22.04.2022
Erneuerbare Energien in der EU
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Die Zielmarke für 2020 – von 20 Prozent – für den Anteil der Erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch hat die EU erreicht. Das berichtet die Europäische Umweltagentur EEA auf Ihrer Website unter Berufung auf Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat. Frankreich hatte das Ziel allerdings um fast vier Prozentpunkte verfehlt. Die Nicht-EU-Länder Island und Norwegen hatten ihre eigenen 2020er-Zielmarken übertroffen. Wie die EEA erläutert, stieg EU-weit der Anteil der Erneuerbaren im Stromsektor stärker an als in den Bereichen Verkehr und Gebäude. Die nächste Zielmarke auf EU-Ebene ist eine Erhöhung auf 32 Prozent bis 2030, oder wenn der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Änderung der Richtlinie Renewable Energy Directive beschlossen wird, dann das Ziel von 40 Prozent bis 2030.
Ausbau der Erneuerbaren „dringlicher denn je"
In den letzten Wochen ist das Thema Energieversorgung allgegenwärtig. Und viele Menschen sehen die Krisenlage als Chance – für einen beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien. Ende März warnte ausgerechnet der Lobby- und Interessenverband der deutschen Strom- und Energiebranche, dass der Ausbau der Erneuerbaren viel zu langsam verlaufe. „Maßnahmen, um den Ausbau der Erneuerbaren massiv voranzutreiben, sind dringlicher denn je“, sagte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae in einem Interview mit der Tagesschau.
Status Quo beim Strom: Ein Drittel
Doch wie sieht es gegenwärtig aus in der EU? Wie viel Strom stammt tatsächlich aus regenerativen Quellen? Eine gute Übersicht an Daten für sehr viele Länder bietet die Website Energy-Charts des Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Aktuelle Daten für die Stromerzeugung zeigen, dass 2021 von den jährlich 2.589,7 Terrawattstunden (TWh) 919,40 TWh aus Anlagen zur Nutzung von Erneuerbare Energien stammt, also ein gutes Drittel (35,5 Prozent). Bei den fossilen Energien waren es 972,90 TWh (38,90 Prozent) und bei der Atomenergie 697,40 TWh (26,9 Prozent).
Aktuelle Fragen zur Brennstoffversorgung
Der Anteil der Atomenergie in der EU, ist weit höher als der globale Durchschnitt: ein Anteil von rund zehn Prozent an der kommerziellen Stromproduktion. Mit den 103 Atomkraftwerken, die Anfang des Jahres in Betrieb waren, ist die EU „die weltweit größte Uranverbraucherin“, dabei wird etwa 40 Prozent des Urans aus Russland und Kasachstan importiert, wie im neuen Uranatlas nachzulesen ist. In einem „Faktenblatt“ zum Thema „Atomkraft und die Abhängigkeit von Russland“ weisen die Herausgeber:innen des Atlas darauf hin, dass sich dadurch Europa im Bereich der atomaren Brennstoffversorgung von Russland abhängig mache. „Auch die noch laufenden deutschen Atomkraftwerke werden nach Aussagen von Preussen Elektra hauptsächlich mit Uran aus Russland und Kasachstan betrieben. In der Schweiz ist die Abhängigkeit noch deutlicher: Zwei von drei AKW beziehen Uran für Brennelemente direkt vom russischen Staatskonzern Rosatom“. Dieses Unternehmen sei seit der Übernahme der Bergbaugesellschaft Uranium One einer „der weltweit mächtigsten Player“, so die Autor:innen. „Rosatom hält 94,4 Prozent der Anteile“, laut Uranatlas (S. 35), „der Rest gehört dem russischen Finanzministerium. Seit dieser Übernahme ist Rosatom an fünf Minen in den USA, an drei Minen in Kanada sowie an Projekten in Mosambik und Tansania beteiligt“.
Auch vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die EU-Kommission ihre bisherige Bewertung in Bezug auf die EU-Taxonomie dringend überprüfen sollte: „Die EU-Kommission hat noch vor wenigen Wochen die Aufnahme von Atomkraft und fossilem Gas in die EU-Taxonomie maßgeblich mit Versorgungssicherheitsaspekten begründet. Diese Begründung hat sich für alle sichtbar als falsch herausgestellt. Anders als behauptet, trägt Atomkraft gerade nicht zur Versorgungssicherheit bei“, sagt Armin Simon von der Anti-Atom-Organisation „.ausgestrahlt“ in einer Pressemitteilung vom 21. April.
Stromgestehungskosten
In der gleichen Veröffentlichung betont der Projektleiter des Uranatlas, Horst Hamm, die Konkurrenzsituation zwischen Erneuerbaren Energien und Atomkraft: „Nicht einmal bestehende Kernkraftwerke sind im Vergleich zu Erneuerbaren Energien noch konkurrenzfähig, wie das Beispiel USA im Uranatlas zeigt: Sechs US-Reaktoren wurden vorzeitig stillgelegt, weitere sollen folgen“, so der Mitarbeiter der Organisation Nuclear Free Future Foundation.
Die nächsten Monate werden zeigen, ob der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien innerhalb der EU und innerhalb Deutschlands gelingt.