23.07.2021
Öffentlichkeits-Salto bei der Atomendlagersuche
Ein Bericht von Heinz Wraneschitz
Zum zweiten Male innerhalb eines Monats hat das NBG, das unabhängige Nationale Begleitgremium für die Atomendlager-Suche, heftige Kritik an einer zuständigen Bundesbehörde geübt. Diesmal hat die NBG-Klatsche die „Bundesgesellschaft Endlagerung GmbH“, kurz BGE getroffen. Über die vorausgehende Rüge für das „Bundesamt für die Sicherheit der Nuklearen Entsorgung BASE“ haben die DGS-News ausführlich berichtet.
Das vom Bundestag beauftragte, neutrale NBG-Kollegium soll nach eigenem Bekunden „insbesondere die Öffentlichkeitsbeteiligung im Auge behalten. Das Ziel: Vertrauen in das Verfahren ermöglichen.“Dass ein Atomendlager unbedingt notwendig ist, steht allgemein außer Zweifel. Im so genannten „Zwischenbericht Teilgebiete“ hatte die BGE im Herbst 2020 90 Regionen benannt, in denen sie überhaupt Endlagerung möglich sieht.
Doch am 6. Juli hatte die BGE bekanntgegeben, sie habe aus jenen 90 „vier Gebiete zur Methodenentwicklung identifiziert“. Das ist augenscheinlich der konkrete Grund, warum das NBG genau jetzt seine Kritik öffentlich machte.
Das StandAG, das Standort-Auswahlgesetz des Bundes schreibt vor: Der endgültige Standort solle rein nach objektiven, wissenschaftlichen Tatsachen gesucht und gefunden werden soll. Dafür muss die BGE Methoden entwickeln, keine Frage. Doch abrupte Positionswechsel und Spitzkehren sind hier kontraproduktiv.
Der BGE-Salto
Genau das aber hat die BGE mit der Benennung der vier Methodengebiete getan. Denn gerade mal ein paar Wochen vorher, während der zweiten Beratungstermins der „Fachkonferenz Teilgebiete“, hatte eine BGE-Vertreterin öffentlich erklärt: Man werde die Methodenentwicklung zunächst an vier Gebieten ausprobieren. Aber erst nach Abschluss der Arbeit werde man offenlegen, welche Gebiete man dafür ausgewählt habe. Nun jedoch der Salto: Das Teilgebiet „Opalinuston“ in Baden-Württemberg und Bayern; Teile des Teilgebiets „Saxothuringikum, das sich von Baden-Württemberg und Bayern bis nach Sachsen erstreckt; der Salzstock Bahlburg nahe Hamburg sowie das Teilgebiet „flache Salzstruktur“ im Thüringer Becken werden untersucht. Auch wenn BGE im Text erklärt: „Die Übertragbarkeit der Methodenentwicklung auf andere Teilgebiete wird fortlaufend mit betrachtet“: Die Veröffentlichung war ein deutlicher Affront gegenüber den Teilnehmenden des zweiten Beratungstermins. <
Und die NBG-Mitglieder sehen offensichtlich dadurch „das Vertrauen der Bevölkerung in das Suchverfahren“ gefährdet – das sicherzustellen ist NBG-Aufgabe. Nun reagierte das Begleitgremium prompt und deutlich: Der Ablauf der BGE-Kommunikation habe „zu Irritationen u.a. in den betreffenden Kommunen bzw. Gemeindeverbänden geführt“, steht in der Erklärung.
Armin Grunwald, einer der beiden NBG-Vorsitzenden stellt darin weiter fest: „Der Ablauf der Ereignisse kann als ein kommunikativer Unfall betrachtet werden. Der Vorgang hat aber auch gezeigt, dass nicht nur die Länderebene, sondern auch die kommunale Ebene und die breite Öffentlichkeit darauf achten, ob sie betroffen sind.“
Keine Vorauswahl nach Eignung?
Denn auch wenn die BGE, namentlich Steffen Kanitz als Mitglied der BGE-Geschäftsführung, inzwischen mehrfach erklärt haben, die Auswahl eines Teilgebietes für die Methodenentwicklung gebe keinerlei Hinweise auf eine bessere oder schlechtere Eignung als Standort eines Endlagers für hoch radioaktive Abfälle: Reaktionen der Bevölkerung in den betroffenen Regionen zeugen von Unsicherheit.
Windfähnchen-Politik
Die Politik dagegen hält sich sichtlich bedeckt. Beispiel Bayern. Zwei der vier beispielhaft von der BGE ausgewählten Methodenentwicklungsregionen liegen teilweise im Freistaat. Dabei hatte Ministerpräsident Markus Söder nach übereinstimmenden Medienberichten im September letzten Jahres die Auswahl des „Zwischenberichts Teilgebiete“ der BGE massiv kritisiert: Bayern sei „geologisch für Atommüll ungeeignet“, sagte Söder damals eindeutig. Heute wollen sich weder der Ministerpräsident noch die Pressestelle seiner Staatskanzlei zu unserer Nachfrage äußern.
Der Geologische Dienst des Freistaats, dessen Abgesandte in beiden Fachkonferenz-Runden sehr kritisch mit dem BGE-Zwischenbericht umgingen, verweist auf das Umweltministerium. Aus dem Haus des Ministers Thorsten Glauber nimmt eine Sprecherin so Stellung: „Die jetzige Auswahl der Teilgebiete zur Methodenentwicklung bedeutet keine Vorfestlegung für die durch die BGE vorzunehmende Ermittlung der Standortregionen für die obertägige Erkundung. Alle ungeeigneten Regionen sollten möglichst schnell aus der Suche ausgeklammert werden. Der Freistaat setzt bei der Endlagersuche auf Transparenz und Wissenschaftlichkeit. Das Auswahlverfahren ist bisher überdimensioniert, der Prozess sollte deutlich verschlankt werden.“
Und die Umweltministeriums-Sprecherin ergänzt: „Laut BGE sollen in Zukunft nicht nur die Kommunen, sondern auch die Länder und der Bund informiert werden.“ Dazu passt die Antwort von BGE-Sprecherin Monika Hotopp auf unsere Anfrage bei der Bundesgesellschaft: „Die BGE lernt stetig dazu. Die kritischen Rückmeldungen zu diesem wichtigen Arbeitsschritt in der Methodenentwicklung zeigen uns noch einmal mehr das Interesse an unserer Arbeit und die unverzichtbare Bereitschaft, diesen Suchprozess aktiv zu begleiten. Wir werden in Zukunft noch mehr darauf achten, möglichst viele wichtige Interessengruppen aktiv und nicht nur via Internet zu informieren.“
Workshop zum Reinfinden
PS: Eine gute Gelegenheit, sich selbst in die Debatte einzubringen, bietet der „Workshop des NBG-Partizipationsbeauftragten: Wie geht es nach der Fachkonferenz weiter?“ am Dienstag, 27. Juli 2021 von 18 bis 21 Uhr. Die Anmeldung dafür ist recht einfach.