28.02.2020
Scheuer, Ziemiak, Aarhus, VVN und mehr: Alles hängt mit allem zusammen
Das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz (MgvG): Am 31. Januar hat der Deutsche Bundestag mit den Stimmen von der Schwarz-Roter GroKo, der AfD und der FDP ein spannendes Gesetz beschlossen. Der Titel klingt schon in dieser Kurzform verwirrend. Der Inhalt des MgvG: Statt wie bisher per Verwaltungsakt mit oft langwieriger Planung, können ab jetzt Verkehrsprojekte auf einen Schlag per Gesetz losgetreten werden.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) geht es nach eigener Aussage nur darum, „wichtige umweltfreundliche Verkehrsprojekte zu beschleunigen“. Wenn der Bundestag, „der höchste demokratisch legitimierte Gesetzgeber“, solche per Gesetz genehmige, „erhöhen wir die Akzeptanz“, glaubt der Minister. „Dringende Maßnahmen können so schneller geplant und gebaut werden.“
Und wenn sogar der „Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung“ keine Nachhaltigkeitsrelevanz sieht, dann wird das ja wohl auch so sein: „Das Gesetz dient der Beschleunigung von Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen und damit der Umsezung der Klimaziele im Sektor Verkehr. Das Gesetz ist mit der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung vereinbar“, so die regierungsnahe Expertenmeinung.
Es geht also offiziell in diesem „Gesetz zur Vorbereitung der Schaffung von Baurecht durch Maßnahmengesetz im Verkehrsbereich (Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz – MgvG)“ – so der Langtitel – um Umweltschutz. Konkret sind acht definierte Schienen- und fünf Wasserstraßenprojekte aufgeführt. Die seien „wichtig“ und „umweltfreundlich“ obendrein, sagt Minister Scheuer. Doch was, wenn künftig ein zehnspuriger Autobahnneubau auch als „geeigneter Einzelfall“ eines „wichtigen Verkehrsinfrastrukturprojektes“ vom Bundestag genehmigt wird? Wer genau definiert diese Wichtigkeit? Die Frankfurter Rundschau jedenfalls hat dieser Tage bereits gemutmaßt: „Andreas Scheuer will Fesseln für die Zivilgesellschaft.“
MgvG ist Teil eines großen Plans
Mit dem MgvG führt der CSU-Verkehrsminister den vierten jener elf Punkte aus, die im Herbst eine Reihe CDU-Granden in schriftlich auf den Weg gebracht haben. Diesen „11-Punkte-Plan für schnelleres Planen und Bauen“ hatte sogar CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak unterzeichnet; er gilt demnach als Parteimeinung.
Die Autoren hatten diesen Plan der Öffentlichkeit zwar als „Kampfansage an die Deutsche Umwelthilfe DUH“ verkauft. Tatsächlich aber geht es darin um das Schleifen der Aarhus-Verträge. Das sind völkerrechtliche Vereinbarungen zwischen immerhin 48 europäischen Staaten. Denn wie berichtet, lautet der erste, demnach auch der wichtigste der 11 Punkte: „Reform der Aarhus-Konvention.“ Wobei Reform nichts anderes heißt als: Weg mit den lästigen Verfahrensbremsen durch Bürger oder Nichtregierungsorganisationen. Natürlich kommt hier die DUH ins Spiel. Die finanziert sich zwar auch durch Aufträge der Bundesregierung. Doch in der Öffentlichkeit werden besonders das Eintreten des Vereins gegen die offenkundigen Diesel-Betrüger aus der Autoindustrie wahrgenommen oder dessen Klagen für Dieselfahrverbote in Städten. Bereits Ende 2018 war von konservativen politischen Kreisen gefordert worden, der DUH die Gemeinnützigkeit zu entziehen.
Doch nicht dieser, sondern anderen Nichtregierungsorganisationen ging es in der Folge an den Kragen der Steuerbegünstigung für Spenden. Attac oder Campact zum Beispiel, sehr engagierte Gruppierungen der Zivilgesellschaft, die sich für Frieden oder gegen Klagerechte von Großkonzernen in globalen Handelsverträgen stark machen. Nicht zu vergessen: Die VVN-BdA, ausgeschrieben „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen“.
Der Antirassistenverein, dem unter anderem noch lebende KZ-Opfer des Naziregimes angehören, ist zurzeit nicht gemeinnützig – auch wenn die Durchsetzung des Beschlusses eines Berliner Gerichts momentan ausgesetzt ist. Trotzdem ist das Spendenaufkommen wegen womöglich fehlender steuerlicher Absetzbarkeit gefährdet. Und statt gegen Rassismus und Antisemitismus zu kämpfen – also auch gegen „Alternativ“-Demagogen -, muss sich die VVN-BdA um ihre Gemeinnützigkeit kümmern.
Und genau in der Zeit seither passierten zum Beispiel der rassistische Angriff auf eine Synagoge in Halle, der Mord an einem Regierungspräsidenten in Kassel und zuletzt der ausländerfeindliche Terror in Hanau. Ergo: Wenn es der Zivilgesellschaft an den (Steuer-)Kragen geht, leidet darunter gerade auch die Demokratie. Nein, das ist keine Verschwörungstheorie: Es ist nur ein Aufzählen von Fakten und Ereignissen.