19.05.2023
Klimakrise – bringen uns die Reichen um?
Ein Meinungsbeitrag von Götz Warnke
Die Niederlande sind traditionell ein offenes, liberales Land, das gutwillige Fremde gern willkommen heißt: Während z.B. im 17. Jahrhundert überall in Europa Juden verfolgt wurden, ja sich verschiedene christliche Konfessionen nächstenliebend die Köpfe einschlugen, herrschte in Holland ein hohes Maß an Toleranz. Selbst Juden durften dort ihre Gotteshäuser bauen – die Sephardische Synagoge in Amsterdam von 1675 ist heute noch immer einen Besuch wert! Und jetzt will dieses liberale Land auf seinem Hauptstadt-Flughafen Schipol in Amsterdam ab 2025 Starts und Landungen von Privatjets verbieten – das Ende der Liberalität, nichts mehr mit Willkommenskultur?
Nein, das Verbot hat Umwelt- und Klimaschutz-Gründe: Der Luftverkehr und insbesondere die Privatjets haben nach der Pandemie erheblich zugenommen. Das führt nicht nur zu mehr belastendem Lärm, sondern auch zu unakzeptablen Klimagas-Emissionen – Privatjets emittieren pro Passagier rund 20mal mehr CO2 als Linienflüge. Zudem gehen 30-50 Prozent dieser Privatflüge zu auch mit Linienflügen gut erreichbaren Kurzstreckenzielen wie Ibiza, Cannes und Innsbruck. Allein im letzten Jahr ist laut einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie die Zahl der Privatjetflüge in Europa gegenüber 2021 um 64 Prozent auf 572.806 Flüge gestiegen, welche 3.385.538 t CO2 verursachten – was etwa den durchschnittlichen CO2-Emissionen von 555.000 EU-Einwohner:innen pro Jahr entspricht.
Allein von deutschen Flughäfen gab es 2022 94.000 Privatjet-Starts, wie Recherchen von NDR und Süddeutscher Zeitung ergaben, davon über 56.000 zu Kurzstreckenflügen unter 300 km.
Im Gegensatz zur sonstigen Luftfahrt müssen Privatjets auch nicht am EU-Emissionshandel teilnehmen und teure CO2-Emissionsrechte kaufen. Immerhin wollen zumindest Belgien und Frankreich den CO2-Ausstoss solcher Privatjets endlich besteuern.
Doch das ist erst „die Spitze des Eisbergs“: Noch klimafeindlicher als die Jets sind die Superyachten, die ganzjährig für ihre Eigner in Bereitschaft gehalten werden und ggf. mal eben dorthin fahren, wo ihr Besitzer mit dem Privatjet hinfliegen und an Bord kommen will. An der Spitze der Klimavernichter vor dem russischen Angriffskrieg stand der russisch-israelische Oligarch Roman Arkadjewitsch Abramowitsch mit mehreren Motoryachten und 33.859 Tonnen CO2-Äquivalenten, was etwa den Klimagas-Emissionen von 3.300 Bundesbürgern entspricht. Für den französischen Soziologen Grégory Salles sind diese Superyachten "ein Symbol des heutigen, quasi exhibitionistischen Kapitalismus"*. Letztlich sind Superyachten so etwas wie Schlösser, nur dass nicht mehr der Reisende daran vorbeikommen muss, sondern der Besitzer diese „Wasserschlösser“ in alle Welt vor die Augen des Publikums manövrieren kann, um anderer Anerkennung, Bewunderung und Neid einzuheimsen. Immerhin: Viele der Oligarchen-Yachten sind zumindest jetzt stillgelegt.
Doch es sind nicht nur die Superreichen und Reichen, die auf Kosten des Klimaschutzes, und damit zu Lasten der gegenwärtigen und künftigen Erdbewohner leben. Kürzlich zeigte ein TAZ-Artikel unter dem Titel „Zu viel Knete killt das Klima“, dass die Emissionsungleichheit schon bei monatlichen Haushaltsnettoeinkommen über 7.500 Euro, noch deutlicher bei 10.000 bis 18.000 Euro stark zunimmt. Dieser Personenkreis hat zwar keine dicken Superyachten, dafür thront er häufig in dicken SUVs, besitzt Pferde, wohnt in großen Häusern.
