21.01.2022
Was ich im Bereich Photovoltaik in diesem Jahr erwarte
Eine Einschätzung von Jörg Sutter
Dieses Jahr wird ein spannendes Jahr für die Photovoltaik in Deutschland. Nicht zuletzt die politische Situation der Gasversorgung und die unter anderem deswegen explodierten Strompreise werden unserem Themenbereich rund um die Solarmodule zur Stromerzeugung weiteren Auftrieb verleihen. An dieser Stelle eine ganz subjektive Auflistung von PV-Themen, zu denen ich in diesem Jahr Änderungen erwarte. Ich übernehme aber keine Gewähr – es wäre nicht das erste Mal, dass die Branche von politischen Änderungen im Positiven wie Negativen überrascht wird.
PV-Ausbau
Die letzte Bundesregierung hat sich ja noch getraut, die politisch angestrebten Zubauzahlen für 2022 im EEG anzuheben, indem noch Ausschreibungskontingente erhöht wurden. Nachdem die letzten PV-Ausschreibungen, ganz aktuell auch die zu den großen PV-Anlagen des 2. Segmentes, also den Dachanlagen, regelmäßig überzeichnet wurden, können wir sicher davon ausgehen, dass die zugebaute Menge in 2022 steigen wird, sofern nicht Material- und Handwerkermangel dem einen oder anderen Projekt einen Strich durch die Realisierung macht.
Weiterhin wurde von der neuen Regierung bereits angekündigt, die Ausbauwerte und nochmals die Ausschreibevolumina weiter zu erhöhen. Bislang keine Aussagen gibt es zum Ausbau der typischen Einfamilienhausanlagen und einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in diesem Bereich. Hier wurde von verschiedenen Seiten - auch von der DGS - ja bereits im vergangenen Jahr gewarnt, dass der „atmende Deckel“ mit weiterer Vergütungsabsenkung eine Gefahr für die Ausbaugeschwindigkeit darstellt.
Mieterstrom
Politisch sind beim Mieterstrom, betont auch beim kleinen Mieterstrom im Ein- und Zweifamilienhaus, politische Verbesserungen angekündigt. Doch was könnte das sein? Eine Bagatellregelung für kleinen Mieterstrom, die Anpassung der Mieterstromzuschläge oder nur weitere kleine Änderungen in den umständlichen Umsetzungsregelungen, die ja Ihren Ursprung nicht nur im EEG, sondern auch im Miet- und Steuerrecht haben? Aus meiner Sicht bedarf es hier schon eines „großen Wurfes“, will man den Mieterstrom endlich in die Ausbaudimension heben, die der großen Anzahl der belegbaren Mietsgebäude angemessen ist.
EU-Richtlinie
Minister Altmaier hat die Umsetzung der EU-Richtlinie zu Erneuerbaren Energien noch ausgesessen, das wird sich BMWK-Chef Habeck nicht leisten können: Die gemeinschaftliche Eigenversorgung und das „Energy-Sharing“, das bisher bei uns nicht umgesetzt werden konnte, muss noch in diesem Jahr in nationales Recht gegossen werden, um den PV-Ausbau beschleunigen zu können. Nebenbei können sich damit neue Geschäftsmodelle und Betätigungsfelder z.B. für Dienstleister und Energiegenossenschaften entwickeln.
Steckersolar
Im Dezember hat die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) aus Berlin den „Stecker-Solar-Simulator“ veröffentlicht, mit dem der Einsatz eines Steckersolargerätes wirtschaftlich abgeschätzt werden kann (wir haben darüber berichtet). In den kommenden Wochen darf die Veröffentlichung der begleitenden Marktstudie erwartet werden, in der der deutsche Markt für Steckersolargeräte detailliert untersucht wurde.
Auch aktuell in Arbeit ist der Entwurf der Produktnorm für Steckersolar, diese wird als Verbundprojekt erarbeitet, auch die DGS ist daran beteiligt. Im üblichen Verfahren wird auch in diesem Fall zuerst ein Normentwurf verabschiedet und veröffentlicht, anschließend dürfen Stellungnahmen abgegeben werden. Weil nicht vorauszusehen ist, wie viele das sind und welche inhaltlichen Anpassungen dann noch vorgenommen werden müssen, gibt es noch kein Datum in Sicht, ab wann die Norm in Kraft treten wird. Aber sie wird kommen.
