22.09.2023
Das Dummschwätzen der Wirtschaftsmedien, Teil 2: Medien
Eine Glosse von Götz Warnke
Liebe Leser:innen, der erste Teil meines Beitrags war eine argumentierende Kritik. Nun hat sich bei der weiteren Bearbeitung des Themas herausgestellt, dass viele Beiträge der wirtschaftsnahen Medien von einer Qualität sind, die sich einfach einer rationalen Kritik entzieht. Daher ist dieser zweite Teil eine Glosse geworden.
Wenngleich es im Volksmund „Der Fisch stinkt vom Kopfe an“ heißt, so mag sich der Autor dieser Zeilen mangels auch nur minimaler Kenntnisse im europäischen Altfischhandel dem nicht unbedingt anschließen.
Dennoch wollen wir mit einem Kopf beginnen, und zwar mit Ulf Poschardt, Chefredakteur der "WELT". Dieser schrieb anlässlich der IAA einen Meinungsbeitrag unter dem Titel „Wenn Autobosse sich bücken, um dem grünen Zeitgeist zu huldigen“, der wie folgt startet: „Die Faszination wilder Verbrennerautos ist ungebrochen, gerade unter jungen Leuten. Doch die zuständige Industrie im Auto-Mutterland wagt es nicht mehr, diese Leidenschaft zu feiern. Sie vollzieht auf der IAA lieber den Kotau vor den Faulen und Bequemen. Was gut passt zur Lage der Nation.“
Wir ahnen es schon: ein Poschardt ist kein Mann, der sich vor dem heutigen Zeitgeist bückt – eher bückt es sich vor dem Zeitgeist von gestern. Und so tief gebückt muss er wohl auch über die IAA gelaufen sein, dass er die dort präsentierten Verbrenner gar nicht gesehen hat.
Dass junge Leute irgendwelchen obskuren Faszinationen erliegen, ist ja hingegen nichts Neues: von japanischem Fußsex über Komasaufen mit stark umgekipptem Wein bis zur Magersucht reicht das Spektrum jugendlichen Wirrsinns, und schließt die jungen Wilden in den „wilden Verbrennerautos“ (des Klimas!) mit ein. Diese Gruppe wird im Sprachgebrauch der Polizei häufig kurz und knapp als „Autoposer“ bezeichnet, aber dafür fehlt wohl Herrn Poschardt trotz Brille der Durchblick.
Stefan Aust, erfolgreicher Buchautor, Ex-Spiegel-Chefredakteur und Träger hässlicher Brillen, ist heute Herausgeber der "Welt", und hält die Abstandsregeln für Windkraft für einen „massiven Eingriff in das Eigentum“. „Ja, ja“, möchte man im ersten Augenblick rufen, „endlich hat das mal einer kapiert!“ Denn schließlich ist es ein Eingriff in das Eigentum, wenn man einem Landwirt verwehrt, seinen Grund und Boden mit einer Windkraftanlage zu nutzen, obgleich diese die Lärmschutzgesetze einhält und wegen ihres hinreichenden Abstands durch die Gerichte nicht als „bedrängend“ beurteilt wird. Doch dann bemerkt man den Irrtum: Aust hält vielmehr die Abschaffung der pauschalen 1.000-Meter-Abstandsregel von Windkraftanlagen für einen Eingriff in die Eigentumsrechte von Nicht-Windkraft-Betreibern, und sieht einen massiven Ausbau der energiewirtschaftlich sinnlosen Windkraft voraus, die längst „Züge einer Religion angenommen“ habe.
Aust, der Pferdezüchter und Reiter aus den Niederungen zwischen Elbe und Weser, gibt sich als moderner Don Quijote nicht mehr mit kleinen Windmühlen zufrieden, sondern „reitet“ gleich gegen große Windturbinenflügel. Hier lernt man dann auch den Unterschied zwischen Brillen und Windturbinen kennen: jeder darf zwar die Aussicht der anderen Menschen im Nahbereich durch eine hässliche Brille verschandeln, aber wehe jemand stellt in 800 Metern Entfernung ein Windrad auf!
Axel Bojanowski ist Chefreporter Wissenschaft der "Welt". Der studierte Geowissenschaftler steht der – übrigens stark subventionierten – Atomenergie weitgehend positiv gegenüber, und ist damit in der "Welt"-Redaktion sicher nicht allein. Und so hat er einen Meinungsbeitrag über Pro-Atomkraft-Aktivisten verfasst: eine neue, junge Klimabewegung setze sich von der „Generation Trittin-Merkel-Greenpeace“ ab und fordere im Sinne des Klimaschutzes ein Comeback der Atomkraft. So weit, so schön. Doch schaut man mal ins Lobbyregister des Deutschen Bundestags, so entpuppt sich diese Jugendbewegung als kleiner Verein mit ca. 30 Mitgliedern – da hat manche Kinder-Tanz-Truppe mehr! Wenn dies versprengte Häuflein die „neue Umweltschützer-Generation“ sein soll, die sich für Atomkraft stark macht, dann ahnt man gleich: die Atomkraft ist in Deutschland am Ende.
