21.06.2019
Spaß mit Elektromobilität
Zum zweiten Mal fand am vergangenen Wochenende das e4-Testival in Hockenheim in Baden-Württemberg mit Angeboten rund um die Elektromobilität statt. Unüblich für eine solche Veranstaltung war gleich die gewählte Location: Nicht in einer Messehalle, sondern im Freigelände des Motorsportgeländes Hockenheimring, auf dem seit 1970 auch Formel-1-Rennen gefahren werden, wurden Ausstellungszelte und -Stände aufgebaut, Firmenstände befanden sich auch in den Garagen der Boxengasse direkt an der Rennstrecke.
War es damit eine PS-Veranstaltung mit aufgeblasenen Backen? Nein, überhaupt nicht. Der Name war Programm: Das Testival lud zum Testen der ganzen Palette der elektrischen Mobilität ein. Kein Benzingeruch, keine lauten Motorengeräusche, nur gelegentlich ein leises Surren oder Hupen war zu hören. Von elektrischen Kleintransportern über PKWs bis zu Lasten-e-Bikes und verschiedenen e-Scootern war eine breite Auswahl an neuen mobilen Lösungen bereitgestellt – und konnte zur Probe gefahren werden. Dazu wurde ein Teil der Rennstrecke für e-Bikes und e-Scooter, ein anderer Rundkurs für PKW abgesperrt. Rund 9.700 Besucher nutzten das Angebot und man sah Familien, die diskutierten und sich aufteilten: Die Frau probierte eine Runde mit einem e-Scooter, der Mann stand bei den Probefahrten der PKW an und Kinder konnten erste e-Bike-Erfahrung machen.
Dabei zeigte sich: Es ist eben schon ein anderes Gefühl, ein elektrisches Fahrzeug auf dem realen Asphalt zu bewegen, als nur im Schaufenster oder Laden zu betrachten. Und die Atmosphäre war auch eine völlig andere: Die Austeller kamen, um zu beraten und durch Probefahrten zu überzeugen, als Besucher wurde man offensiv angesprochen, ob man ein Gefährt mal fahren will. Da es keine Verkaufsveranstaltung war, kam hier keinerlei Druck gegenüber den Testern auf. Mit viel Spaß testen, mit (meist) breitem Grinsen wieder zurückbringen und abstellen, kurz mit dem Anbieter sprechen, welchen Eindruck man hatte, einen Flyer eingesteckt - und auf zum nächsten Gefährt. Bei den PKWs musste man jedoch - je nach Marke - ein wenig Zeit mitbringen: Lange Warteschlangen bildeten sich bei Tesla und BMW, mit deren Gefährte nahezu geräuschlos über den Ring zu fahren, hat eben viele Besucher angelockt. Sichtbar weniger Resonanz gab es dagegen bei den SUV- und Hybrid-Anbietern.
Viel Testresonanz haben auch die Anbieter der e-Scooter erlebt. Nach Verabschiedung der entsprechenden Verordnung (siehe letzte DGS-News) dauert es derzeit noch eine Weile, bis die ersten Fahrzeuge real auf der Straße unterwegs sind. Hintergrund ist die notwendige Beantragung einer allgemeinen Betriebserlaubnis (ABE), welche die e-Scooter-Anbieter aktuell durchlaufen; dies kann nun erst seit dem 15.06. beim Kraftfahrtbundesamt begonnen werden, mit rund 14 Tagen Bearbeitungszeit wird gerechnet.
