teilgebiete" sind die ermittelten 90 Gebiete, die aufgrund der geologischen Gesamtsituation in der aktuellen Phase des Standortauswahlverfahrens bleiben sollen. Die bundeseigene Gesellschaft hat Daten zu Standorten mit den Wirtsgesteinen Steinsalz, Tongestein und Kristallingestein untersucht. Nach eigenen Angaben basieren die Ergebnisse des Zwischenberichts auf 1.040.605 Dateien aus den Bereichen Bergbau, Erdöl- oder Erdgasförderung und Geothermie-Bohrungen, die Bundes- und Landesbehörden bis zum Datenstichtag 1. Juni 2020 zur Verfügung gestellt haben. Die BGE setzt das Standortauswahlverfahren um. Nach jeder Phase schlägt sie dem Bundesamt für die Sicherheit in der nuklearen Entsorgung (BaSE, ehemals BfE) die Gebiete vor, die ihrer Meinung nach weiter untersucht werden sollten. 2050 soll das gesuchte Endlager in Betrieb gehen. Das BaSE ist für die Koordination, Kontrolle und Beaufsichtigung der Suche für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle zuständig. Zudem ist die Behörde Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung.
Angesichts von Kontaktbeschränkungen und weiteren Maßnahmen gegen eine Ausbreitung von SARS-CoV-2 hatten verschiedene Akteure vorgeschlagen, die Fachkonferenz zu verschieben, um eine Beteiligung der Zivilgesellschaft zu ermöglichen, sobald Präsenzveranstaltungen wieder umsetzbar sind. Auch das Nationale Begleitgremium (NBG) hatte eine Verschiebung um fünf bis sechs Monate gefordert. Das Gremium, das den Suchprozess vermittelnd und unabhängig begleiten soll, begründete] diese Entscheidung mit "verfahrensrelevanten Hemmnissen" und der vorliegenden "umfassenden Verzögerung vieler Arbeitsvorgänge und Verhinderung zivilgesellschaftlicher Veranstaltungen durch die Corona-Pandemie". Es kam indes zu keiner Terminänderung. Das hatte zur Folge, dass vor Ort in Kassel nur Referenten sowie das Moderation-, Technik- und Redaktionsteam des Veranstalters waren, da sich das BaSE für die Durchführung einer Infoveranstaltung im Online-Format entschieden hatte. Interessierte konnten sich anmelden und während der Auftaktveranstaltung Fragen über eine Beteiligungsplattform einreichen, oder ohne Anmeldung über einen Livestream zuschauen. Laut BaSE haben sich rund 800 Teilnehmer angemeldet, etwa 140 sahen sich die auf Youtube gestreamte Veranstaltung an. Am Tag der Veröffentlichung des Zwischenberichts informierte die Geschäftsstelle der Fachkonferenz die Landräte und Bürgermeister in den Kommunen der ermittelten Teilgebiete über den Bericht und die Fachkonferenz Teilgebiete. Die Zielgruppen der Onlineveranstaltung sind neben Bürgern und Vertretern der Kommunen auch gesellschaftliche Organisationen und Wissenschaftler.
Samstagnachmittag erläuterten Referenten der BGE die Datengrundlage und die Kriterien des Zwischenberichts. Die informativen Fachvorträge über die Anwendung der Ausschlusskriterien, der Mindestanforderungen und der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien sind online verfügbar. Aufgrund der umfassenden fachlichen Tiefe hat das NBG zwei Tage nach der Konferenz in einer Pressemitteilung vorgeschlagen, dass im weiteren Prozess des Standortauswahlverfahrens eine zusätzliche Einordnung durch Dritte erfolge, insbesondere durch unabhängige Wissenschaftler oder Personen, die die komplexe Materie verständlich erklären.
Sonntagvormittag stellte Miranda Schreurs, Co-Vorsitzende des NBG, das Begleitgremium vor. Zwölf Mitglieder sind Personen des öffentlichen Lebens, sechs sind Vertreter der Bürger. Sie haben das Recht, Einsicht in alle Akten und Unterlagen des Standortauswahlverfahrens zu nehmen - beispielsweise von BaSE, BGE, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und geologische Dienste. Die Arbeit des NBG soll Vertrauen in das Verfahren ermöglichen. Die Mitglieder können dem Deutschen Bundestag Empfehlungen zum Standortauswahlverfahren geben, allerdings ist das NBG ein Beirat ohne Entscheidungskompetenz.
Die meiste Zeit des Tages war für die Frage "Wie soll die Fachkonferenz arbeiten?" eingeplant, da der Gesetzgeber eine sich selbst organisierende Konferenz vorsieht. Alle Teilnehmer schienen überrascht gewesen zu sein, als der Moderator Frank Claus ohne eine Vorankündigung im Programm zur Wahl von zwölf Mitgliedern einer Arbeitsgruppe aufgerufen hatte, die den ersten Beratungstermin im Februar 2021 vorbereiten soll. Dabei erfolgte keine Erläuterung dazu, wer stimmberechtigt ist oder wie die Wahl ablaufen soll. Abstimmen konnten diejenigen, die sich direkt für die Beteiligungsplattform angemeldet hatten. Später erklärte das BaSE, dass alle Mitarbeiter des Bundesamts vor der Konferenz angewiesen wurden, nicht an Abstimmungen oder Diskussionen teilzunehmen, wenn sie dienstlich mit der Fachkonferenz befasst sind. Die BGE habe ebenfalls mitgeteilt, dass ihre Mitarbeiter nicht am Voting teilnehmen. Die Zuschauer des Youtube-Livestreams schauten währenddessen auf ein Standbild mit dem Hinweis, dass die Wahl aus Datenschutzgründen nicht gestreamt werden durfte.
Onlinebeteiligung zur Endlagersuche bis Juni 2021
Am Sonntag hat das BaSE eine Website für eine Online-Konsultation zur Fachkonferenz und zum Zwischenbericht freigeschaltet. Sie soll bis zum 13. Juni 2021 verfügbar sein und es allen Interessierten ermöglichen - nach Anmeldung mit einem Benutzernamen und einer E-Mail-Adresse - den Zwischenbericht zu kommentieren, unabhängig von der Teilnahme an einer Veranstaltung. Das BaSE wird die Ergebnisse aus der Onlinebeteiligung veröffentlichen und der BGE mitteilen.