18.04.2019
Vom Solarfreund zum Klimaschützer
Die Solarenergie und diejenigen, die sich dafür einsetzen, seien seine große Hoffnung, so äußerte sich vor fast zehn Jahren der Klimaforscher Professor Hans Joachim Schellnhuber in einem Vortrag vor der Jahrestagung des Forschungsverbundes Erneuerbare Energien (FVEE) in Berlin. Diese öffentliche Zuweisung mag für viele nicht unbedingt neu und überraschend gewesen sein. Aber für andere wiederum markierte dies einen Umschwung, ja einen Paradigmenwechsel, der bis heute anhält. Es ist der Weg vom begeisterten Solarfreund zum Klimaschützer. Er beinhaltet den Wandel im Selbstverständnis jedes einzelnen, aber auch der Organisation. Die DGS erlebt dies ebenso wie andere Solarorganisationen, wie etwa Eurosolar oder der Solarenergie-Förderverein (SFV), um nur zwei zu nennen.
Dieser Prozess öffnet Blick zu neuen Themen und Betrachtungsweisen, führt aber auch zu neuen Aufgaben und zu neuen Zeitlinien. Denn die Klimakrise setzt neue Maßstäbe und Zeitlimits, die ohne grundlegende Veränderungen nicht zu meistern sein werden. Als Beispiel möge dafür eine Zahl stehen, die vielen noch gar nicht bewusst sein dürfte. Die deutsche Gesellschaft – das meint alle in diesem Land - müssen sich wohl oder übel darauf einlassen, jährlich 6 Prozent Reduktion aller Klimagase zu realisieren wenn die Vorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens eingehalten werden sollen. Vom heutigen Standpunkt scheint dies unvorstellbar und (noch) nicht konsensfähig.
Die neue Aufgabenstellung führt einerseits zu scharfen Konflikten mit Regierung und Energiewirtschaft, nicht nur wegen deren Nichtstuns, wie es inzwischen Teil der Jugend, vorneweg die Bewegung „Fridays for Future“ vortragen. Aber auch neue Organisationen wie z.B. „extinction rebellion“ (XR), die beileibe nicht nur aus jungen Leuten bestehen, rufen weltweit zu zivilem Ungehorsam auf. Erst am 17. April haben sie Teile der Londoner City blockiert. Davon scheinen wir in Deutschland noch weit entfernt. Aber könnte es sein, dass wir uns im Auge des Hurrikans befinden und um uns herum schon längst der Sturm wütet? Oftmals bestimmt der Standort erst einmal die Sichtweise.
Was ist der Unterschied zwischen diesen neuen Bewegungen und ihren Organisationen und einer traditionellen Solarorganisation wie der DGS? Können langjährige und altgediente Solarfreunde plötzlich zu Rebellen werden, um bei dem Londoner Beispiel zu bleiben, also zu Straßenkämpfern werden? Wohl kaum. Auf der anderen Seite verändert sich die Mitgliedschaft, erlebt die DGS einen Mitgliederzuwachs der vor 3 oder 4 Jahren nicht vorstellbar gewesen wäre. Das dürfte wohl auch in Zukunft weitergehen. Dann stehen sich erfahrene Solarfachleute, die vielleicht ihre Obsession zum Beruf gemacht haben, und junge Enthusiasten gegenüber, sehen sich aber beide mit neuen Anforderungen konfrontiert. Nehmen sie diese auch gleichermaßen wahr?
Manchen der Jungen, die sich für Solar interessieren und die sich der Schlüsselstellung der Solartechnik in der Klimakrise bewusst sind, geht es zu langsam, zu zurückhaltend, nicht radikal genug. Will eine Organisation nicht auseinanderdriften, müssen alle Seiten im Dialog bleiben. Das alleine ist schon eine große Aufgabe. Sie erfordert nicht nur den Umgang mit neuen, manchmal abweichenden Meinungen und Standpunkten, sondern auch mit erst im Ansatz erkennbaren Ansichten und Entwicklungen. Denn anfangs laufen viele Bewegungen unter der Oberfläche ab und sind auf den ersten Blick wenig erkennbar. Die DGS hat sich in den letzten drei Jahren positiv entwickelt. Der Mitgliederschwund wurde gestoppt und ins Positive gedreht. Die Finanzen gesunden und in der Solarbewegung spielt die DGS mit ihren Positionen und ihrer Publizistik wieder eine wichtige Rolle. Aber die Organisation und ihre Repräsentanten und Mitglieder sollten sich bewusst sein, auch die weniger sichtbaren Bewegungen wahrzunehmen und zu thematisieren. Das will gewissermaßen gelernt und eingeübt sein.
Die Widersprüche, die ein solcher Entwicklungsprozess mit sich bringt, führen zu unterschiedlichen Ansichten und Positionen auf allen Ebenen. Streit lässt sich manchmal nicht vermeiden. Er sollte zum bewussten Diskurs werden, denn Differenzen werden nicht dadurch geklärt, in dem man sie unter den Teppich kehrt. Es ist notwendig, neue Erkenntnisse und Positionen sorgfältig zu behandeln und zu diskutieren. Oder anders ausgedrückt, eine Organisation muss das alles auch verstoffwechseln, will sie weiter am Ball bleiben. Als Beispiele für solche Punkte mag das Megathema Erdgas stehen, aber auch unser neuer Ansatz, eine Solarisierung im Wärmebereich anzuschieben. Sicher gehört dazu auch die Überwindung des Denkens in singulärer Solartechnik und die Hinwendung zu einer Verbundphilosophie aller Erneuerbaren.
Die DGS ist gut aufgestellt. Aber sie braucht das Bewusstsein, sich in einem Entwicklungs- und Veränderungsprozess zu befinden. Dieser erfordert Zeit, Geduld und gegenseitiges Verständnis. Damit diese Zeilen nicht als Wort zum Ostersonntag missverstanden werden, sei folgender Hinweis gestattet: die Bemühungen, die Klimaziele von Paris einzuhalten und einen große menschheitsgefährde Klimakatastrophe zu verhindern, wird noch viele neue Aufgaben und Herausforderungen bescheren. Eines ist aber klar, auch ein verändertes Leben auf unserem Planeten wird ohne Solartechnik nicht funktionieren. Das ist eine gemeinsame Basis aller in der DGS. Es sollte auch auf der bevorstehenden Delegiertenversammlung 2019 in Erfurt als gemeinsame Leitlinie gelten.
Klaus Oberzig