19.08.2022
Repowering: Alles wird besser
Eine Webinarreportage von Heinz Wraneschitz
„Repowering ist das Ersetzen älterer Windenergieanlagen durch modernere Anlagen mit einem höheren Wirkungsgrad.“ Die technische Definition des Bundesverbands Windenergie (BWE) ist zwar kurz und knapp. Doch die Tücke steckt im Detail. Gerade beim Repowering. Deshalb bietet der BWE 90-Minuten-Webinare dazu an. Die sollen Betreibern wie Planern helfen, die richtige Entscheidung zu treffen, wenn die EEG-Förderung einmal zu Ende ist: Stilllegung, Weiterbetrieb der alten Anlage ohne EEG – oder eben Repowering?
An diesem Dienstag war ich einer unter etwa 50 Teilnehmenden eines solchen Kurz-Webinars. Und ich muss im Nachhinein sagen: Wäre ich Planer oder Betreiber, dann würde ich sehr schnell die nächste Stufe dieser Informationsvermittlung buchen: ein ein- oder mehrtägiges Seminar, in dem das „Repowering von Windparks“ noch viel tiefgründiger angegangen wird.
Ein wahrer Text, aber...
„Kaum zu glauben, aber wahr: Die Windenergie in Deutschland kommt in die Jahre. Mit dem Energieeinspeisegesetz 1991 begann der unaufhaltsame Boom der Windräder, deren Zahl inzwischen von Ost- und Nordsee bis zu den Alpen auf 11.500 angewachsen ist, die eine Gesamtleistung von knapp 9.000 Megawatt (MW) repräsentieren. In der zurückliegenden Dekade haben sich Technik, Größe und Leistung der Mühlen enorm entwickelt. Der Austausch älterer, kleinerer Anlagen gegen moderne High-Tech-Turbinen wird in den kommenden Jahren in Deutschland zu einem weiteren Anstieg der Windkraftleistung führen.“ Klaus Jopp schreibt in diesem Beitrag im Handelsblatt von einer „Leistungserhöhung um den Faktor 4 durch Repowering“: Dem wird kaum jemand widersprechen.
Nur sei angemerkt: dieser Text stammt aus dem April 2002, ist also bereits 20 Jahre alt. Nicht aktuell sind darin allein die Zahlen: Momentan erzeugen in diesem unserem schönen deutschen Lande 29.731 Windkraftanlagen (WKA) mit einer installierten Gesamtleistung von 63.924 MW immerhin 23 Prozent des Stroms der Republik. Doch auch die daran beteiligten WKA kommen in die Jahre. Und deshalb ist Repowering heute wie vor 20 Jahren brandaktuell.
Tilo Wachter, der Referent dieses Tages ist seit einiger Zeit Geschäftsführer der Renerco Plan Consult GmbH. Doch er kann auf weit mehr als 20 Jahre Windenergie-Erfahrung zurückblicken. Er war schon beim Growian dabei. Diese zweiflügelige WKA mit 100 Metern Nabenhöhe und 3 MW Leistung stand laut Wikipedia „zwischen dem ersten Probelauf am 6. Juli 1983 bis zum Betriebsende im August 1987 die meiste Zeit still“. Und danach? Repowering war zu jener Zeit noch nicht angesagt, nur Abriss. Denn – wie schon vom Handelsblatt-Autor Klaus Jopp angemerkt: Erst 1991 trat, übrigens unter CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl, das so genannte Stromeinspeisegesetz (SEG) in Kraft, welches dem Ökostrom das Einspeiserecht zugestand. Und dank des SEG und später des von Rot-Grün im Jahr 2000 installierte EEG ging es aufwärts – mit Windkraft allgemein, aber konkret eben auch mit WKA-Leistungen und -Nabenhöhen.
