20.01.2023
Luft nach oben
Eine Durchsicht von Jörg Sutter
Im vergangenen Jahr haben wir etliche Verbesserungen für die Umsetzung von PV-Anlagen gesehen: Mit dem EEG 2023 wurden die Zubauzahlen für die kommenden Jahre erhöht, die Vergütungssätze verbessert, größere Anreize für Volleinspeisung eingeführt. Kurz vor Weihnachten wurden für private Anlagen die steuerlichen Pflichten auf nahezu null abgesenkt. Viele dieser Verbesserungen werden in den kommenden Wochen noch zu Fragen führen. Auch wenn es in der Übergangszeit zeitweise komplizierter werden kann, überwiegen langfristig die Vorteile.
Doch es gibt weiter Luft nach oben, etliche weitere Randbedingungen sind technisch und politisch verbesserungsfähig und -würdig. Und mit der neuen Bundesregierung weht ein anderer Wind: Der Staatssekretär im BMWK Sven Giegold hat vor einiger Zeit explizit darum gebeten, Vorschläge für weitere Verbesserungen und Vereinfachungen einzureichen.
Gemeinschaftliches Papier zum Jahresende
Von vier Verbänden verfasst, wurde im Dezember ein Papier mit Vereinfachungsvorschlägen geschrieben: Das Bündnis Bürgerenergie (BBEn), die Bundesgeschäftsstelle der Energiegenossenschaften, der Solarförderverein Deutschland (SFV) und die DGS haben die Inhalte zusammengetragen und ausformuliert.
Das Papier träge die Überschrift „Regulatorische Vereinfachungen für Betriebsmodelle für Photovoltaik auf Mehrparteienhäusern“ und beginnt mit einer Analyse: Für die Energiewende ist ein gewaltiger Ausbau der PV notwendig – und vor allem die Dächer von Mehrparteienhäusern müssen jetzt angepackt werden. Über eine Viertelmillion Gebäude mit mehr als 12 Wohnungen sind eher für größere Mieterstromprojekte geeignet, in weiteren rund 6,5 Mio. Häuser mit je 2 bis 6 Wohnungen könnten Energieversorgungskonzepte vor Ort umgesetzt werden. Bedingung dafür: Es muss einfacher werden. Gerade bei der Mieterstromlösung des EEG wird deutlich: Trotz einiger Versuche in den vergangenen Jahren, die gesetzlichen Regelungen attraktiver zu machen, ist es nicht gelungen, einen Schub in der Umsetzung von EEG-geförderten Mieterstromprojekten zu erreichen. Hier muss politisch noch weiter verbessert und vereinfacht werden, damit auch dieser Bereich in Zukunft einen nennenswerten Beitrag für die Energiewende beitragen kann. Und ein grundsätzlicher Vorteil wird betont: Bei solchen Projekten wird die Energie direkt dort erzeugt, wo sie auch benötigt wird. Das gilt nicht nur für Photovoltaik auf den Dachflächen, sondern auch für die großen Potentiale an den Fassadenflächen, die auch heute nur in Ausnahmen mit Modulen belegt werden.
Verbesserungen für den Mieterstrom
Das Papier nennt konkrete Verbesserungsvorschläge:
- Befreiung von den Anmeldepflichten der Stromsteuer
Grundsätzlich fällt bis zu Projektgrößen von 2 MW keine Stromsteuer an. Damit ist es einfach, könnte angenommen werden, doch weit gefehlt: Die Grenze von 2 MW ist eine gesetzliche Ausnahme – und um die Ausnahme nutzen zu können, ist eine umfangreiche und nicht einheitlich geregelte Anmeldung beim Zoll notwendig. Die Verfasser des Papieres sagen: Weg damit, dieses Procedere kann vollständig entfallen. - Vereinfachung des Zählerkonzeptes
Der Vorschlag des Papieres: Analog dem kürzlich im Bundeskabinett auf den Weg gebrachten neuen Messstellenbetriebsgesetz sollen auch bei Mieterstrom- und ähnlichen Konzepten virtuelle Zählungen möglich werden. Das spart Aufwand bei der Planung und Kosten bei der Umsetzung. Trotzdem bleibt die Flexibilität wie bisher gefordert erhalten. Es soll auch Bewohner geben dürfen, die nicht bei einem Mieterstromprojekt mitmachen, auch für die muss eine saubere Stromabrechnung selbstverständlich möglich sein.