Komponentenverfügbarkeit und Preise
Eine der großen Herausforderungen für Handel und Handwerk wird es in diesem Jahr sein, ausreichend Komponenten zu vernünftigen Preisen und mit überschaubaren Lieferzeiten zu beschaffen. Sicher: Würde man die derzeit hohen Strompreise für eine PV-Wirtschaftlichkeitsberechnung ansetzen, so sähen auch teure PV-Anlagen attraktiv aus. Aber es darf ja schon davon ausgegangen werden, dass sich die Stromkosten bald wieder normalisieren, wenngleich auch nicht auf das bisher gewohnte Niveau zurück. Verfügbarkeit und Preis, sowie eine verlässliche Lieferung, werden in diesem Jahr wichtig sein. Nicht nur, um die hohe Nachfrage der Kunden nach PV und Batteriespeicher zu befriedigen, sondern auch, um wirklich viele Anlagen auf die Dächer zu bekommen und damit die weiteren Schritte der Energiewende zu gehen. Es sind von heute an noch 344 Tage, bis die letzten AKW´s in Deutschland vom Netz gehen.
EEG-Umlage
Politisch besteht ja eine große Einigkeit, die EEG-Umlage bis 2023 ganz abzuschaffen. Dabei ist sie gerade zum Jahresanfang erst massiv abgesenkt worden. Das ist aber kaum aufgefallen, denn die massiven Preiserhöhungen der Stromversorger haben das aus Sicht der Verbraucher in den meisten Fällen überkompensiert. Kommt die Abschaffung, entfällt nicht nur die nervige jährliche Berechnung, sondern es könnte auch die damit verbundene Pflicht eines Erzeugungszählers - derzeit ab 30 kWp gefordert - entfallen. Andererseits: Eine Streichung der EEG-Umlage bedeutet auch, dass die Bezugsstromkosten für einen Haushalt günstiger werden, der Vorteil der Nutzung einer PV-Eigenversorgungsanlage wird dann ein wenig kleiner.
Bürokratieabbau
Auch politischer Konsens besteht hinsichtlich des Bürokratieabbaus im Bereich der Erneuerbaren Energien insgesamt. Oftmals wird hier an erster Stelle das langwierige Planungsrecht für Windkraftanlagen genannt, aber auch in der PV gibt es ein großes Potential für Vereinfachungen. Ich will hier die ganzen Schwierigkeiten nicht auflisten, sondern verweise an dieser Stelle an die HTW-Untersuchung „Hemmnisse und Hürden für die Photovoltaik“. Sicher, einige wenige der dort genannten Punkte sind inzwischen erledigt, der Großteil bremst aber noch immer den ambitionierten Ausbau der Technik auf unseren Dächern.
Solardachpflicht
Gespannt sein darf man in den kommenden Monaten auf die Erfahrungen, die mit der Einführung der Solarpflicht in NRW und Baden-Württemberg zum 1. Januar 2022 gemacht wird. NRW hat das eher halbherzig angegangen und die Pflicht nur über die Landesbauordnung für Parkplätze ab 35 Stellplätzen erklärt. In Baden-Württemberg sind zusätzlich zu den Parkplätzen auch Nicht-Wohngebäude im Neubau betroffen. Die Solarpflicht ist hier im Klimaschutzgesetz verankert und mit konkreten späteren Terminen für Wohngebäude und auch später für Dachsanierungen ausgestattet. Die Solarpflicht hat es ja mit einem Satz auch in den Koalitionsvertrag geschafft, wenn ich einen Tipp abgeben müsste, würde ich sagen: Berlin schaut sich die Erfahrung der Regelung im Südwesten einige Monate an und entwickelt dann eine bundesweite Regelung nach Baden-Württembergischen Vorbild.
