17.12.2021
Lithium-Mangel – Ende der E-Mobilität? (Teil 1)
Ein Bericht von Götz Warnke
Wirkliche materielle Krisen kennt die heutige Wohlstandsrepublik Deutschland kaum, und wenn, dann auf individueller Ebene und häufig auch als Luxusproblem, etwa wenn das schicke iPhone nicht zu Weihnachten lieferbar ist. Kein Wunder, denn an die materiellen Krisen der Vergangenheit können sich allenfalls noch Ältere erinnern: Den Hungerwinter 1946/47, die Ölkrise 1973 und die Schneekatastrophe 1978/79. Erst die Coronapandemie und die Klimakrise haben ein neues Zeitalter der Krisen eröffnet und machen deutlich, dass das „Eis“ unter unserer gewohnt-sichern Welt dünn ist. Neben Corona ist es derzeit die Halbleiterkrise, die u.a. auch eine Verkehrswende hin zur Elektromobilität erschwert. Und das nächste Problem der Verkehrswende dräut schon am Horizont: Lithium-Mangel. Denn wenn die Verkehrswende wegen der Klimakrise rasch gehen muss, wenn alle Lithium brauchen für E-Scooter, E-Bikes, E-Motorroller, E-Motorräder, E-Autos, E-LKWs, E-Busse, E-Bahnen, E-Flugzeuge und E-Fähren – ganz abgesehen von den notwendigen Hausspeichern zur Aufnahme des EE-Überschusses – könnte es unter Umständen eng werden. Die Autohersteller gehen jedenfalls von Knappheitssituationen aus und schützen sich durch langfristige Lieferverträge. Und auch die EU schlägt in die gleiche Kerbe; seit letztem Jahr gilt Lithium als eine strategische Ressource, die man sich sichern und nachhaltig bewirtschaften muss. Kann also der Lithium-Mangel sogar die notwendige Verkehrswende killen?
Nun sind im Leben zumeist nur wenige Situationen alternativlos; für die meisten findet sich durch Nachdenken und entsprechende Vorbereitung auch eine Lösung. Und so wird derzeit an einer Vielzahl von Projekten gearbeitet, eine Lithium-Katastrophe gar nicht erst eintreten zu lassen.
Recycling
Fast alle großen Autokonzerne – ob in Japan, Frankreich oder Deutschland – setzen auf Recycling, haben entsprechende Kapazitäten aufgebaut oder sind dabei. Selbst in den USA, dem Land der unbegrenzten Verschwendungsmöglichkeiten verfolgt man mittlerweile diesen Weg.
Dennoch geht das industrielle Batterierecycling nicht voran, und das ist gut so:
- 1.) halten die Batterien länger als anfänglich vermutet – eine positive Nachricht!
- 2.) hat man für sie auch nach ihrem Autoleben noch lange eine Verwendung, und zwar als stationäre Speicher in großen Speicherfarmen bei gleichmäßigen Temperaturen und Luftfeuchtigkeiten, mit geplanten Ladestrategien und steter Betreuung.
- 3.) Die Qualität des Recyclings steigt, d.h. ein immer höherer Materialanteil der Akkus kann technisch recycelt werden. Lag dieser Wert im Jahr 2015 noch allgemein bei 60% – bzw. 75% in Demonstrationsanlagen – , so waren es 2020 bereits 91%! Und auch das wird nicht das Optimum bleiben. Je später ein Akku also recycelt wird, desto mehr seines Materials wird man wiederverwenden können.
Dennoch: in einem neuen, exponentiell wachsenden Markt wie der Elektromobilität kann schon aus logischen Gründen das Recycling allein nicht die Lösung sein.
Neue Lithiumquellen erschließen
Daher kommt man nicht umhin, sich neue Lithiumquellen zu suchen, die möglichst produktionsnah sind, und deren Zuverlässigkeit sowohl in politischer als auch ökonomischer Hinsicht gewährleistet ist. Lithium ist zwar mit 0,006 Prozent Gewichtsanteil an der Erdkruste gar nicht so selten, und deutlich häufiger zu finden als z.B. Blei (0,0018 % Gewichtsanteil), aber es kommt nicht nur – wie viele andere Metalle – ausschließlich in Verbindungen vor, sondern ist darüber hinaus auch recht fein verteilt, was eine Förderung relativ teuer macht. Dazu müssen große Gesteins- oder Salzwassermengen aufbereitet werden, denn im Gegensatz zu Kobalt, das zunehmend aus den Akkus verschwindet, ist Lithium für die E-Mobilität derzeit unverzichtbar.
Heute sind die südlichen Andenstaaten, Australien und China die Hauptproduzenten des Rohstoffes. Doch das kann sich künftig ändern, denn auch die USA und Kanada besinnen sich ihrer heimischen Vorkommen. In Europa gibt es beim primären, an Gestein gebundenen Lithium noch Potentiale in Nordportugal und im Erzgebirge. Sekundäres Lithium in Form von salzigen Gewässern/Salzlaugen findet sich in Mitteleuropa im Grubenwasser der ehemaligen Bergwerksstollen sowie im Thermalwasser des Oberrheingrabens, wobei man oft bestehende Geothermieanlagen nutzt, weil diese das Thermalwasser bereits bohrtechnisch erschlossen haben. Hier gibt es eine Vielzahl von Projekten; der deutsche Ableger der australischen Firma Vulcan Energy Resources hat entsprechende Lithium-Lieferverträge mit Renault und VW geschlossen. Letztlich hängt die Erschließung neuer Quellen von der Höhe des Marktpreises von Lithium ab; ist der hoch, sind viele neuen Projekte denkbar.
Anmerkung: Teil 2 erscheint in der ersten Ausgabe 2022 der DGS-News