So geht’s weiter für die PV

Der Deckel ist weg. Wirklich? Nein, natürlich nicht. Eine weitere, konkretere Ankündigung kam in dieser Woche, das ist soweit sehr positiv. Doch den Investoren, deren Bank derzeit keine Finanzierung für ein PV-Projekt geben will, hilft das noch nicht weiter. Erst die Verkündung im Bundesgesetzblatt wird die notwendige Rechtssicherheit schaffen.

Aber um es einzuordnen: Damit wäre zwar das größte Damoklesschwert, das über dem Ausbau der Photovoltaik geschwebt ist, nicht mehr da. Nach - hoffentlich rascher - gesetzlicher Umsetzung ist die Planungssicherheit für einen weiteren PV-Ausbau gegeben. Doch sind damit die Probleme der PV erledigt? Mitnichten! Ein Zusammenbruch der Branche ist verhindert, mehr aber auch nicht.
Jetzt muss das politische Berlin auch an die anderen Hemmschuhe und Problemfälle ran. Und das auch möglichst rasch, denn auch das Jahresende rückt näher und damit die ersten Anlagen, die aus der EEG-Vergütung fallen und derzeit noch keine gute Chance für den Weiterbetrieb haben.

Doch es sind noch eine Reihe grundsätzlicher Punkte, die offen sind und auch spezielle Themen beim Solarstrom, die einer gesetzlichen Änderung und Umsetzung harren. 

Was zu tun ist
Allgemein betrachtet liegt noch immer kein konkreter Ausbaukorridor zur Photovoltaik oder zu anderen Erneuerbaren Energien auf dem Tisch. Unstrittig ist, das im EEG verankerte Zubauziel von 2,5 GW pro Jahr zu schwach, um den Pariser Klimazielen zu entsprechen. Dass ein weiterer massiver Zubau kein größeres Problem - auch für die Netze und die Versorgungssicherheit - darstellt, haben die vielfachen Rekord-Anteile von PV und Wind in den vergangenen Wochen und Monaten gezeigt. Also: Der Ausbau muss deutlich angehoben und ein Mengengerüst für die Zeit bis 2030 oder 2050 erstellt werden. Damit wissen nicht nur die Netzbetreiber, sondern auch die PV-Branche, wie sie an die Zukunft herangehen können.

Nicht nur die Niederlegung einiger Ausbauzahlen, sondern einen massiven Systemwechsel stellt die Umsetzung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie der EU dar, auch darüber haben wir schon des Öfteren in den News berichtet. Ein Systemwechsel ist das deswegen, weil dort klar der Prosumer in den Mittelpunkt der Energieversorgung gerückt wird: Nicht mehr die alten zentralen Versorgungskonzepte, sondern die Freiheit des Prosumers, Strom selbst zu erzeugen, einzuspeisen oder an Nachbarn oder andere weiterzugeben, soll Recht und Gesetz in Europa werden. Deutschland muss diese Richtlinie bis Mitte 2021 in nationales Recht umsetzen.

Und die Ziele der EU gehen im Strukturwandel noch weiter: Der neue „Green Deal“ der EU will unseren Kontinent bis 2050 netto klimaneutral machen. Auch wenn wir bei der DGS die Frist bis 2050 für zu lange halten: Die Umsetzung wird nicht gelingen, wenn wir politisch an so vielen Stellen wie heute auf der Bremse stehen. In den vergangenen Wochen mehren sich auch die Stimmen und Konzepte, die den Erneuerbaren Energien beim wirtschaftlichen Neustart nach Corona eine gewichtige Rolle zusprechen. Die Technik steht dafür bereit, die Investoren sicherlich auch. Allein die Politik muss für die entsprechenden Rahmenbedingungen sorgen.

Das dies derzeit noch nicht „läuft“, zeigt ein aktuelles Beispiel: Im März wurde an mehreren Tagen das neue Steinkohlekraftwerk Datteln 4, das sich derzeit im Status des Probebetriebs befindet, auf 1 GW hochgefahren. Und das an sonnigen Tagen, an denen auch viel Solarstrom zu Verfügung stand. Die Reaktion am Markt wäre vorhersehbar gewesen: Aufgrund des Strom-Überangebots sind die Marktpreise unter null gefallen, ein Extremwert von minus (!) 8 Cent pro kWh wurde erreicht. Das wäre selbst noch keine Katastrophe, aber es kommt schlimmer: Da sich die Strompreise über einige Stunden im Negativen gehalten haben, wirkt sich das nun auch auf große PV-Anlagen aus: Wer mit seinem Solarpark in der Direktvermarktung steckt, bekommt dadurch für diese Stunden wohl keine Vergütung für den eingespeisten Strom – so sieht es das EEG bei negativen Strompreisen vor.

Die genaue Ursache ist derzeit nicht klar, die DGS hat dazu eine Anfrage an die Bundesnetzagentur gestellt. Deutlich wird aber: Bei der Integration der „alten“ Energien in das neue, regenerative Energiesystem gibt es noch viel zu tun.

Konkrete PV-Baustellen
In den News letzter Woche haben wir den 10-Punkte-Plan des Münchner Umweltinstituts vorgestellt, der zusammen mit der DGS entwickelt wurde. Aus den 10 Punkten möchte ich an dieser Stelle herausgreifen:

• PV-Altanlagen: Hier fehlt bislang vor allem für die ganz kleinen Anlagen, die ab Januar 2021 keine Vergütung mehr bekommen, eine einfach umsetzbare Weiterbetriebsmöglichkeit. Allein aktuell sind davon rund 18.000 Anlagen mit einer installierten Leistung von 72.000 kWp betroffen. Im Rahmen des SFV/DGS-Gutachtens (www.pvlotse.de) haben wir konkrete Vorschläge gemacht und Berechnungen durchgeführt. Diese Anlagen dürfen nicht vom Netz genommen werden!

• Solarpflicht: Ein Werkzeug für einen zügigen Zubau: Nach den Kommunen Waiblingen und Tübingen, in denen eine Solarpflicht schon länger vorgeschrieben ist, hat sich vor kurzem auch Hamburg dazu entschieden, die Nutzung nicht nur zu erlauben, sondern ab dem Jahr 2023 zu fordern. Am Dienstag dieser Woche hat nun Baden-Württemberg bekanntgegeben, dass alle neuen Nicht-Wohngebäude ab 2022 mit einer Solaranlage auszurüsten sind. Das betrifft hauptsächlich Produktionsgebäude, Lagerhallen und z.B. Parkhäuser. Wohnhäuser sollen später ebenfalls einbezogen werden, so der Deal zwischen den beiden regierenden Fraktionen der Grünen und der CDU im Landtag im „Ländle“. Die Solarpflicht soll im neuen Klimaschutzgesetz festgeschrieben werden.

• Innovationen: Innovative Anlagenkonzepte können noch mehr Flächen für PV nutzbar machen. Dazu gehört z.B. die „Agro-PV“, wo Freiflächen mit PV-Modulen belegt werden, aber gleichzeitig auch noch für die Landwirtschaft nutzbar bleiben oder „Floating-PV“, bei der ein Teil einer Wasserfläche (z.B. eines Baggersees) mit schwimmenden Modulen zur Stromerzeugung genutzt wird. 

Fazit
Die Diskussion um den Deckel ist beigelegt, aber der große Ausbau der Photovoltaik kommt deswegen noch nicht automatisch voran. Es gibt noch viele Möglichkeiten bei Bund, Ländern und Kommunen, die Rahmenbedingungen der Photovoltaik weiter voranzubringen. Diese Möglichkeiten müssen entschlossen genutzt werden. 

Jörg Sutter