19.03.2021
Ist Naturschutz klimafeindlich? Teil I: Photovoltaik? Jein, danke!
Eine Analyse von Götz Warnke
In der vergangenen Woche machte eine Pressemitteilung von der Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern (VWB) e.V. und dem Landesverband Bayerischer Wasserkraftwerke (LVBW) eG unter dem Titel Will der Naturschutz die Wasserkraft zerstören? die Runde. Grund war ein Positionspapier Acht Mythen zur Kleinwasserkraft, welches die Verbände WWF, BUND Naturschutz in Bayern, Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV), Landesfischereiverband Bayern sowie der Bayerische Kanu-Verband veröffentlicht hatten.
Die Vorwürfe der Verbände an die Wasserkraft: Die Kleinwasserkraft würde weder einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende noch zum Klimaschutz leisten; sie stelle für die Fische eine Barriere dar und trage zum Rückgang der Fischbestände bei; sie sei weder für den Hochwasserschutz noch für die Grundwasserstand-Stabilisierung notwendig; von ihr würden nur wenige Arten profitieren, und was durch ihre Rechen an Müll aus den Flüssen gefischt werde, sei nur Makroplastik.
Die Forderung der Verbände: Rückbau von Querbauwerken und eine naturverträgliche Energiewende ohne Ausbau der Wasserkraft. Die Betroffenheit der bayerischen Wasserkraftwerker, die z.T. ihre Anlagen an Jahrhunderte alten Standorten betrieben, ist in der Pressemitteilung angesichts des "Generalangriffs" der Naturschutzverbände deutlich spürbar.
Immerhin genießt der Naturschutz heute ein hohes gesellschaftliche Ansehen, und erfährt daher medial starke Beachtung und Wertschätzung. Die Natur zu schädigen, gegen den Naturschutz zu sein, ist daher fast schon ein Sakrileg. Der Naturschutz steht für das Gute, Wahre und Schöne schlechthin. Alle Parteien, von rot bis braun, machen hier zumindest verbal ihre "Verneigungen". Kritik am Naturschutz wird möglichst nicht, und wenn, nur verhalten geäußert. Doch wie bei allen Dingen, die von Gesellschaften in den Himmel gehoben werden, gibt es hinter dem schönen Schein viele Unklarheiten, Widersprüchlichkeiten und dunkle Seiten.
Was ist Natur überhaupt? Ist sie wandelbar oder statisch ("Natur gehört zu dem, was bleibt und sich nicht selbst vernichtet.") Ist sie eher ambivalent oder Apriori gut - und wenn letzteres, wie sind Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche, Erdbeben und Stürme einzuordnen, die ganze Tier- und Pflanzenpopulationen ausrotten? Ist die Natur eine eher emotional oder eher rational zu erfassende Größe? Ist der Mensch ein Teil der Natur, der wie etwa ein Biber auch umgestaltend eingreifen kann? Oder ist er ein Makroparasit bzw. ganz außerhalb der Natur stehend (Natur vs. Kultur)?
Je mehr man unsere gesellschaftlichen Ideologien bezüglich der Natur hinterfragt, desto unklarer, ja zweifelhafter wird, was der Naturschutz überhaupt schützen soll.
In den letzten Jahren ist neben den Naturschutz und den Umweltschutz auch noch der Klimaschutz getreten. Letzterem geht es nicht um den Schutz bestimmter schöner Landschaften und den Erhalt einzelner Tierarten - hier geht es ums Ganze, um die Stabilisierung der Erdtemperaturen in einem lebensfreundlichen Korridor, um den Erhalt unserer Biosphäre. Natürlich versuchen Naturschutzverbände wie BUND, NABU oder WWF - unter dem Motto "Naturschutz ist Klimaschutz" - das Schicksalsthema Klimakrise für sich zu vereinnahmen. Doch so simpel ist das nicht: Während einzelne Teile des Naturschutzes wie z.B. die Erhaltung von Mooren und alten Wäldern große Bedeutung für den Klimaschutz haben, sind andere Bereiche wie z.B. der Schutz des Landschaftsbildes, aber auch der Schutz einzelner Tierarten dafür völlig irrelevant. Und der von Naturschutzverbänden betriebene Kampf gegen die Erneuerbaren Energie ist sogar klimafeindlich:
Beispiel Photovoltaik
Nicht, dass man in Naturschutzkreisen prinzipiell gegen PV wäre - was sich auch den Zeitgenossen kaum vermitteln ließe - ; jedoch sobald es um Freiflächenanlagen geht, kommt das große "JA, ABER" bei den Flächen: Militärische Übungsplätze? Bitte nur, wenn sich dort kein Trockenrasen u.ä. angesiedelt hat! Aufgelassene Kiesgruben? Nein, die müssen renaturiert werden! Dauergrünland? Geht gar nicht! Und das, obgleich dort Schafe zwischen den Modulen weiden könnten. Auf freier Fläche bauen? Nur mit einem Mindestabstand von 500 m zu Hochmooren! Und am Rande von Lärm und Feinstaub emittierenden Bahnstrecken? Besser nicht! Andere Naturschutzverbände zeigen ihre nicht am Klimaschutz orientierten Prioritäten kurz und knapp: Nach "Bei Solarfeldern auf landwirtschaftlich genutzten Flächen sind zu berücksichtigen:" kommt gleich als erster Unterpunkt: "die Auswirkungen der Anlage auf das Landschaftsbild ..." Die kritisch bis ablehnende Haltung gegenüber der Freiflächen-Photovoltaik ist bei den Naturschutzverbänden durchaus kein Einzelfall. Dabei könnten gerade Freiflächen-Solaranlagen eine Menge für Klima- und Artenschutz leisten.
Ist Naturschutz klimafeindlich? Teil II: Windkraft, Wasserkraft und Natur