23.07.2021
Extremer Reichtum = extremer CO2-Fußabdruck
Ein Bericht von Götz Warnke
Am 10. Juli flog der britische Milliardär Richard Branson mit dem Raumschiff VSS Unity seiner Firma Virgin Galactic ins Weltall – über dem US-Bundesstaat New Mexico erreichte er eine Höhe von mehr als 80 Kilometer und so die Schwerelosigkeit. Zweifellos ist er damit nicht nur der erste der in dieser Höhe abgehobenen Milliardäre, sondern er hat seinen CO2-Fußabdruck damit sicher noch mal deutlich vergrößert.
Dass der Klima-Fußabdruck von Milliardären klein ist, davon wird a priori niemand ausgehen. Doch wie groß dieser Fußabdruck ist, und wodurch bzw. wie sehr sich Milliardäre von ihresgleichen unterscheiden, war bisher praktisch unbekannt. Dieses Dunkelfeld auszuleuchten, haben jetzt die Anthropologen Richard Wilk und Beatriz Barros von der Indiana University unternommen. Auch wenn ihre 20 Personen zählende Milliardärsliste sicher nicht vollständig ist, und auch die Reichen kaum detailliert Selbstauskunft über ihre Besitztümer, Reisegewohnheiten etc. geben, so sind doch die begründeten CO2-Schätzungen der Wissenschaftler aufschlussreich und lassen interessante Vergleiche zu.
Auf Basis des Jahres 2018 haben Wilk und Barrios folgende Rangliste der Klimasünder unter den Nullen-Königen ermittelt: Den ersten Platz hält der russisch-israelische Oligarch Roman Arkadjewitsch Abramowitsch mit 33.859 Tonnen CO2-Äquivalenten, gefolgt vom US-Musikproduzent David Geffen (ca. 18.000 t), dem inzwischen verstorbenen Trump-Unterstützer Sheldon Adelson (rund 12.000 t), dem französische Luxusgüter-Konzernchef Bernard Arnault (ca. 10.000 t) und der Wal-Mart-Erbin Ann Walton Kroenke (9.600 t). Daneben nehmen sich ein Elon Musk und ein Jeff Bezos mit je rund 2.000 Tonnen verhältnismäßig richtig bescheiden aus. Wohlgemerkt: alle Zahlen beziehen sich nur auf ein Jahr (2018)! Zum Vergleich: In 2018 emittierte der durchschnittliche US-Bürger (inkl. Superreiche) 15 t CO2-Äquivalente, der durchschnittliche Deutsche ca. 10 t, und der durchschnittliche Erdenbürger etwa 5 t.
Interessant ist die Liste auch, weil die Autoren die geschätzten Emissionen nach „Entstehungsorten“ aufschlüsseln, und zwar nach Immobilien, Reisen und (Motor)Yachten. Und so wird deutlich, dass die schlimmsten neun Klimasünder – zu den o.a. fünf kommen noch Ernesto Bertarelli, Larry Ellison, Ronald Perelman und Laurene Jobs – alle Besitzer großer Motoryachten sind, die den Großteil ihre Klimafußabdrucks ausmachen. Erst auf Platz 10 und 11 folgen mit Bill Gates und Michael Dell Milliardäre, die keine Motoryachten besitzen, und bei denen die anderen Reiseformen (Flugzeuge, Helikopter, Autos) an Klimaschädlichkeit überwiegen.
Nun mögen die Klimalasten von solchen Yachten überraschen. Allerdings handelt es sich bei den Schiffen auch nicht um größere Yachten, wie wir sie in den Sportboothäfen zwischen Friedrichshafen und Flensburg finden. Die Milliardärs-Schiffe sind Superyachten, bei denen selbst manche Luxusyacht allenfalls als Beiboot taugen würde. Die Superyachten sind meist deutlich über 100 Meter lang – Abramowitschs „Eclipse“ kommt auf über 160 m –, haben ganzjährig bis zu 90 Mann Besatzung, und warten in einem Karibik- oder Mittelmeerhafen stets einsatzbereit, falls die Herrin oder der Meister einfliegt. D.h., die Dieselgeneratoren laufen rund um die Uhr, um die Energie für Strom, Wärme und Kälte bereit zu stellen. Schon ohne einen einzigen Meter gefahren zu sein, entstehen so erhebliche Emissionen.
