22.01.2021
Viel Aufwand für Nichts – 14a-Gesetzentwurf zurückgezogen
Eine Situationsbeschreibung von Jörg Sutter
Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie Peter Altmaier hat am Freitag letzter Woche einen Gesetzentwurf, den sein Haus kurz vor Weihnachten in die Verbändeanhörung gegeben hat, komplett zurückgezogen. „Es handelt sich um einen Entwurf der Arbeitsebene, der nicht die Billigung des Ministers gefunden hat und deshalb bereits am vergangenen Freitag zurückgezogen und von der Homepage des BMWi heruntergenommen wurde“, so das offizielle und zugleich vielsagende Statement aus dem Ministerium.
Welch ein Scherbenhaufen: Die Energiebranche hat zwei Jahre auf einen Entwurf zur Neufassung gewartet – die Bearbeiter im Ministerium hatten mit Gewalt gegen Expertenrat nur eine spezielle Umsetzungsvariante durchgezogen. Und dabei keine Rücksicht auf die Realität und zukünftige Wünsche der Energieanwender genommen, wie ein Beispiel unten zeigt. Und sind nun damit gescheitert.
Doch neben dem peinlichen Procedere sind es vor allem die Inhalte die aufhorchen ließen. So ging es konkret um den Paragraf 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Das EnWG enthält grundsätzliche Regelungen unserer Energieversorgung, Teil 3 des Gesetzes die Regulierung des Netzbetriebes. Dazu gehören Aufgaben wie die regelmäßige Erstellung von Netzentwicklungsplänen, aber unter anderem auch um die Pflicht, Sicherheitspläne für Netzbereiche zu erstellen, deren Ausfall oder Beschädigung größere europäische Auswirkungen hätte.
In diesem Umfeld regelt der §14a EnWG den Umgang mit steuerbaren Verbrauchseinrichtungen im Niederspannungsnetz. Der Gesetzentwurf trug den sperrigen Namen „Gesetz zur zügigen und sicheren Integration steuerbarer Verbrauchseinrichtungen in die Verteilernetze und zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften (SteuVerG)“. Es geht also um Stromverbraucher, die am Netz hängen, aber nicht dauerhaft arbeiten müssen, sondern eventuell auch zeitweise vom Netzbetreiber getrennt werden können, um den Stromnetzbetrieb stabil zu halten. Konkret: Schon die alten Nachtspeicherheizungen, die tarifuhrgesteuert abgeschaltet haben oder Wärmepumpen gehören dazu, aber die Neuregelung des §14a war auch von der Elektromobilitätsbranche erwartet worden, geht es doch auch um die Regelung von Wallboxen zur Ladung der E-Fahrzeuge. In diesem Bereich, der derzeit massiv ausgebaut wird, geht der Trend zu kürzeren Ladezeiten und damit höheren Netzbelastungen, deshalb ist dieser Aspekt für die Netzbetreiber besonders heikel.
In der Einleitung des Gesetzentwurfes ist der Hintergrund der Neuregelung wie folgt erklärt: “In den kommenden Jahren müssen eine Vielzahl von dezentralen, steuerbaren Verbrauchseinrichtungen in die Niederspannungsnetze integriert werden, die insgesamt eine systemrelevante Leistung darstellen werden“. Als Grenzleistung war im Gesetzentwurf eine Leistungshöhe von nur 3,7 kWp für Nachtspeicherheizungen, Stromspeicher, Wärmepumpen und Ladepunkte vorgesehen. Kurz gesprochen: Der Gesetzentwurf sah vor, dass solch steuerbare Verbraucher bei Netzengpässen von der Versorgung getrennt beziehungsweise über mehrere Stunden hinweg vom Netzbetreiber gedrosselt werden dürfen. „Spitzenglättung“ hieß das verharmlosend von den Netzbetreibern, die Konsequenzen für einen Prosumer wären erheblich gewesen.
