19.06.2020
Geht umweltfreundliches Fliegen?
Kerosin auf Wasserstoffbasis soll die Lösung sein: Wenn ein „führendes Industriekonsortium Kräfte vereint, um klimaneutralen Transport durch die Bereitstellung von erneuerbaren Kraftstoffen zu ermöglichen“, dann ist das natürlich Grund genug für die DGS-News, bei der Präsentation dieser Pläne dabei zu sein.
„Generated from CO2 and water using 100 % Norwegian renewable electricity“: Mit diesem Versprechen, Wasser in Wein – nein, besser: umweltschädliches CO2 in umweltfreundliches Flugbenzin - zu verwandeln, trat am Mittwoch Norsk E-Fuel AS ans Licht der Internet-Öffentlichkeit. Die Technologie stammt im Wesentlichen von der Dresdner Sunfire GmbH.
Sunfire, 2010 gegründet, habe sich „als vertrauenswürdiger Partner global agierender Konzerne etabliert. 2016 wurde Sunfire als eines der zehn innovativsten Energieunternehmen weltweit ausgezeichnet“: So sieht sich das Unternehmen dank „raschem Wachstum und internationaler Reputation“ selbst.
„Power-Core“: So heißt Sunfires „Schlüsseltechnologie für die Produktion von Dampf-Elektrolyseuren“. Mit dieser Technik wird Wasserdampf in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) gespalten, und das „besonders effizient und mit erneuerbarem Strom“. Bisher wurde der so erzeugte H2 Wasserstoff in Power-to-Liquids-Prozessen „in Erdölersatz gewandelt sowie im Bereich H2-Mobilität oder in der Industrie direkt verwendet“ – nun soll also Ersatz-Kerosin daraus erzeugt werden.
Das dazu notwendige CO2 stammt aus Maschinen der Firma Climeworks AG aus der Schweiz. Eigentlich soll das per „Direct Air Capture Technologie aus der Luft gefilterte CO2 durch unterirdische Speicherung dauerhaft und sicher aus der Atmosphäre entfernt werden“, heißt es. Oder wie in diesem Fall ist es „als Rohstoff in einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft“ gedacht. Weitere Partner bei Norsk E-Fuel sind der in Luxemburg ansässige Anlagenbauer Paul Wurth S.A. sowie Valinor, eine „familiengeführte norwegischer Investmentfirma“
Die Vier zusammen bauen also nun „erste Anlagen in Herøya, Porsgrunn mit Produktionskapazitäten, um die CO2 Emissionen von Norwegens fünf wichtigsten Inlandsflugrouten um 50 Prozent zu reduzieren“. Wie es heißt, verbrauchen die Flieger auf den Linien von Oslo nach Bodø, Tromsø, Stavanger, Bergen und Trondheim 20 Mio. Liter Flugbenzin jährlich. Und genau die Hälfte davon – 10 Mio. Liter – soll die Modellanlage von Norsk E-Fuel jährlich herstellen. Voraussichtlich ab 2023: Bis dahin sei sie fertig, heißt es.
Der Wert „50 Prozent“ taucht übrigens ein zweites Mal auf, und zwar als Beimischungsfaktor. Denn der Ökosprit ist kein reiner, sondern nur ein halbe-halber. „Mehr ist wegen der Zertifizierung des Flugbenzins nicht erlaubt“, ist in der Webkonferenz zu erfahren. Welche Zertifizierung Karl Hauptmeier, der Geschäftsführer von Norsk E-Fuel genau meint; ob versucht wird, eine 100-Prozent-Ökovariante zu zertifizieren – darauf gibt es keine Antwort. Nur der pauschale Hinweis: irgendwelche „Partner wissen, wie man die Zertifizierung vorantreibt“.
Anderswo als in Norwegen – also zum Beispiel in Deutschland – wird bei alternativen Öko-Kraftstoffen zuerst an solche für Autos gedacht. Doch seine Firma konzentriere sich auf „Flugbenzin, weil das der Markt ist, wo es zeitnah keine anderen Lösungen geben wird“, so Hauptmeier. Über die potenziellen Abnehmer ihrer ersten Produkte schweigt sich das Konsortium zwar aus, aber „es gibt mehr als genug“ laut Carl Berninghausen von Sunfire.
Deshalb haben die Verantwortlichen schon vor dem Bau der ersten Anlage die Hochskalierung auf eine 100-Mio.-Liter-Anlage im Kopf. „Bis 2026, die spart 250.000 t CO2 im Jahr“ laut Hauptmeier. Wann man aber soweit sein will, einen tatsächlich messbaren Anteil am weltweiten Flugbenzinverbrauch zu liefern – allein über Deutschland werden jährlich 8.500 Mio. Liter in die Luft geblasen - steht demnach in den Sternen.
Und auch, wie die Herstellung so billig werden soll, dass man mit Marktpreisen (hier von 2017) konkurrieren kann, wurde nicht erklärt: Etwa 1,50 Euro würde die Produktion kosten, war Hauptmeiers von starken Fremdgeräuschen überlagerten Ausführungen zu entnehmen.
Genauso schlecht verständlich war die Antwort auf die Frage nach dem Energieverbrauch der Elektrolyse. 17 Kilowattstunden (kWh) soll für die Produktion eines Liters Ökokerosin-Rohstoff aufgewendet werden. Ob darin der Bedarf für die CO2-Abtrennung aus der Luft enthalten ist, blieb offen. Dagegen wurde die Größenordnung der „modularisierten Anlagen“ klar: um 100 Mio. Liter in Serie herzustellen, ist eine Grundfläche von 40.000 qm notwendig. Und für die 10-Mio.-Liter-Modellanlage sind 90 Mio. Euro Investitionen nötig. Nur dafür werde Förderung beantragt, später sei „die Finanzierung kein Problem“, so Carl Berninghausen: „Wir haben Partner, die dazukommen wollen.“
Übrigens: Valinor ist auch noch „die Muttergesellschaft des größten norwegischen privaten Windkraft-Entwicklers Norsk Vind“ (Eigenwerbung). Deshalb könnte man auf den ersten Drücker denken: Der Ökostrom für die Wasser-zu-Flugsprit-Anlagen kommt aus Windkraftwerken. Doch so klar ist das nach besagtem Webinar nicht. Vielleicht sind es ja auch Wasserkraftwerke? Positiv stimmt aber die Aussage von Valinor-Mann Pål Valseth: „Man kann die Anlagen dorthin stellen, wo überschüssige Regenerativ-Energie existiert.“ Die Dezentralität scheint also bei der in großem Stil geplanten Öko-Flugspritproduktion möglich.