Doch die Liste von Wilk und Barros bietet noch mehr: Roman A. Abramowitsch ist mit seinen 14 Milliarden US-Dollar zwar ein relativ „armer“ Multimilliardär – und von den ersten 5 ragen nur die Vermögen von Bernard Arnault (157 Mrd. §) und vom verstorbenen Sheldon Adelson (35 Mrd. §) wirklich hervor –, aber eben ein extrem klimaschädlicher: Die rund 13 mal so reichen Milliardäre Jeff Bezos (191 Mrd. §) und Elon Musk (177 Mrd. §) haben „nur“ ca. 7 Prozent seines Klimafußabdrucks. Nach Aussage der Autoren hat Musk seinen sogar noch reduziert, indem er seine acht selbst genutzten Immobilien 2020 verkauft hat. Und was die Klimaschäden durch solche Superyachten anbelangt: Ex-Google-Chef Eric Schmidt, mit 19 Mrd. $ noch mal deutlich reicher als Abramowitsch, verursacht mit seiner 77-m-“Legend“ jährlich 1.632 t CO2-Äquivalente – kein Ruhmesblatt, aber nur ein Bruchteil der jährlich 22.440 t CO2-Äquivalente von Abramowitschs „Eclipse“. Das macht noch mal deutlich, dass steigender Reichtum nicht zwangsläufig zu steigenden Emissionen führt, sondern es im Verantwortungsbereich jedes einzelnen liegt, wie sehr er sich als „Klimaschwein“ präsentieren möchte.
Dass es prinzipiell auch anders geht, zeigt der – aus anderen Gründen zu recht umstrittene – deutsche Milliardär Friedrich Flick (1883-1972): Seine Wochenend-Einladungen zu gemeinsamen Wanderungen waren gefürchtet, da es auf diesen Wanderungen auch für die Schönen und Reichen nur eingepackte Butterstullen gab. Ähnliches ist von der Besitzerin des Quelle-Imperiums Grete Schickedanz überliefert.
Fazit
Die verdienstvolle Arbeit von Wilk und Barros macht deutlich, wie wenig wir immer noch über die Klimagas-Lasten und ihre Quellen wissen. Wie groß der CO2-Abdruck der Superyachten ist, hätte vorher kaum jemand vermutet – leider auch zu Zeiten, wo die Verkäufe von Superyachten massiv steigen.
Es muss also künftig sehr viel stärker erfasst werden, woher unsere Klimagase kommen. Und natürlich kann man auch noch mal die Berechnungen dieser Studie mit einem Fragezeichen versehen. Denn z.B. Bill Gates (ca. 7.500 t) ist nicht nur mit 110.000 ha der größte Grundbesitzer der USA, er besitzt neben Privatjets, einer Hubschrauber-Sammlung etc. auch die 6.131 Quadratmeter große Luxusvilla „Xanadu“. Die nicht unbedeutenden CO2-Lasten für den Bau solcher Villen müssten detailliert in eine Klimabilanz von Einzelpersonen eingepreist werden. Denn im Zuge der Klimakrise wird es künftig kaum noch einfach hingenommen werden, wenn Einzelpersonen wie Gates bzw. Bezos so viel Klimagase emittieren wie 750 bzw. 200 Europäer.
Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite ist Gates häufig für seine Stiftung mit ihren Hilfsprojekten rund um die Welt unterwegs. Um hier einen Überblick für die dabei notwendigen Emissionen zu bekommen, müsste man sie mit denen anderer beruflich Vielreisender vergleichen wie z.B. (Ex-) Diplomaten wie Jürgen Chrobog.
Klar ist, dass wir dauerhaft um Formen der individuellen CO2-Budgetierung nicht umhin kommen werden. Dieses individuelle Budget wird bei einem Bundesaußenminister mit seinen dienstlichen Verpflichtungen natürlich anders aussehen als bei einem Hartz-4er, der vorwiegend auf der Couch vor seinem Fernseher lebt. Doch es geht nicht nur um Einschränkung: Gerade ärmere Menschen in der „Dritten Welt“ dürften einen deutlichen Klimafußabdruck haben: wegen des uneffektiven Kochens auf offenen Holzfeuern und der Brandrodungen mangels Wissen um Bodenfruchtbarkeit und effektive Anbaumethoden. Hier ist der reiche Norden gefordert, mehr Verantwortung zu übernehmen und Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten: z.B. mittels Beratung, samenfestem Saatgut und besserer Technik. Doch auch hier bleibt die grundlegende Forderung nach einer gründlichen Analyse der Klimagas-Quellen und -Verursacher bestehen.
Fest steht jedoch schon heute: Einen Weltraumtourismus, wie sich ihn die Milliardäre Branson und Bezos vorstellen, wird die Menschheit schon aus Klimaschutz-Gründen nicht tolerieren können.