21.01.2022
Der E-Auto-Ausblick 2022
Ein Überblick von Götz Warnke
Bei den Neuerscheinungen des E-Auto-Jahres 2022 kommen uns viele Namen allzu bekannt vor. Kein Kunststück, denn die weltweite Chipkrise hat im vergangenen Jahr viele Projekte der Hersteller ausgebremst und so den „Umzug“ nach 2022 erzwungen. Da die Chipkrise ungebremst weiterläuft, wird es auch das eine oder andere Fahrzeug in dieser Liste nicht auf die Straßen schaffen. Dennoch wird 2022 ein hochinteressantes Jahr, denn es kommen einige wirklich bemerkenswerte Fahrzeuge zu uns. Werfen wir also einen Blick auf das bunte Potpourri der Marken und Modelle, wobei Überraschungen nicht ausgeschlossen sind.
Audi: Bei den elektrischen 4 Ringen muss man sich dieses Jahr vor allem mit Facelifts begnügen. Neu und wohl sehr spät im Jahr – oder erst im nächsten – rollt der SUV Audi Q6 e-tron auf die Straßen – schon auf Basis der neuen konzerneigenen Premium Platform Electric (PPE) und mit einem 800-Volt-System. Das ist zwar alles sehr fortschrittlich, wobei aber von „Vorsprung durch Technik“ auch nicht die Rede sein kann.
BMW: Die Münchner haben im vergangenen Jahr mit dem BMW iX hinreichend bewiesen, dass sie protzig-große „Häuptling-Dicke-Hose-Autos“ bauen können. In diesem Jahr kommt mit dem BMW i7 wieder ein großes Auto, allerdings eine Oberklassen-Limousine, die mit dem Mercedes EQS und dem Tesla Modell S in Konkurrenz treten muss.
Cupra: Die sportliche SEAT-Untermarke schickt mit dem Born ein sportliches E-Auto in den Markt, der sich mit dem VW ID.3 nicht nur die Plattform MEB, sondern auch die Produktionsstätte Zwickau teilt. Wem der VW ID.3 zu unspektakulär ist, der ist hier sicher gut aufgehoben.
Fisker: Der E-Auto-Hersteller aus Los Angeles stellt mit dem OCEAN einen vergleichsweise sportlich-eleganten SUV mit PV-Dach, Recyclingmaterialien im Inneren und einem riesigen Bildschirm im Armaturenbrett vor. Das Antriebssystem stammt von Magna Steyr, die Akkus Catl, und die Geduld vom Käufer: erst im November sollen die ersten Exemplare zu den Kunden gelangen.
Genesis: Die Nobelmarke des Hyundai-Kia-Konzens bringt dieses Jahr nicht nur mit dem G80 EV eine elektrifizierte Version seiner Luxuslimousine G80 an den Start, sondern auch mit dem GV70 EV den Elektrozwilling des Mittelklasseverbrenner-SUVs GV 70 und – als reines E-Auto auf der konzerneigenen GMP-Elektroplattform – mit dem GV 60 ein kleineres SUV, das wie eine elegantere und modernere Version des bekannten Hyundai Kona Elektro wirkt.
Hyundai: Die Koreaner lassen ab Sommer mit dem Ioniq 6 eine kompakte, stromlinienförmige Limousine auf die Straßen. Das Fahrzeug wird ebenso wie der Genesis GV 60 auf der Electric-Global Modular Platform (E-GMP) basieren, und damit über ein zum schnellen Laden einladendes 800-Volt-System verfügen. Auch wenn die Technik im Wesentlichen dem bekannten Ioniq 5 gleichen wird, so dürfte der Neue aufgrund seiner Stromlinie doch eine deutlich bessere Reichweite haben.
KIA: Bei den Händlern soll dieses Jahr der völlig überarbeitete Niro EV stehen. Das kleine SUV wird innen moderner, und außen eckiger, aber nicht schöner – insbesondere, wenn man das Fahrzeug mit dem größeren KIA EV6 oder dem Konzern-Bruder Genesis GV 60 vergleicht. Dafür dürfte er, nicht zuletzt wegen der Chip-Krise, etwas teurer werden.
