22.02.2019
Großtechnisch Gas aus Strom gewinnen – neue PtG-Projekte
Im Moment gewinnt man als Beobachter der Energiewende den Eindruck, dass die Power-To-Gas-Branche im Aufwind ist. Selten wurden in so kurzem Abstand neue (und größere) Projekte vorgestellt. Deshalb sollen an dieser Stelle drei aktuelle Ankündigungen beschrieben werden.
Das Problem all dieser Projekte: So euphorisch die Projekte dargestellt werden und die technischen Daten auch zur Energiewende passen, so sehr betonen die beteiligten Unternehmen aber auch unisono, dass für die Umsetzung der Projekte noch Rahmenbedingungen geändert werden müssen, um eine Realisierungschance herzustellen. Im aktuellen Rahmen sind sie wirtschaftlich nicht umsetzbar.
Der Hintergrund der Projekte ist immer der gleiche: Überschüssiger Strom, der zum Beispiel aus Windkraft erzeugt wird, soll in einer Power-To-Gas-Anlage (PtG) in Gas (Wasserstoff oder Methan) umgewandelt werden. Das kann dann in der bestehenden Infrastruktur gut verteilt und gespeichert werden. Die Gasversorgung wird grüner und leistet auch einen Betrag zur CO2- und Energiewende-Diskussion. Gleichzeitig bietet die Speicherung als Gas auch den Vorteil gegenüber Stromspeichern, dass die Energie hier auch monatelang (z.B. auch PV-Strom vom Sommer in den Winter) aufgehoben werden kann. „Um 80 und mehr Prozent Erneuerbare Energien zu nutzen, brauchen wir nicht nur die passende Stromnetz-Infrastruktur, sondern auch alternative Transportlösungen und leistungsfähige Speicher wie sie das Gasnetz und Power-To-Gas bieten“, so fasst es Manon van Beek, Vorstandsvorsitzender der TenneT, in einer aktuellen Pressemeldung zusammen.
Doch zum ersten Projekt: Der deutsche Übertragungsnetzbetreiber Tennet, die Gasunie (Gasfernleitungsbetreiber) und die Thyssengas wollen in Niedersachen eine Power-To-Gas-Anlage mit einer Leistung von 100 MW realisieren, um Wasserstoff ins Gasnetz einzuspeisen. Die Anlage soll stufenweise bis zum Jahr 2022 ans Netz gehen und trägt den Namen „Element Eins“. Als möglicher Standort sind Diele bei Papenburg oder Conneforde bei Oldenburg, beide liegen in Niedersachsen, im Gespräch. Vorteile an beiden Stellen: In der Nähe befinden sich Umspannwerke von Offshore-Windkraftanlagen sowie Gas-Fernleitungen, so dass eine Anbindung an beide Netze einfach und günstig umzusetzen ist.
Mit dieser Anlage soll auch Erfahrung gewonnen werden: So schwankt bekanntlich nicht nur das Angebot an Windstrom, sondern auch der Gasverbrauch, so dass die Zumischung - bis zu 2 Prozent sind derzeit erlaubt - in das Gasnetz variabel gesteuert werden muss. Zur Realisierung ist nach Angaben von Thyssengas eine Ausnahmegenehmigung nötig, um die im regulierten Markt agierenden Partner den Betrieb der PtG-Anlage zu erlauben. Später könnte die Anlage dann nach dem „Most-Prinzip“ betrieben werden, also als neutrale Stelle, an der die Erzeuger das Erzeugnis (Äpfel bzw. hier Strom) abgeben und die veredelte Ware (Most oder hier Gas) wieder abholen können. Das Land Niedersachsen steht klar hinter dem Vorhaben, das betonte auch Landesumweltminister Olaf Lies auf dem Neujahrempfang des BEE in der vergangenen Woche in Berlin. Das Projektkonzept geht aber noch weiter: Neben der Beimischung könnte in einer zweiten Stufe auch ein Erdgas-Speicher auf die Speicherung von reinem Wasserstoff umgerüstet werden, der dann für H2-Tankstellen oder die chemische Industrie bereitgestellt werden kann.
