18.06.2021
Atomendlager-Konferenz: Die Knaller kamen hinterher
Der Versuch einer Berichterstattung von Heinz Wraneschitz
Am Montag danach platzte Kerstin Ciesla der Kragen: „Außerhalb der "Blase" hat doch überhaupt niemand mitbekommen, dass es Teilkonferenzen gibt! Also Öffentlichkeitsarbeit sieht anders aus.“ Wohl auch deshalb hatte sich die Aktive von BUND Naturschutz aus Duisburg nach drei Tagen „2. Fachkonferenz Teilgebiete Atomendlager“ auch noch zu einer Aussprache darüber angemeldet.
Beileibe nicht nur Ciesla war vom zweiten Beratungstermin frustriert. Einerseits, weil die Konferenz von Donnerstag bis Samstag lief. „Bürger*innen mussten sich dafür eigens Urlaub nehmen, Behörden-Vertreter bekommen doch sogar für Wochenend-Arbeit Ausgleich“, hieß es mehrfach. Doch weil die Abstimmungen nach Köpfen stattfinden, hat diese stark vertretene Gruppe auch für die 3. Konferenz am Freitag und Samstag gestimmt – also wieder ein Urlaubstag für Bürger*innen.
Doch diesmal fiel ausgerechnet am Donnerstag die Hälfte der geplanten Arbeitsgruppen aus, wofür sich augenscheinlich viele extra Urlaub genommen hatten. Die Erklärung: „Technische Probleme im Rechenzentrum eines Dienstleisters.“
Dieser Ausfall ist nicht der ehrenamtlichen Tagungsleitung anzulasten, sondern liegt im Verantwortungsbereich des BASE, des Bundesamts für die Sicherheit der Nuklearen Entsorgung. Beim BASE sitzt die Geschäftsstelle für die Organisation der Fachkonferenz. Und wie zu hören war, hatte niemand daran gedacht, für die gesetzlich vorgeschriebene Tagung vorsorglich einen alternativen Server in Deutschland zu reservieren.
Zwar werden die ausgefallenen Arbeitsgruppen und Infoangebote nun zügig nachgeholt – an Wochentags-Abenden. Doch an denen stehen gerade bei ehrenamtlich Tätigen in Corona-Zeiten ohnehin schon jede Menge Online-Termine im Kalender. Den Austausch auf einer Konferenz könnten die ohnehin nicht ersetzen, wurde vielfach bedauert.
Wobei der Austausch der Teilnehmenden untereinander auf dieser Tagung ohnehin eingeschränkt war. Denn nicht jede*r hatte sofort begriffen, wie die angebotenen Kaffeetischrunden funktionieren. Und weil alle Angemeldeten, nicht nur die Anwesenden aufgelistet waren, war auch die interne Chat-Funktion schwer zu nutzen.
Für jene Arbeitsgruppen (AG), die dann doch noch stattfanden, hatte sich das von BASE beauftragte Moderationsteam jeweils einen Ablaufplan zurechtgelegt. Von dem wurde auch nicht abgewichen. Weshalb im Nachtarock am Montag beispielsweise Eva Bayreuther von der Oberfränkischen Koordinationsstelle zur Atommüllendlagersuche resümierte: „In den Untergruppen der AGs meldete sich niemand zu Wort. Sehr sehr zäh“ sei das gelaufen; „die Bürger erhoffen sich Information“. Monika Müller vom Nationalen Begleitgremium Endlagersuche (NBG) bewertete die Anmerkung so: „Es fehlen die Erklärbären.“ Bei der vom NBG angebotenen Montagsrunde „Rückblick: Wie lief die 2. Fachkonferenz?“ war jedenfalls kaum etwas von echten Ergebnissen zu hören, sondern vor allem Kritik.
Ein Hauptproblem für die aus der gewählten, ehrenamtlichen AG Vorbereitung der Fachkonferenz (FK) kommenden Tagungsleitung scheint: Offiziell ist die FK zwar selbstorganisierend. Doch einerseits „versteht unter Selbstorganisation jede*r etwas anders“, wie übereinstimmend festgestellt wurde. Und andererseits liegt die hauptamtliche Arbeit für Vorbereitung und Durchführung bei der Geschäftsstelle der FK. Und die wiederum ist der Behörde BASE zugeordnet.