Lightyear: Letztes Jahr hat es nicht geklappt, aber dieses Jahr soll das Solarauto Lightyear One aus den Niederlanden zu allen Kunden kommen, die den Preis von 150.000 € bezahlen können und wollen. Durch seine großen PV-Flächen ist das Fahrzeug in sommerlichen Südgefilden praktisch energieautark, und damit eine sinnvolle Antwort auf steigende Strompreise, Ladesäulenmangel etc. Wenn auch der Lightyear One außerhalb des Kostenbudgets der meisten Autokäufer liegt, so hat die Firma für 2024/25 bereits den ebenfalls solarisierten Lightyear Two angekündigt, der nur ca. 30.000 € kosten soll. Aber erst einmal muss der Lightyear One das Geld für solche Entwicklungen verdienen.
Lucid: Der kleine US-Hersteller produziert seinen Lucid Air schon für den Heimatmarkt und will in diesem Jahr auch in Übersee den Luxuslimousinen Mercedes EQS, Tesla Modell S etc. Konkurrenz machen. Da die Beschleunigungs- und Geschwindigkeitswerte der Fahrzeuge bei allen diesen Herstellern bereits elitär sind, verlagert sich der Wettbewerb nun auf die Reichweite.
Mercedes: Die Mercedes-Typen EQA (Kompakt-SUV) und EQS (Oberklassenlimousine) sind schon auf den Straßen. Dieses Jahr folgen mit dem bereits im April 2021 vorgestellten EQB ein größerer SUV als der EQA, und mit dem EQT ein Luxus-Van für Familien, die es sich leisten können. Und der EQE, eine stromlinienförmige E-Limousine als Pendant zur fossilen E-Klasse, und damit unterhalb des EQS positioniert, soll das Licht der Straßenlaternen erblicken.
MG: Der britische Klang der Marke täuscht; die Firma gehört längst zum chinesischen Autokonzern SAIC. In diesem Jahr will MG drei Fahrzeuge auf den deutschen und damit europäischen Markt bringen: Den facegelifteten Kleinwagen MG ZS EV, den SUV Marvel R – offiziell schon Ende letzten Jahres gestartet – und mit dem MG 5 Electric endlich einen Elektro-Kombi, ein Autosegment, das bisher völlig vernachlässigt wurde: Akkus bis 61 kWh, ein 115-kW-E-Motor und Preise, die noch vor Abzug des Umweltbonus bei unter 30.000 Euro beginnen, klingen nach einem interessanten Angebot.
NIO: Die noch junge chinesische E-Auto-Marke ist seit 2021 in Norwegen aktiv, und will dieses Jahr auch nach Deutschland kommen. Kandidaten dafür sind die großen SUVs ES6 und ES8, sowie die Oberklassen-Limousine ET7; die neue Limousine ET5, die ab September diesen Jahres in China gebaut wird, dürfte es kaum vor Jahresende hierher schaffen. Das besondere bei NIO ist das Wechselakkusystem, bei dem die Energiespeicher schnell und in eigenen Tauschstationen gewechselt werden – rund drei Minuten reichen, lange Ladezeiten gehören der Vergangenheit an.
Nissan: Nachdem der Leaf schon etwas in die Jahre gekommen ist, wird Nissan im Sommer mit dem Ariya den Kunden ein SUV-Coupé präsentieren. Das Auto mit Akkus von 63 oder 87 kWh, das bereits im vergangenen Jahr kommen sollte und wohl Opfer der Chip-Krise wurde, wird allerdings kein Nachfolger des Leaf sein.
Polstar: Nach dem Hybrid Polestar 1 und der reinelektrischen (BEV) Limousine Polstar 2, deren Start etwas verunglückt war, soll jetzt mit dem Polestar 3 ein E-SUV folgen. Das Fahrzeug wird in den USA gebaut und hier frühestens zum Jahresende in die frei „Wildbahn“ entlassen.
Porsche: Die Sportwagenschmiede aus dem Schwabenland scheint sich dieses Jahr auf einige Varianten ihres Taycan beschränken zu wollen – und der ist ja bereits auf dem Markt.
Renault: Mit dem Megane E-Tech stellt der E-Auto-Pionier Renault endlich ein neues E-Auto vor, und zwar in der immer umkämpfteren Klasse der elektrischen Golf-Nachfolger. Der Akku bietet 40 oder 60 kWh, der E-Motor 96 oder 160 kW. Dazu kommt, von vielen, insbesondere Handwerkern, sehnlichst erwartet, die elektrische Version des Hochdachkombis Kangoo (Rapid E-Tech) mit größerem Akku (45 kWh), mehr Power (90 kW) und mehr Ladeleistung (bis 75 kW DC).