Reaktionen auf den Rückzug
Einige Verbände, die auch schon im Verfahren entsprechende Stellungnahmen abgegeben haben, haben gleich nach der Rücknahme des Gesetzentwurfes ihre Änderungswünsche betont. Der BEE hat hier seine Bedenken ausgeführt. Die BEE Präsidentin Dr. Simone Peter bewertete den Entwurf so: „Der BMWi-Gesetzentwurf blieb weit hinter dem klima- und energiepolitischen Erfordernis einer intelligenten Sektorenkopplung zurück und war eher als „Not-Aus“-Gesetz für Situationen zu geringer Einspeisung Erneuerbaren Stroms konzipiert“. Auch der BSW hat sich dazu hier geäußert und betont: „Der Referentenentwurf war in vielerlei Hinsicht nicht geeignet ein zukunftsfähiges System zu schaffen, welches die Energiewende intelligent voranbringt. Die Solar- und Speicherwirtschaft fordern eine faire Kostenverteilung beim weiteren Umbau der Stromnetze im Rahmen der Energiewende. Dieser dürfe keinesfalls zu Lasten des Ausbaus der Elektromobilität, von Speichern und Wärmepumpen gehen. „Wir empfehlen dringend, keine weiteren Hürden für verbrauchernahen Klimaschutz zu schaffen, sondern bestehende Barrieren endlich abzubauen“, so Carsten Körnig vom BSW. Deutlich wird auch Robert Busch, bne-Geschäftsführer: „Wir brauchen bei der Reform des §14a EnWG einen völlig neuen Ansatz“. Aus der Politik war teils Häme zu hören: „Die Energieversorgung ist zentral für Deutschland. Wir können uns den Dilettantismus nicht mehr leisten“ twitterte dazu eine Parlamentarierin des Deutschen Bundestages.
Ein Beispiel
Nach dem zurückgezogenen Gesetzentwurf wäre ein Netzbetreiber in der Lage gewesen, Verbrauchseinrichtungen wie zum Beispiel Ladepunkte für E-Autos oder eine Wärmepumpe für den Verbraucher willkürlich für Stunden vom Netz zu nehmen. Ein „sicheres“ Laden eines Fahrzeugs über Nacht, um am nächsten Morgen vollgeladen losfahren zu können, wäre dann nicht mehr ohne weiteres sicher möglich gewesen. Und eine Drosselung in der Nacht hätte der betroffene Prosumer auch erst am nächsten Morgen festgestellt.
Der Elektromobilist wäre gezwungen gewesen, dafür eine „sichere“ Anschlussleistung beim Netzbetreiber zu buchen, um dann auch den Anspruch auf ein sicheres Nicht-Abschalten zu haben. Doch das Gesetz hätte dem Netzbetreiber dabei erlaubt, die Jahresnetzgebühren für eine sichere Anschlussleistung gegenüber heute zu vervielfachen. Und welcher Verbraucher würde sich eine Wärmepumpe oder ein Elektroauto zulegen, wenn in Aussicht steht, dass der Stromanschluss dafür dann 2.000 Euro pro Jahr kostet? Insgesamt wäre der weitere Ausbau der Elektromobilität und der Wärmepumpen damit sicherlich gefährdet worden.
Verbesserungsvorschläge
Die Verbände schlagen andere Möglichkeiten statt der „Spitzenglättung“ vor, um einen unverhältnismäßigen Netzausbau zu verhindern: Der BEE sieht ein alternatives Modell variabler Netzentgelte für Verbraucher als besser geeignete Option, um eine Flexibilisierung des Verbrauchs systemdienlich anzureizen. „Eine Flexibilisierung des Verbrauchs kann bei richtiger Ausgestaltung an verschiedenen Stellen im Stromversorgungssystem zur Verbesserung der Kosteneffizienz und der Versorgungssicherheit beitragen. Sie muss aus Kundenperspektive einfach und in der Praxis flächendeckend praktikabel sein“, so der BEE. Der BSW fordert, die Politik muss das Augenmerk darauf richten, wie der Ausbau von Stromspeichern schneller vorangetrieben und Verbraucher und Erzeuger durch gezielte Anreize flexibler auf die Anforderungen des Netzes reagieren können. Dadurch könne die Aufnahmefähigkeit der Stromnetze deutlich gesteigert werden.