Marktpreise und Wirtschaftlichkeit
Die aktuellen Base-Preise für zukünftige Stromlieferung deuten darauf hin, dass es zumindest im nächsten und übernächsten Jahr wieder ruhiger wird an der Strombörse – aktuell (Stand 18.1.22) werden dort Base-Preise von 116 Euro pro MWh (für 2023), 93 (für 2024) und 86 (für 2025) aufgerufen – deutlich mehr als früher, aber auch weit entfernt von den Höchstwerten der vergangenen Monate. Spannend wird auch, ob die Industrie die Transformation beschleunigt: Derzeit ist „nur“ der hohe Haushaltsstrompreis, insbesondere bei Rückfall in der Grundversorgung, in der Diskussion. Doch wenn für Gewerbe oder Industrie in diesem Jahr die zwei- oder dreijährig abgeschlossenen Stromlieferverträge auslaufen, wird es auch hier ein böses Erwachen bei all jenen geben, die nicht an ansteigende Stromkosten geglaubt haben.
Durch die Insolvenzen und Lieferverweigerungen verschiedener Anbieter ist das Thema Strompreise inzwischen auch wieder in der Politik auf dem Tisch: Vorgestern machte der neue Wirtschaftsminister Habeck deutlich, dass er die Verbraucher dabei nicht im Stich lassen möchte. "Der Zusammenbruch mancher Discounter am Strom- und Gasmarkt und die damit verbundene Überführung vieler Kundinnen und Kunden in die Grundversorgung sind eine enorme soziale Härte", so Habeck. Eine neue Regulierung des Strommarktes soll geprüft werden, ob das aber schon 2022 zu Änderungen führt, ist aus meiner Sicht fraglich, weil sicherlich ziemlich komplex.
Die erwartete Abkühlung der Börsenstrompreise wird dann auch wieder den Marktwert Solar, der u.a. für die Vergütung der Ü20-Anlagen und die Direktvermarktung herangezogen wird, wieder absenken. Die PV-Betreiber, die hier für 2021 Rekordeinnahmen verbuchen konnten, werden künftig wieder mit kleineren Beträgen leben müssen. Das reißt aber kein Loch in die Kasse, denn es wurde sowieso immer mit weit geringeren Einnahmen als derzeit aufgerufen kalkuliert.
Parlamentswahlen in den Ländern
Die neue Bundesregierung hat sich inzwischen gefunden, wir dürfen aber nicht aus den Augen verlieren, dass in diesem Jahr einige Landtagswahlen stattfinden, die auch auf die allgemeine Dynamik der Energiewende - sei es durch eigentliche Länderpolitik oder auch durch über die Mehrheit im Bundesrat – beeinflussen können. Ich denke hier vor allem an die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen am 15. Mai. Im bevölkerungsreichsten Bundesland wurde in der letzten Zeit vor allem der gebremste Ausbau der Windkraft kritisiert, auch die Solarpflicht, die seit 1.1. in Kraft ist, wurde dort nur halbherzig angegangen (siehe oben).
Und was macht die DGS?
Wir werden die Entwicklungen in der Photovoltaik (und nicht nur dort) weiter intensiv begleiten, regelmäßig hier in den DGS-News über Änderungen der Regularien, technische Neuerungen und interessante Projekte berichten und Einschätzungen dazu abgeben. Die DGS wird sich - wie auch schon in den vergangenen Jahren - an Verbändeanhörungen beteiligen und (gefragt oder ungefragt) Vorschläge für Verbesserungen auf den Tisch der jeweiligen Gremien legen. Die laufenden Projekte mit anderen Partnern, hier sei nur die Kooperation mit der Verbraucherzentrale zum Thema Steckersolar erwähnt, werden wir fortsetzen und neue Projekte starten. Und nicht zuletzt werden wir durch die Angebote des Solarzentrums Berlin, der Solarakademie Franken und der DGS-Solarschulen auf die gestiegene Nachfrage nach Schulungen, Webinaren und Weiterbildungen reagieren und diese Angebote in diesem Jahr weiter ausbauen. Seien Sie gerne dabei! Wie könnten wir Ihre Arbeit in der Photovoltaik auch noch unterstützen? Schreiben Sie mir gerne einfach an sutter(at)dgs.de - Vielen Dank für Ihre Hinweise.