Wenigstens gesteht sich die eigentlich für die Standortfindung zuständige Bundesgesellschaft für Endlagersuche BGE inzwischen ein: Sie hat Probleme, die Öffentlichkeit über das Verfahren aufzuklären. Was passierte, als die BGE im Herbst 2020 den „Zwischenbericht“ vorlegte, das erklärte am Montag die bei der BGE für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Dagmar Dehner so: „Wir waren dem nicht gewachsen, wir waren organisatorisch nicht darauf vorbereitet. Man lernt auch dazu, dass eigene und öffentliche Wahrnehmung total auseinander laufen können.“ Und: „Wir haben immer noch keine gute Darstellungsform gefunden.“
Auch das NBG, vom Bund beauftragt, die Suche neutral zu begleiten und „für ein faires Verfahren“ zu sorgen, hat inzwischen erkannt: „Der Rollenkonflikt zwischen Aufsicht und Öffentlichkeitsbeteiligung wird bislang nicht ausreichend adressiert. Das NBG möchte daher einen Mechanismus etablieren, in dem ein wechselseitiger, konstruktiver Austausch im Institutionengeflecht stattfindet“, wurde in der jüngsten Sitzung beschlossen. Ob die vom Endlager Betroffenen da mitreden dürfen, ist aus dem Beschluss nicht zu erkennen: Dort ist nur von einem „Runden Tisch der Institutionen“ die Rede.
Dennoch haben sich auch bei der zweiten FK wieder zahlreiche Menschen zur Wahl für die AG Vorbereitung (AGV) der nächsten Tagung gestellt. Eine ist Sabrina Kaestner (CSU), seit 2020 1. Bürgermeisterin der Stadt Marktleuthen im Fichtelgebirge, einem potenziellen Endlager-Standort.
Kaestner wurde zum zweiten Mal in die AGV gewählt. Warum sie mitmacht? „Es müssen auch Leute in der AGV sein, die noch nicht das komplette Wissen über Atom, Endlager und Wirtsgesteine haben“ sagt sie. Denn auch das war bei der 2. FK erkennbar: Die Diskussion unter Fachleuten nahm massiv zu. Dabei soll die Konferenz doch nicht zuletzt Bürger*innen das Wissen vermitteln, damit die später die Endlagerauswahl konstruktiv begleiten können. Denn dass wir eines brauchen, steht für alle Beteiligten außer Frage.
Der Hammer vom Begleitgremium NBG
Doch für den Weg dahin ist dem NBG das im Standort-Auswahlgesetz StandAG festgelegte Vorgehen nicht stimmig. „Die Fachkonferenz und der Zwischenbericht Teilgebiete passen nicht zueinander“, erklärte das Begleitgremium am Mittwoch eindeutig und „konstatiert aus dem zweiten Beratungstermin: Die Fachkonferenz kann ihre gesetzlichen Aufgaben, nicht vollständig erfüllen, denn die wissenschaftliche Arbeit der BGE zur Auswahl der zu erkundenden Standortregionen hat gerade erst begonnen.“ Bundesumweltministerium und BASE müssten „jetzt auf die Interessierten zugehen und gemeinsam einen guten Beteiligungsplan für die nächsten Jahre entwickeln.“
Fachkonferenz „Zwischenbericht Teilgebiete“ – was ist das?
Das StandAG, das Standort-Auswahlgesetz des Bundes schreibt drei Beratungstermine zum sogenannten Zwischenbericht vor. Doch obwohl – oder gerade weil? - etwa die Hälfte der Republik potentieller Endlager-Standort ist, scheinen sich nur wenige Bürger*innen hierzulande wirklich betroffen zu fühlen. Angemeldet hatten sich zum zweiten Termin gut 1600 Menschen. Die konnten sich selbst aussuchen, ob sie als „Bürger, Wissenschaftler, Kommunalvertreter, Beobachter“ jeweils aller Geschlechter teilnehmen wollten: Nur für Mitarbeitende der zuständigen Behörden von Umweltministerium bis zu Bundesämtern war der Eintrag als „Beobachter“ Pflicht.
Pflicht ist es aber trotz Anmeldung nicht, wirklich teilzunehmen: Online waren diesmal durchschnittlich gut 500 Personen, davon jeweils um die 100 als Bürger*innen eingetragene. Beim ersten Beratungstermin hatte die durchschnittliche Online-Zahl bei etwa 700 gelegen.
Der dritte und letzte Beratungstermin steht bereits fest: 7. bis 8. August.