Eine besondere Perle geistigen Schaffens schenkt uns das Feuilleton der „Welt“ mit dem Beitrag „Die Wärmepumpe als letzte Entfremdung des Menschen vom Feuer“, der wie folgt beginnt: „Wärmepumpen sind nicht immer effizient – aber immer laut und hässlich. Sie symbolisieren die letzte Entfremdung des Menschen von der Beherrschung des Feuers: Ihre Durchsetzung würde unser Leben völlig verändern. Dabei sind sie alles andere als alternativlos.“
So, so, da lacht der Laie, und der Fachmann fremdelt. Aber bitte jetzt keine abgeschmackt-niveaulosen Bemerkungen wie „wohl zu heiß gebadet worden – vermutlich auf dem Holzherd“ oder ähnliches! Vor unserem geistigen Auge sehen wir vielmehr einen sensiblen Feuilletonisten in den intellektuellen Nebelwäldern der „Welt“-Redaktion entschwinden – nicht ohne ihm aufmunternd-beruhigend zuzurufen: „Fürchte Dich nicht! Denn siehe: Auch wenn der Mensch das Feuer lässt, das Feuer wird die Menschheit nicht lassen – schon jetzt brennen weltweit die Steppen und Wälder!“
Auch wenn es aus dieser Redaktion immer wieder bemerkenswerte Beiträge auf WELT-Niveau gibt, so ist das Blatt doch nicht allein mit solchen intellektuellen Ausreißern unterwegs.
Die WirtschaftsWoche beglückt uns mit einem Kommentar von Thomas Stölzel „Verzichts-Debatte: Ohne den Porsche, Louis Vuitton und die Yacht wird der Klimaschutz scheitern“. Der Inhalt in Kürze: Erfolgreiche Menschen müssten ihren Erfolg auch für alle sichtbar mit Luxusgütern demonstrieren können. Nur so werde ein Anreizsystem geschaffen, dass Menschen zu Leistung anspornt, nur durch solche materiellen Anreize wären z.B. Menschen bereit, in Solarparks zu investieren und die Klimakrise zu stoppen. Das Shaming von Wohlstandsprodukten sei hingegen kontraproduktiv.
Nun ist gegen Wohlstandsprodukte grundsätzlich aus Klimaschutzsicht nichts einzuwenden: ob sich jemand Louis-Vuitton-Taschen, 700-Euro-Rotweinflaschen oder Fabergé-Eier kauft, ist für das Klima irrelevant. Nur sollten (Erfolg-)Reiche zumindest eine Segelyacht oder ein E-Flugzeug benutzen, und nicht das Tausendfache an CO2 eines „Normalos“ emittieren.
Wie aber können sich dann die armen, reichen Oligarchen, die schon alles haben – also Putin und Konsorten – , von den anderen Milliardären noch sichtbar abheben? Die armen Leute müssen ja nach dieser Repräsentationsthese quasi zwangsweise mit Panzern durch Nachbarländer fahren. Denn mal ehrlich: was ist schon der Fuhrpark eines lausigen Multi-Milliardärs gegen eine echte Panzerdivision!
„Schlappe für Robert Habeck: Niederlande kaufen langfristig LNG“ titelt die Berliner Zeitung. Es mag zwar eine Schlappe für die Redakteure in der Karl-Liebknecht-Straße sein, wenn die Konkurrenz vom „Tagesspiegel“ die besseren Artikel schreibt, aber ansonsten ist es doch ziemlich egal, was Nachbarn so treiben: Ob im Nachbarland Niederlande sich zwei privatwirtschaftliche Unternehmen über den Aufbau von Regasifizierungskapazitäten einigen – nebbich! Das heißt ja noch lange nicht, dass das LNG im Lande Abnehmer findet.
Und auch wenn es manchen Berliner in seiner Hauptstadt-Eitelkeit kränkt: die „Energiewende in Europa“ wird nicht in Berlin gemacht, sondern in Brüssel.
Natürlich könnte man hier noch einige Zeit so weiter machen, aber was soll‘s. Und so schließen wir mit der Erkenntnis, dass man das „Geschnatter“ der wirtschaftsnahen Medien nicht immer ernst nehmen muss, aber dass deren Kuriositäten durchaus zur Erheiterung beitragen können.
Das Dummschwätzen der Wirtschaftsmedien, Teil 1: Themen
Das Dummschwätzen der Wirtschaftsmedien, Teil 2: Medien