Mehr Flexibilität wird ja nun schon lange gefordert, scheitert in der Praxis eben an den Regularien, die das nicht zulassen. Als Beispiel kann die bidirektionale Ladung von Elektroautos genannt werden: Schon seit Jahren sind einige Fahrzeuge technisch in der Lage, Strom nicht nur aus dem Stromnetz herauszunehmen, sondern bei Bedarf auch durch Einspeisung aus der Batterie ins Netz zur Stabilisierung beizutragen. Allein: Das ist in Deutschland nicht erlaubt.
Oder variable Stromtarife: Schon in den 1990er Jahren gab es Experimente, z.B. von den Stadtwerken Saarbrücken, durch „Stromampeln“ im Haushalt die Kunden zur Verschiebung von Stromverbrauch anzureizen. Doch bis heute gibt es keine flächendeckenden variablen Stromtarife für Haushalte oder kleine Gewerbekunden. Also warum sollen sie sich netzdienlich verhalten?
Genau das sieht Klaus Müller, oberster deutscher Verbraucherschützer als einfache Lösungsmöglichkeit: „Zeitvariable Netzentgelte ermöglichen Verbrauchern bei entsprechenden Preissignalen eine echte Wahlmöglichkeit.“ Die ausführlichen Ausführungen der vzbv finden sich hier. Wer sich anschaut, wie viele Autofahrer ihren Tankstellenbesuch inzwischen nach App-angezeigten Benzinpreisen ausrichten, wird in solchen Preissignalen gute Möglichkeiten sehen.
Und die Lehre aus diesem Vorgang?
Ein direkter Vorschlag an das Ministerium: Bitte Kritik einfach einmal aufnehmen und auch berücksichtigen. Dem Gesetzentwurf ging ein jahrelanger (!) Kommunikationsprozess voran, in dem Energieexperten schon früh vor einer einseitigen „Spitzenglättung“ gewarnt hatten. Doch man hatte ohne Rücksicht daran festgehalten und eben keine intelligente Flexibilisierung von Erzeugungs- und Verbrauchseinrichtungen angereizt. Der Autor dieser Zeilen hat vor Jahren an größeren Gesprächsrunden im Wirtschaftsministerium teilgenommen, in denen z.B. die Ziele und Forderungen zu EEG-Änderungen breit mit verschiedensten Verbänden und Marktteilnehmern diskutiert wurden. Doch diese Gespräche gibt es nicht mehr, Verbände wie die DGS werden heute nur zu kurzfristig um Stellungnahmen zu fertigen Gesetzentwürfen gebeten, Vorschläge können dann „aus Zeitgründen“ nicht mehr umgesetzt werden. Wen verwundert es, dass so ein Vorgehen scheitert? Daher gleich sehr früh eine Bitte an eine neue Bundesregierung: Erstellen Sie eine Roadmap zu den geplanten energierechtlichen Änderungen – am besten gleich für die Dauer der ganzen Legislatur. Arbeiten Sie transparent, nehmen Sie Kritik und gute Argumente konstruktiv auf. Nennen Sie klar Ihre Ziele, richten Sie Gesprächskreise neu ein und achten Sie bei der Besetzung auf eine gute Ausgewogenheit: Diejenigen, die die Suppe auslöffeln dürfen, vertreten durch Verbraucherschutz- und Umweltverbände - gehören bei Themen wie hier ganz klar mit an den Tisch. Perspektive des aktuellen Gesetzesvorhabens Und wie geht es nun weiter mit dem §14a? Aufgrund der Pandemie und des schon langsam dämmernden Bundestagswahlkampfes wird es zunehmend unwahrscheinlich, dass noch in dieser Legislatur eine Neufassung vorgelegt und verabschiedet werden kann. Zumal Minister Altmaier angekündigt hat, „sowohl mit Fahrzeugherstellern als auch Netzbetreibern“ Gespräche führen und danach einen neuen Vorschlag vorlegen“ zu wollen. Sollen denn die betroffenen Prosumer und Verbraucher jetzt schon wieder außen vor bleiben? Die vielbeschworene Sektorenkopplung für die Energiewende soll gerade in den Prosumer-Haushalten stattfinden und wird hoffentlich nicht ein weiteres Mal ausgebremst.