Ein zweites Projekt wurde vom Übertragungsnetzbetreiber Amprion angekündigt: Es trägt den Namen Hybridge und soll bis 2023 im niedersächsischen Lingen (südliches Emsland) gebaut werden. Nahe der Grenze zu Nordrhein-Westfalen soll gemeinsam mit dem Gasnetzbetreiber Open Grid Europe (OPG) ebenfalls eine 100 MW-Anlage entstehen, die mit 150 Mio. Euro auch die gleichen Kosten wie das Tennet-Projekt haben soll. Erprobt soll hier auch werden, eine bestehende Erdgasleitung in eine Wasserstoffleitung umzubauen. Nahe der Leitung gelegene Industrieunternehmen können dann auch direkt mit Wasserstoff versorgt werden, auch die Anbindung von H2-Tankstellen und wasserstoffbetriebenen Zügen ist denkbar.
Eine spektakuläre Vision zeigte Tennet gemeinsam mit dem Gasnetzbetreiber Gasunie jedoch auf der Messe EWorld in Essen vor 14 Tagen: Eine Energieinsel in der Nordsee, die als Energie-Drehkreuz agiert und die verschiedenen Netze verbindet (Bild1). Hier könnte direkt der Windstrom von Tausenden von Offshore-Anlagen eingesammelt und als Strom und/oder Wasserstoff weiterverteilt werden. Dazu würde die Insel wie im Bild 2 dargestellt an verschiedene Länder und Netze angebunden. Die Insel steht aber nicht als Einzelprojekt da, sondern ist als letzte Maßnahme in eine Reihe von Projekten eingeordnet, die den defacto-Übergang in die Wasserstoffwirtschaft bedeuten. Begonnen wurde 2018 in den Niederlanden mit der Anbindung einiger Großkunden mit direkten Wasserstoffleitungen, z.B. an Chemiewerke. Nördlich des Hafens von Amsterdam sollen in diesem Jahr Windturbinen mit PtG-Anlage grünen Wasserstoff erzeugen. Im Bereich Groningen, wo sich derzeit das größte niederländische Erdgasfeld befindet, das aber bis 2030 geschlossen wird, soll der Ausbau der Wasserstoffwirtschaft erfolgen. Der Standort verwundert nicht, ist Groningen doch der Sitz der Gasunie. Dort soll bis 2023 ebenfalls ein 100 MW-Elektrolyseur entstehen, außerdem sollen in der Region bis übernächstes Jahr zwanzig Wassersoff-Busse angeschafft und in Betrieb genommen werden. Die Energieinsel, „North Sea Wind Power Hub“ genannt, könnte dann um das Jahr 2034 große Mengen regeneratives Gas liefern. Doch bis dahin müssen noch andere Probleme aus dem Weg geräumt werden.
Politisch scheint Power-To-Gas zwar nun Rückenwind zu haben: Der zuständige Staatssekretär Bareiß vom Bundeswirtschaftsministerium betonte per Twitter, dass sein Ministerium derzeit gute Gespräche mit Investoren führt. Ein Förderprogramm für Reallabore soll dafür auch unterstützende Gelder zur Verfügung stellen. Der Bundesrat hat bei seiner Sitzung am 15.2. in einem Beschluss betont, dass schon heute mit der Errichtung von großtechnischen Elektrolyseanlagen mit mehr als 50 MW begonnen werden muss, damit die Weiterentwicklung und Netzintegration bis 2030 gelingt. Es geht auch um die Entlastung solcher Umform-Anlagen von Abgaben und Umlagen, die einen wirtschaftlichen Betrieb derzeit erschweren bzw. verhindern. Ob diese Rahmenbedingungen jedoch so rasch geändert werden, damit die Projektideen auch Realität werden können, ist aktuell offen.