Technisch sieht das dann so aus: Ein Smart-Meter-Gateway wird als Infrastruktur am Netzanschlusspunkt installiert, während die einzelnen Haushalte jeweils mit einer modernen Messeinrichtung ausgestattet werden. - Netzanschlussverfahren vereinfachen
Eine Anmeldung eines solchen Versorgungsmodells mit einer größeren PV-Anlage an etliche Haushalte muss vorgenommen werden, doch hier lauert das nächste Problem: Das Anmeldeverfahren ist zwischen den Netzbetreibern nicht einheitlich, zusätzlich besteht oft das Risiko, dass das vorgesehene Messkonzept vom örtlichen Netzbetreiber nicht akzeptiert wird. Die Vorschläge des Papiers: Die Anmeldung vereinfachen, standardisieren und digitalisieren. Und einen bundesweit gültigen Katalog von Messkonzepten erstellen, auf den Investoren und Planer vertrauen können. - Vergütungshöhe
Während im EEG 2023 die Vergütungen für die Einspeisung bei Eigenversorgung und Volleinspeisung erhöht wurden (Ein Argument war die gestiegenen Kosten der Anlagen), wurde beim Mieterstromzuschlag nicht erhöht. Doch auch hier sind die Kosten gestiegen, finanzielle Anreize müssen geschaffen werden, entweder durch höhere Vergütung oder Abbau der Bürokratiekosten, um mehr Investoren zu locken. - Verträge vereinfachen
Mieterstromverträge müssen derzeit einige Vorgaben einhalten, neben der Laufzeit und einer Preisreduktion gegenüber dem Grundversorgertarif betrifft das insbesondere das Kopplungsverbot an Mietverträge. Ein Vertrag zum Bezug von Mieterstrom darf nicht verbunden sein mit dem eigentlichen Wohnungsmietvertrag – ein Problem, denn bei einem Mieterstromprojekt fließen die teils hohen Investitionskosten erst über Jahre (und viele Mieter, die mitmachen) wieder zurück. Zusätzlich wird derzeit gefordert, dass der Preis für die Mieter bei maximal 90 % des Grundversorgertarifes liegt – nicht nur zu Projektbeginn, sondern über die ganze Laufzeit. - Beschränkungen aufheben
Mieterstrom darf bislang nur in Gebäuden realisiert werden, bei denen mindestens 40% der Fläche zu Wohnzwecken genutzt werden. Auch diese Vorgabe könnte – aus Sicht der Autor:innen des Papiers – vollständig entfallen. Vorteil: Es würde auch ein Anreiz für Bürogebäude und gemischt genutzte Gebäude (also z.B. mit Laden und Wohnungen darüber) geschaffen.
Zu guter Letzt wird noch betont, dass die genannten Vorschläge der kurzfristigen Verbesserung der Rahmenbedingungen dienen, trotzdem aber auch langfristig gedacht werden muss. Die Neudefinition von Eigenversorgung bei Quartierslösungen hatte bereits der Deutsche Bundestag der Regierung ins Stammbuch geschrieben: Im Entschließungsantrag zum EEG 2023 wurde gefordert, dass weitergehend nicht nur strombasierte Lösungen, sondern auch sektorenübergreifende Versorgungsmodelle erleichtert werden sollen. Hoffen wir, dass die Vorschläge dieses Papieres ernst genommen werden und wir uns bald über weitere Verbesserungen freuen dürfen.