Skoda: Mit dem Enyaq Coupé möchte die tschechische VW-Tochter die Erfolgsgeschichte ihres SUV Enyaq fortsetzen und im Markt für E-SUV-Coupés keinesfalls dem etwa baugleichen ID 5, der Coupé-Version des ID 4, das Feld überlassen. Wie bei VW, so wird auch das Enyaq Coupé preislich über dem Enyaq liegen, dürfte allerdings die Preise seines Konzernbruders ID 5 (46.515 € für 128 kW und 82 kWh – vor Förderung) nicht erreichen.
Smart: Die Fahrzeuge der jetzt vollelektrifizierten Tochtermarke von Mercedes werden in China beim Mercedes-Partner Geely gebaut. Von dort wird der neu Smart dieses Jahr in völlig veränderter Form zu uns kommen: als kleines, viersitziges SUV.
Sony: Kommt da was, oder kommt da nichts? Jedenfalls hat Sony Anfang Januar auf der CES in Los Angeles einen SUV Vision-S02 präsentiert, nachdem man auf der CES 2020 bereits die Limousine Vision-S01 vorgestellt hatte. Zusammen erinnern die Autos frappierend an den Tesla 3 und den Tesla Y. Sollte also von Sony dieses Jahr noch etwas kommen, dann eher zum Jahresende.
Tesla: Derzeit sind sie nicht bestellbar, aber in der zweiten Jahreshälfte sollen sie wieder verfügbar sein: die überarbeitete Limousine Model S und das ebenfalls optimierte SUV Model X. Als „Plaid“-Version erhalten sie drei E-Motoren, die beim Model S, für eine Beschleunigung von 2,1 Sekunden auf 100 km/h, 322 km/h Spitzengeschwindigkeit und 637 Kilometern Reichweite sorgen.
Toyota: Lange hat sich japanische Auto-Riese geweigert, ein reines E-Auto auf den Markt zu bringen. Lange hat man sich mit teuren Wasserstoffautos und den bekannten Hybriden begnügt. Doch irgendwann scheint den Konzernlenkern aufgegangen zu sein, dass man Hybrid-Fahrzeuge jenseits der E-Fuels-Träumereien niemals CO2-frei bekommt. Jetzt also geht Toyota bei reinen batterieelektrischen Autos in die Offensive und will bis 2030 sogar 30 BEV-Typen in den Markt drücken. Den Anfang macht Mitte diesen Jahres ein Allerwelts-SUV mit dem höchst einprägsamen Namen bZ4X. Schauen wir mal, ob und wie Toyota in der BEV-Welt ankommt.
VW: Wie Skoda (s.o.), so bringt auch VW als Erweiterung seiner E-SUV-Palette ein SUV-Coupé namens ID 5 heraus: Akku-Größen von 82 kWh erlauben Reichweiten von ca. 500 km (WLTP), und damit etwas mehr als der weniger stromlinienförmige ID 4. Die Motorisierung liegt zwischen 128 und 220 kW, die Preise zwischen 46.515 und 53.615 € – den Umweltbonus nicht eingerechnet.
Noch spannender ist der elektrische Nachfolger des legendären VW Bulli, der ID Buzz, der Anfang März seine Premiere hat. Die Preise dürften bei 40.000 € beginnen.
Xpeng: Der junge chinesische Hersteller, in Deutschland weitgehend unbekannt, hat bei den weltweiten Absatzzahlen mittlerweile sogar NIO überholt und ist in Europa hauptsächlich in Norwegen sehr aktiv. Ob seine Fahrzeuge in diesem Jahr auch Deutschland erreichen, dürfte hauptsächlich von der Chip-Krise abhängen.
Fazit
Das Jahr 2022 wird die Elektromobilität nicht nur um viele neue E-Auto-Modelle bereichern, sondern auch neue Felder und damit Perspektiven erschließen: Mit dem Lightyear One kommt der erste echte Serien-Solar-PKW, mit dem MG 5 der erste E-Kombi im klassischen Format, und mit dem NIO das erste Auto mit serienmäßigem Wechsel-Akku.
Ein weiterer positiver Aspekt ist die Rückkehr der Stromlinie in den Automobilbau. Zwar hat noch keine Firma das Potential bei den cw-Werten wirklich ausgeschöpft, aber die Anzahl der klotzigen Druckwellen-Erzeuger bei den Fahrzeugtypen geht zurück, die Zahl der eleganten und windschnittigen Fahrzeuge nimmt zu, zumal die Stromlinie größere Reichweiten ohne größere Akkus bietet. Insgesamt wird 2022 ein spannendes Jahr für E-Autos.