Doch die Technik ist schon bereit: So konnte der Autor dieser Zeilen den aktuellen Moover von Metz testen, der gemäß den Vorgaben der Verordnung ausgestattet ist: gute Bremsen, Licht und Platz für die Versicherungsplakette auf dem hinteren Schutzblech sind vorhanden. Ansonsten viel Fahrspaß auf einem e-Scooter mit einer hohen Verarbeitungsqualität und „Made in Germany“. Allein ein Trittbrett aus Holz sucht man bei anderen Anbietern vergebens. Und dem Tipp des Ausstellers gefolgt: Der Moover kann nicht aus dem Stand elektrisch beschleunigt werden, sondern muss erst durch Antreten auf eine geringe Geschwindigkeit gebracht werden. Erst dann greift der Motor und beschleunigt zügig auf 20 km/h, die einem auf einem Roller (und der Rennstrecke) dann ganz schön schnell vorkommen. Gehwegkanten oder richtige Schlaglöcher gibt’s hier natürlich nicht zum ausprobieren, trotzdem spürt man Komfort, denn die etwas größeren luftgefüllten 12“ großen Reifen (im Vergleich zu manchen e-Scootern mit Hartplastik-Rädern) dämpfen einige Unebenheiten der Straße gut weg. Weg ist aber auch der Motorantrieb, wenn man zu schnell in die Kurve fährt und aus der Schräglage elektrisch herausbeschleunigen möchte: Da streikt der Antrieb und schaltet sich erst wieder zu, wenn der e-Scooter wieder aufrecht auf der Geraden läuft.
In kurzer Zeit hat sich ein Wandel bei den e-Scooter-Anbietern durchgesetzt, am sichtbarsten durch den Anfang Juni vorgenommene Namensänderung eines großen der e-Scooter-Branche: Der bisherige Anbieter Flash heißt jetzt circ. Flash würde zu sehr die Geschwindigkeit assoziieren, daher der neue Name, so der Anbieter. Die Anbieter sind nach einigen Fehlstarts in manchen Städten vorsichtiger geworden, auch was ihre Außenwirkung angeht. Ein explosionsartiges Wachstum, das Städte unsinnig mit Elektroschrott überflutet und die Raserei der Nutzer fördert, soll nicht (mehr) das Unternehmensziel sein. Ein erster kleiner (eventuell firmeninterner) circ-Konvoy ist dem Autor heute in Berlin brav auf dem Radweg entgegengefahren.
Doch zurück nach Hockenheim: Der Baden-Württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hatte die Schirmherrschaft eines begleitenden Startup-Award übernommen, bei dem neue Lösungen zur Elektromobilität ausgezeichnet wurden. Herrmann betonte in seinem Grußwort: „Die Erfolgsgeschichte des Pedelecs zeigt: Wenn technische Innovationen ihren Nutzern einen Mehrwert bieten und bestehende Probleme lösen, ändert sich das Mobilitätsverhalten und die Verkehrs- und Mobilitätswende gelingt.“ Hermann verlieh auch persönlich die Preise, es wurden ausgezeichnet:
1) e3charge: Das Start-Up entwickelt IT für das Sharing von privaten Ladesäulen
2) H2range: Entwicklung einer Brennstoffzelle für Lastenräder und Kleinfahrzeuge, (Ausgründung der DLR)
3) Ducktrain: Das Start-Up der RWTH Aachen präsentierte autonom fahrende Transportbehälter, die hinter einem Fahrrad oder Elektrofahrrad bzw. Fußgänger herfahren können und (wie eine Entenfamilie) alle autonom dem Frontfahrzeug folgen.
Im begleitenden Vortragsforum diskutierten Politiker, Wissenschaftler, junge Gründer und Start-up-Trainer darüber, was von wem noch getan werden muss, um die Gründerszene im Bereich der Elektromobilität weiter zu unterstützen. Das Forum wurde durch Reiseberichte verschiedener E-Abenteurer abgerundet.
Auch an das „drumrum“ war seitens der Veranstalter gedacht: Neben zahlreichen Foodtrucks waren Ladetechnik, Versicherungen, Stromanbieter und weitere Dienstleister genauso beratend vertreten wie E-Auto-Vermieter (u.a. NextMove), die einen Teil ihrer Fahrzeugflotte ebenfalls für Testfahrten zur Verfügung gestellt hat. Motto: Alles kein Problem und viel Spaß mit der Elektromobilität. Wer sich im kommenden Jahr nach einigen Testfahrten auch gerne mit einem breiten Grinsen vom Gelände verabschieden möchte: Das nächste e4-Testival findet am 6. und 7. Juni 2020 (Publikumstage) wieder in Hockenheim statt.
Jörg Sutter