22.10.2021
Das (E-)Auto, die Rohstoffwende und die Lieferkette (1)
Eine Kritik von Götz Warnke
Studien zur Mobilität und ihrer Zukunft gibt es viele. So hat z.B. letzte Woche die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) einen Statusbericht für die Jahre 2018 bis 2021 mit einem Ausblick bis 2030 vorgelegt. Solche Berichte und Studien stammen meist von den „üblichen Verdächtigen“ wie Agora Verkehrswende, Beratungsunternehmen, Umweltverbänden, Universitäten, oder eben von (Halb-)Staatlichen Organisationen. Dass sich außerhalb dieses Zirkels jemand ausführlich mit dem Thema beschäftigt, ist eher selten und verdient allein deshalb Aufmerksamkeit.
Nun haben im September die drei Organisationen Brot für die Welt, MISEREOR und PowerShift eine 48seitige Studie mit dem Titel „Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit. Warum wir die Mobilitäts- und Rohstoffwende zusammendenken müssen“ vorgestellt. Während die beiden kirchlichen Organisationen den meisten bekannt sein dürften, ist PowerShift ein Berliner „Verein für eine ökologisch-solidarische Energie- & Weltwirtschaft“.
In dem Papier folgt nach einer Einführung zum Thema globale und Generationen-Gerechtigkeit, gerade auch im Hinblick auf Klimakrise und Rohstoff-Abbau, ein Schaubild zu Quellen der deutschen Rohstoffversorgung sowie ein Überblick zu Zahlen und Fakten im Autoland Deutschland – inklusive des Auto-Lobbyismus. An der anschließenden, mittels Literaturangaben gut belegten Auflistung der Umweltfolgen des Autos wie Treibhausgase, Stickoxide, Feinstäube ist nichts zu kritisieren. Kritischer wird es hingegen, wenn man sich die „softeren“ Themen wie Flächenverbrauch, Lärm und Lebensqualitätverluste ansieht (S. 15 f.). So heißt es: „Während ein Pkw im Stillstand innerorts etwa 14 m2 Fläche beansprucht, entfallen auf ein Fahrrad lediglich 1,2 m2.“ Selbst protzige Riesen-SUVs wie Audis Q7 oder Teslas X geben sich mit 10 m2 Standfläche zufrieden, und auch die ausufernde Mercedes S-Klasse kommt allenfalls auf 10,7 m2. Aber 14 m2 machen sich gegenüber den 1,2 m2 fürs Fahrrad natürlich eindrücklicher. Ja, Flächenversiegelung ist ein Problem, aber das gilt für neue Autostraßen ebenso wie für neue Fahrradstraßen.
Beim Lärm ist vom Reifen-Fahrbahn-Geräusch ab 30 km/h als lautester Komponente bei fahrenden Auto die Rede; aber zum einen hängen die Schallemissionen stark von der Reifenbreite und dem Reifenkonzept (Winterreifen/Normalreifen/Leichtlaufreifen) ab, zum anderen sind kurzfristig auftretende höhere Lärmpegel, wie beim Anfahren von Fossilfahrzeugen, störender als gleichmäßiger Verkehrsfluss. Dass der Straßenverkehr „Gehörschäden“ verursachen kann, gehört eher ins Land der Phantasie, zumal das Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG), die Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) und die Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung (24. BImSchV) dem entgegen stehen. Auch der Verlust an Lebensqualität ist natürlich sehr subjektiv: für passionierte Autofahrer ist das eigene Fahrzeug ebenso eine Bereicherung wie z.B. für viele Behinderte, für die es mobile Autonomie bedeutet. Auch die Frage der „Flächengerechtigkeit“ lässt sich nicht abschließend in der hier verwendeten Kürze diskutieren: Bezieht sich diese „Gerechtigkeit“ auf die Anzahl der Verkehrsteilnehmer, auf deren eigener finanzieller Beitrag zum Verkehr (KfZ-Steuer, Mineralölsteuer vs. subventionierter ÖPNV), auf die mit den Personen transportierten Lasten (z.B. Montage-Equipment bei Handwerkern), oder auf die dabei entstehenden Emissionen – was ist der Maßstab für Gerechtigkeit? Auch die hierbei angeführten steigenden Prozentzahlen von toten Fußgängern und Radfahrern sagen im Prinzip nichts aus, wenn insgesamt die Zahl der Verkehrstoten insgesamt sinkt. Und so zynisch es klingt, es lässt sich doch historisch nachweisen: Verkehrstote haben schon immer unabdingbar zum Verkehr dazugehört.
Nach einer kurzen Ausführung, warum der Verbrenner-Ausstieg notwendig ist, und weshalb das E-Auto die bessere Alternative ist, kommt das Papier zu seinem eigentlichen Thema: den Rohstoffen und den Lieferketten.
Teil 2 lesen Sie nächste Woche