Genau diese Aspekte – größere Nabenhöhen, Rotordurchmesser, Generatorleistungen – führt Tilo Wachter ganz vorne in der Argumentationskette „Repowering statt Weiterbetrieb oder Abriss“ an: „Durch die größere Höhe kommt man in immer bessere Windschichten hinein. Das kolossale Wachstum der Anlagen von Höhe und Rotor garantiert mehr Volllaststunden und weitaus mehr Energieausbeute.“ Doch nicht nur wirtschaftliche Aspekte sprächen für Repowering. „Auch für die Anwohner ist das gut: Kleine Anlagen rotieren wie verrückt, die großen Anlagen mit niedrigeren Drehzahlen bieten ein ruhigeres Erscheinungsbild. Jedes Repowering ist verbunden mit weniger Schallemissionen. Und: Die Vogelschlägigkeit wird niedriger, wegen der größeren Höhen, und weil es weniger Anlagen an einem Standort braucht.“
Wachter gibt zu, dass für ihn „standortverlagerndes kein echtes Repowering“ ist. Aber egal ob „standortverlagernd“ – Einzelanlagen werden in einem Repowering-Vorranggebiet konzentriert - oder „standorterhaltend“ – neue Anlagen ersetzen alte auf der bestehenden Wind-Fläche: Immer seien im Vorfeld die planungs- und genehmigungsrechtliche Zulässigkeit zu klären. Wobei Wachter die Hoffnung verbreitet: Das Recht zu bauen lasse sich in Zukunft leichter durchsetzen. Aus zwei aktuellen Urteilen von Verwaltungsgerichten sei zu entnehmen, dass die Justiz das von der Ampelkoalition im EEG 2023 eingeführte „überragende Interesse“ für den Bau Erneuerbarer Energieanlagen bereits jetzt berücksichtige.
Wann sollte man über Repowering nachdenken?
Für Wachter gilt: „Je später ich anfange, kann es zu spät sein. Ich halte es nicht für zu früh, sich nach zehn (von 20, d.Red.) EEG-Betriebsjahren erste Gedanken zu machen.“ Denn alleine für Planung und Bau der neuen Anlagen seien fünf Jahre üblich. Wer also früher anfange, an die Zukunft zu denken, habe „als Herr des Verfahrens nach hinten mehr Zeit. Ich habe dann überhaupt keinen Handlungszwang.“ Zum Beispiel, weil man mit der Sicherung der Grundstücksrechte über die ursprünglichen oft 25 Jahre hinaus nicht in Gefahr gerate, dass der Grundbesitzer bereits mit Dritten verhandle. „Wenn Sie die Grundstücksrechte verlieren oder die Anlagen Schrott sind, ist das alles gar nichts mehr wert“, sagt er ganz unverblümt. Und im Gegenzug können derzeitige Betreiber, sollten sie nicht selbst neu bauen wollen, „das Projekt verkaufen. Danach suchen viele. Man kann immer noch Geld verdienen mit einem Co-Investor oder dem kompletten Verkauf.“
Entweder selbst oder in Kooperation mit Finanzfachleuten entwickelte Szenarien für Repowering sollten insbesondere vier Fragen klären: Wie hoch sind die Realisierungschancen? Wieviel Geld müsste ich bis wann investieren? Was ist der alte Park eigentlich wert? Und – nicht zuletzt: Was wäre ein neuer Park wert? „Wenn Sie das wissen, können sie besser kalkulieren. Auch beim Verkauf“, macht der Referent deutlich.
Doch auch im Detail ist Repowering nicht ganz ohne, das gibt Timo Wachter gerne zu. Wenn beispielsweise 2005 eine Windkraftanlage mit 40-Meter-Rotorblättern gebaut wurde, sind diese heute üblicherweise 80 Meter lang. Ist dafür aber die alte Zuwegung zum Standort überhaupt geeignet? Auch um viele solcher speziellen Fragen zu klären, braucht es Zeit.
Zeit: die ist auch im BWE-Kurzwebinar ein Thema. Denn 90 Minuten reichen nicht einmal, um alle Aspekte von Repowering überhaupt nur anzusprechen. Geschweige denn, um alle 78 Vortragsfolien des Referenten konkret zu behandeln. Deshalb hat der Verweis von Moderator Yusuf Tatli auf die Tagesveranstaltungen seines Bundesverbands seine Berechtigung. Doch wenn sich die Teilnehmer trauen, „können Sie die Vortragsfolien als Vorlage nehmen. Es ist wie eine Anleitung Schritt für Schritt zum Repowering“, macht Tatli Mut auf Selbstversuche.
Tilo Wachter aber wiederholt in den 90 Repowering-Minuten einen Punkt immer wieder: Eine Stilllegung, also Abriss ohne Neuanlage, ist für ihn „nicht sinnvoll. Wenn man Schrottmühlen nicht repowered, wird viel Energie vernichtet.“ Dann schon lieber weiterbetreiben, bis gar nichts mehr geht mit der alten Windmühle. „Wenn kein Repowering geht, zum Beispiel aus Genehmigungsgründen, dann so lange wie möglich. Aber wo Repowering geht, sollte man es machen.“