21.12.2018
Die SFV-Klimaklage unter der Lupe
Am 23. November hat der Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV) eine Verfassungsbeschwerde (die sogenannte Klimaklage) gegen die deutsche Regierung beim Bundesverfassungsgericht eingereicht (wir berichteten). Mit dem SFV und dem BUND klagen zahlreiche Einzelkläger. Doch um was geht es da eigentlich genau? Die DGS hatte Gelegenheit, die 166seitige Klageschrift zu analysieren.
Hauptargument: Verfehlung der Klimaziele
Hauptargument der Beschwerde: Der Gesetzgeber wird seine Klimaziele für das Jahr 2020 sicher verfehlen und es fehlen "geeignete gesetzliche Vorschriften zur Bekämpfung des Klimawandels"; damit verletze der Staat die „Schutzpflicht“ für Leben und körperliche Unversehrtheit, der Handlungsfreiheit und Eigentum der Bevölkerung. Wolf von Fabeck, langjähriger Geschäftsführer des SFV, erklärt: „Obwohl der globale Temperaturanstieg noch nicht einmal die in Paris vereinbarten 1,5 Grad erreicht hat, bedroht der Klimawandel schon jetzt das Überleben der Menschen-, Tier- und Pflanzenwelt. Wir hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht die Gefahr erkennt und ihr entgegentritt.“
Grundgesetzverstöße werden benannt
Argumentiert wird juristisch in der umfangreichen Klageschrift mit einem Bündel an Grundgesetzverstößen durch das Nicht-Handeln beim Klimaschutz. Hierzu zählt das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (im Art. 2 Grundgesetz) und das Grundrecht auf Schutz des Eigentums (Art. 14 GG). Diese Rechte sind direkt im Grundgesetz genannt. Weiterhin wird das Grundrecht auf ökologisches Existenzminimum angeführt, das von den Klägern aus Art. 1 und 2 GG abgeleitet, aber im folgenden Text nicht weiter erläutert wird. Für die Verbände SFV und BUND werden auch eine Verletzung des Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit (auch bezogen auf Art. 2 GG) und ein Verstoß gegen die europäische Grundrechtscharta (Art. 47, ein Verstoß gegen das Recht auf Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht) angenommen.
Das oberste Gericht soll nun nach Ansicht der Kläger feststellen, dass Deutschland keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen hat, um die Klimaziele und das Paris-Abkommen einzuhalten.
Außerdem soll festgestellt werden, dass die Klimapolitik in Deutschland im Wesentlichen keine gesetzlichen Grundlagen aufweist.
Internationale Verpflichtungen
In der Begründung werden ausführlich die internationalen Vereinbarungen zum Klimaschutz angeführt, die von Deutschland einzuhalten sind: Angefangen mit der UN-Klimarahmenkonvention von 1992, dem Kyoto-Protokoll von 1997, dem IPCC-Berichten von 2007 und 2014 sowie dem Pariser Übereinkommen von 2015 und dem neusten IPCC-Bericht von 2018. All diese Vereinbaren enthalten Ziele zur Emissionsreduktion und zur Eindämmung der Erderwärmung. Daneben hat die Bundesregierung mit dem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 bereits im Jahr 2014 die nationalen Klimaschutzziele bekräftigt und eine Senkung der Treibhausgase um 40 % bis 2020 beschlossen. Der Klimaschutzplan 2050 geht bekannterweise langfristig noch weit darüber hinaus.
Hauptpunkt der Kläger ist nun, dass diese Ziele nicht ausreichend mit Maßnahmen unterlegt werden, die zu deren Umsetzung nötig sind. Die Verfehlungen werden in der Begründung ausführlich für die einzelnen Sektoren (Energiewirtschaft, Gebäudebereich, Mobilität, Industrie und Wirtschaft, Landwirtschaft) dargelegt.
Der Bundesgesetzgeber lässt auch eine eigene Konsequenz vermissen: So wollte der Staat durch Vorbildfunktion und nachhaltige Beschaffung den Zielen auch selbst Rechnung tragen, musste nun aber einräumen, dass dadurch praktisch kein CO2-Minderungsbeitrag bis 2020 erreicht wird.
Juristische Verankerung
Es wird dargelegt, dass das genannte Unterlassen des Staates geeignet ist, eine Verfassungsbeschwerde einzureichen und dies auch das geeignete Mittel bei Nicht-Einhaltung der zu Grunde liegenden internationalen Vereinbarungen ist. Beispielhaft wird beschrieben, dass einige der Kläger bereits jetzt schon persönlich und direkt - auch gesundheitlich - von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Es wird begründet, dass auch Menschen, die derzeit noch nicht persönlich betroffen sind, den Anspruch erheben dürfen, dass der Gesetzgeber vorsorglich tätig wird.
Der SFV argumentiert pointiert mit fehlenden Gesetzen zur Einführung von Stromspeichern, der Rücknahme aller Genehmigungshindernissen bei Windkraftanlagen, der Bürokratieentlastung von PV- und Windbetreibern. Ausführlich wird auch darauf eingegangen, dass SFV und BUND berechtigt sind, auch die Einhaltung der europäischen Klimavorgaben im Rahmen eines Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht einzufordern.
Wie geht’s weiter?
Die erste Hürde der Klimaklage ist, dass sie überhaupt vom Bundesverfassungsgericht angenommen wird, hierbei wird zuerst die Zulässigkeit geprüft. Damit die Klage überhaupt angenommen wird, muss ihr auch eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommen. Als sicher gilt, dass das Verfahren eher langsam als schnell gehen wird.
Der SFV hat zur Information über die Klimaklage und den weiteren Verlauf eine eigene Website geschaltet: https://klimaklage.com.
Jörg Sutter