Es gibt andere Mittel als Enteignung
Was also tun? Die Reichen einfach enteignen? So allgemein ist das weder ethisch noch juristisch zu begründen. Zum einen ist nicht jeder Reiche automatisch ein „Klima-Schwein“. Ein dauerhaft bettlägeriger Milliardär wie Howard Hughes in seinen letzten Lebensjahren produziert u.U. weniger Klimagase als die nach Thailand fernfliegenden deutschen Klima-Kleber. Ein Land besitzender Milliardär wie Douglas Tompkins kann klimapositiver sein als der deutsche Durchschnittsbürger. Und manches Luxushobby wie das Sammeln von Gemälden oder von Fabergé-Eiern ist nicht klimafeindlicher als Allerweltshobbys wie das Grillen oder das Fahren alter „Ami-Schlitten“. Klimagasemissionen hängen am eigenen Handeln, stehen in der individuellen Verantwortung; auch Reiche können sich nicht aus der Verantwortung herausreden nach dem Motto: „Ich bin reich, und daher sind hohe Klimagasemissionen einfach unvermeidbar.“
Hinsichtlich einer Enteignung gibt es auch juristische Grenzen, die in Artikel 14 des Grundgesetzes (GG) festgelegt sind, dessen Abs. 1 das Eigentumsrecht grundsätzlich garantiert, dessen Abs. 2 ausführt: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“, und dessen Abs. 3 klarstellt: „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.“ Auch wenn das wohl einigen linken Sozialpolitikern nicht behagt: Die Absätze 2 und 3 meinen gerade nicht, dass die Reichen im Sinne der Umverteilung ein Teil ihres Vermögens abtreten, damit das Marx’sche Lumpenproletariat sich größere Fernseher und Schnapsmengen leisten kann. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums meint allerdings, dass dieses auf gesetzlicher Basis ggf. entzogen werden kann, wenn das Eigentum zu Rechtsverstößen benutzt wird. Die praktizierte Einziehung von Waffen, Rauschgift und gefährlichen Hunden gehören ebenso hierher wie die Schließung von Lokalen wegen Baumängeln oder Hygieneverstößen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Hier sind wir nun wieder beim Klimaschutz: Wir brauchen bundes-, ja besser noch europaweit verbindliche Regeln, die den extrem klimafeindlichen Fortbewegungsluxus der Reichen unterbinden. Dann bleibt das Landeverbot in Schipol keine Ausnahme, die man ggf. durch Landungen in Münster oder Köln umgehen kann. Ebenso muss es – leider bisher noch nicht im Fokus – Anlande- und Ankerverbote in unseren Hoheitsgewässern für große, fossil getriebene Motoryachten geben. Auch wenn dadurch die Privatnutzung „fossiler Verkehrsmittel“ stark eingeschränkt, ja in Europa verunmöglicht würde, so handelt es sich nicht um eine Enteignung, sondern um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums, die klimapolitisch dringend notwendig ist. Das hat nichts mit Sozialneid zu tun oder mit dummerhaften und kontraproduktiven Ideen wie den Superreichen ihren Spaß zu verderben.
Nein! Es geht nicht um Emotion, sondern um Physik. Und die verhandelt bekanntlich nicht.
Fazit
Es ist aus Klimaschutzgründen dringend geboten, solche Nutzungsbeschränkungen wie in Schipol auch europaweit für fossil getriebene Privat-Jets und -Yachten zu erlassen, weil das diesbezügliche Nutzungsverhalten der Reichen exorbitante Klimagasemissionen nach sich zieht und die Glaubwürdigkeit von Klimaschutzmaßnahmen unterminiert. So müssten dann Reiche, die meinen, nicht auf ein Privatflugzeug oder eine Yacht verzichten zu können, künftig auf E-Flugzeuge und Segelyachten umsteigen. Zumindest bei den E-Flugzeugen hätte das noch einen doppelt positiven Effekt: Die Emissionen würden schlagartig zurück gehen, und die Reichen würden als First Mover das elektrische Fliegen günstiger machen.
* Grégory Salles: „Superyachten. Luxus und Stille im Kapitalozän“, übers. von Ulrike Bischoff, Suhrkamp 2022