18.12.2020
Geoengineering: Der Griff in die große Werkzeugkiste
Eine dystopischer Ausblick von Matthias Hüttmann
Im Rahmen der DGS-News haben wir schon ausführlich darüber berichtet und eine ganze Serie darüber veröffentlicht. Unter Geoengineering versteht man groß angelegte Maßnahmen zur Intervention in den Ozeanen, Böden und der Atmosphäre der Erde. Das Ziel: Die Auswirkungen des rasanten und gefährlichen Klimawandels - zumindest vorübergehend - zu reduzieren. Auch darüber, dass Geoengineering als lukratives Geschäft angesehen wird, haben wir schon des Öfteren berichtet.
Jetzt ist zu lesen, dass China im großen Maßstab in die Wettermanipulation einsteigt, um die Folgen des Klimawandels und insbesondere die Wasserknappheit zu begrenzen. In einem Bericht des britischen Guardian mit dem Titel China is scaling up its weather modification programme – here's why we should be worried schreibt Arwa Mahdawi, dass im Reich der Mitte mit dem sogenannten „Cloud Seeding“ begonnen werden soll. Damit wird schon länger experimentiert, unter anderem auch in Großbritannien und den USA, also an sich nichts Neues. Wenn China jedoch jetzt beginnen will, mit dieser Methode „am offenen Herzen“ also an unserem Planeten zu experimentieren, ist das sehr wohl neu. So schreibt Mahdawi: „China hat seine Bemühungen, das Wetter zu kontrollieren, massiv ausgeweitet, ein Schritt, der uns alle alarmieren sollte“. Laut ihres Artikels, hat China zwischen 2012 und 2017 bereits mehr als 1,34 Mrd. Dollar investiert, um die eigene Wasserknappheit zu bekämpfen. Was aber jetzt geplant sei, hätte ein ganz anderes Ausmaß. Anfang dieses Monats soll der chinesische Staatsrat angekündigt haben, dass ein Programm zur „Veränderung“ des Wetters bis 2025 etwa die Hälfte des Landes abdecken werde. Es ziele darauf ab, Regen und Schnee in einem Gebiet zu kontrollieren, das mehr als anderthalb Mal so groß wie Indien, oder auch 20 Mal so groß wie das Vereinigte Königreich ist.
Hintergrund
Wasserknappheit ist eine der Folgen des rasanten Klimawandels. Sie betrifft mittlerweile mehr als drei Milliarden Menschen auf der Welt, die Hälfte davon leidet unter schwerer Wasserknappheit. Die UNO schätzt, dass bis 2030 bis zu 700 Millionen Menschen durch Wasserknappheit vertrieben werden. Eine der „Folgen“: Mittlerweile werden an der Wall Street Wasser-Futures gehandelt. Das könnte lukrativ sein, bekanntlich war das letzte Jahrzehnt das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. Und es wird wohl so weitergehen, sollten wir uns nicht bemühen, das Pariser Klimaschutzabkommen ernsthaft umzusetzen. Vielleicht kommt ja auch ein kleiner Schub aus den USA, die Ihren Rücktritt vom Abkommen aller Voraussicht nach wieder revidieren werden.
New Climate War
Apropos USA, apropos Geoengineering. Mit der Klimapolitik beschäftigt sich der US-amerikanische Klimaforscher Michael E. Mann schon lange. In seinem neuen Buch, das Anfang nächsten Jahres erscheinen wird, spricht er auch Thema Geoengineering ausführlich an. Mann beschreibt dort die grundlegenden Risiken einiger der bekanntesten Geoengineering-Konzepte. Das Grundproblem bestehe letztlich darin, dass das Herumbasteln an einem komplexen System, das wir nicht vollständig verstehen, ein monumentales Risiko mit sich bringt. Denn so seine Einschätzung, wüssten wir nicht, was wir alles nicht wissen. Er schreibt darin auch, dass es zu befürchten sei, dass Geoengineering zu einer moralisch scheinbar notwendigen Ergänzung zu Klimaschutzmaßnahmen werden könnte. Geoengineering könnte auch ein „einfacher“ Weg sein, die Notwendigkeit eines echten Systemwandels zu vermeiden oder zu reduzieren. Nicht nur wegen der wachsenden Widersprüchlichkeit von spekulativen und riskanten Geoengineering-Technologien sollte man diesen Werkzeugkasten verschlossen halten. Vor allen angesichts der zunehmenden Beweise, dass es bei der Bewältigung der Klimakrise weniger um Technologie als um politischen Willen geht, dürfe man sich nicht von Technokraten und wirtschaftlichen Interessen blenden lassen. Schließlich appelliere Geoengineering auch an die Verfechter der freien Marktwirtschaft, denn es spiele mit der Vorstellung, dass marktgesteuerte technologische Innovationen jedes Problem ohne staatliche Intervention oder Regulierung lösen könne.
Ein weiterer grundlegender Knackpunkt beim Geoengineering ist im Übrigen, dass auch politische und ethische Komplikationen damit einhergehen könnten. Denn zum einen stelle sich die Frage, wer den globalen Thermostat einstellen darf und zum anderen, dass mit Hilfe von Geoengineering auch leicht ganz neue Formen globaler Konflikte vorstellbar wären. Zum Beispiel, wenn es Schurkenstaaten einsetzen, um das Klima auf eine für sie optimale Weise zu kontrollieren. Bei dem andauernden Konflikt im Nahen Osten ginge es bekanntlich immer auch um den Zugang zu knappen Süßwasserressourcen. Geoengineering könnte dort als Waffe dienen, die dort andauernden Konflikte anzuheizen. Für unsere Region könnte man sich ähnliche Szenarien vorstellen. Man muss nur an das rasante Sterben der Wälder denken.
Der Text für die deutschsprachige Ausgabe des Buchs von Michael Mann wird gerade produziert, d.h. das Buch wird gerade in diesem Moment übersetzt. Die DGS wird, wie auch schon bei dem Vorgängerwerk „Der Tollhauseffekt“, dabei Herausgeber sein. Hier können Sie es vorbestellen.
Hinweis
Auf der Website „Geoengineering Monitor“ findet man Merkblätter zu den unterschiedlichsten Methoden des Geoengineering. Meist sind diese "Technologien" hypothetische Vorschläge von verschiedenen Befürwortern des Geoengineerings. Geoengineering-Technologien können im Übrigen nach verschiedenen Ansätzen kategorisiert werden (Sonneneinstrahlung, Kohlendioxidabbau, Wetterveränderung) oder nach dem Ort, an dem sie in das planetarische Ökosystem (Land, Luft, Wasser) eingreifen wollen.
Geoengineering Monitor ist ein Gemeinschaftsprojekt von Biofuelwatch, und ETC mit Unterstützung der Heinrich Boell Stiftung. Biofuelwatch ist eine nichtstaatliche Umweltorganisation, die sich mit den negativen Auswirkungen industrieller Biokraftstoffe und Bioenergien einsetzt. ETC ist die „Action Group on >Erosion, Technology and Concentration<, ausgesprochen "et cetera", eine internationale Organisation, die sich der "Erhaltung und nachhaltigen Förderung der kulturellen und ökologischen Vielfalt und der Menschenrechte" verschrieben hat. Eine interaktive Landkarte über aktuelle Geoengineering-Projekte, auch in Ihrer Nähe (?) finden Sie hier: https://map.geoengineeringmonitor.org