17.11.2023
Der Weg zum günstigen E-Auto?
Eine Kritik von Götz Warnke
Mitte Oktober 2023 hat die Europaabteilung des ICCT eine 32seitige Studie mit dem sperrigen Titel „ARE BATTERY ELECTRIC VEHICLES COST COMPETITIVE? AN INCOME-BASED ANALYSIS OF THE COSTS OF NEW VEHICLE PURCHASE AND LEASING FOR THE GERMAN MARKET“ veröffentlicht. Das ICCT („International Council on Clean Transportation“) hat sich als Nichtregierungsorganisation in der Vergangenheit auch dadurch einen guten Namen gemacht, dass es an der Aufdeckung des VW-Abgasskandals beteiligt war. Dennoch wäre eine deutsche Version für die Verbreitung der Studie sicherlich förderlich gewesen, zumal man sich ja durchaus zu einem deutschen Pressetext in der Lage sah.
Aber jenseits dieser etwas verdrucksten Äußerlichkeiten ist die Studie inhaltlich interessant.
„Sind batterieelektrische Fahrzeuge kostenmäßig wettbewerbsfähig? Eine einkommensbasierte Analyse der Kosten von Neufahrzeugkauf und -Leasing für den deutschen Markt“ – um hier zu validen Ergebnissen zu kommen, gehen die Autoren Kyle Morrison und Sandra Wappelhorst von verschiedenen Prämissen aus:
1. Sie beschränken sich auf den Vergleich von je zwei Autos aus zwei Fahrzeugklassen, und zwar aus der Kompaktklasse („Golfklasse“) und dem Kleinwagenbereich, und das hinsichtlich deren Gesamtbetriebskosten (TCO/Total Cost of Ownership).
2. Zur Ermittlung des TCO gehen sie von einem Haltezeitraum des Neuwagens von vier Jahren aus, was einen angenommenen Mittelwert zwischen einer typischen Leasing-Haltedauer (2-4 Jahre) und einer typischen Kauffahrzeug-Haltedauer darstellt (S. 2 bzw. PDF-S. 7 der Studie).
3. Sehr differenziert ist das Thema „Laden“ dargestellt. Denn hier finden sich höchst unterschiedliche Preisstrukturen, je nachdem, ob man z.B. Hausstrom, einen Mobility Service Partner (MSP) oder öffentliches Ad-hoc-Laden nutzt (S. 8 bzw. PDF-S. 14).
4. Insgesamt werden viele Daten von Eurostat, dem Kraftfahrt-Bundesamt, dem Bundesverkehrsministerium und dem ADAC übernommen, so dass die Datenbasis als valide angesehen werden kann.
Zur Kostenanalyse werden in der Kompaktklasse ein elektrischer VW ID.3 Pro und ein benzinbetriebener VW Golf VIII Style 2 miteinander verglichen; bei den Kleinwagen ein elektrischer Dacia Spring Extreme Electric 65 und ein benzinbetriebener Toyota Aygo X 1.0.
Das Ergebnis: bei den Kompaktwagen beträgt der Kostenvorteil des E-Autos im Haltezeitraum 5.100 Euro vor, gar 12.300 Euro nach der Einrechnung der Kaufprämie.
Im Kleinwagensegment hat das E-Auto sogar ein Defizit von 6.000 Euro vor, aber ein geringes Plus von 1.100 Euro nach der Einrechnung der Kaufprämie gegenüber dem Benziner.
Angesichts der 2025 endenden E-Auto-Förderung und des Endes der Neu-Zulassung von Verbrenner-Neuwagen 2035 schlagen die Autoren eine einkommensabhängige E-Auto-Förderung vor. Die soll vor allem Geringverdiener veranlassen, vom Verbrenner auf das E-Auto umzusteigen. Je geringer das monatliche Nettoeinkommen sei, desto höher sei der Anteil der Autokosten daran. Daher sollen alle monatlichen Nettoeinkommen über 5.000 Euro von der Förderung ausgeschlossen werden. Dagegen soll für die untersten Einkommensgruppen mit weniger als monatlich € 1.700 die Förderung von € 7.178 auf € 14.356 verdoppelt werden (S. 20 bzw. PDF-S. 26).
Soweit das Konzept.
Was sich jedoch im ersten Moment als schön sozial und sinnvoll anhört, wirft verschiedene Probleme auf und ist hinsichtlich des Klimaschutzes bei Fahrzeugen längst nicht alternativlos.
Zum einen hat es eine Gerechtigkeitslücke: Menschen, die von der Substanz ihres großen Vermögens leben und daneben nur ein geringes Monatseinkommen haben, oder Personen, die aus wirtschaftlichen Gründen ihr Vermögen dem steuerlich getrennt veranlagten Ehepartner überschrieben haben, können auf eine hohe staatliche Förderung zugreifen, um sich einen Zweitwagen oder einen Drittwagen für die Kinder zu besorgen.
Da die Größe des geförderten Autos nicht gedeckelt ist, könnten sich Menschen mit geringem Einkommen veranlasst sehen, sich ein möglichst großes Auto zuzulegen. Das kann einerseits bei den Unterhaltskosten zu finanziellen Problemen führen. Andererseits steigt die Versuchung, das Auto profitabel zu vermieten oder in Carsharing-Dienste einzubringen, die ja mittlerweile sogar von Autoherstellern organisiert werden. Solche Phänomene lassen sich - anders als das bekannte „BAFA-Karussell“ - kaum durch gesetzliche Verlängerung der Mindesthaltedauer der Fahrzeuge eindämmen.
Schließlich kann eine solche Förderung sogar preistreibend wirken. Schon heute sind manche E-Autos überteuert, was nicht nur durch die Förderung nicht so auffällt, sondern zum Teil erst durch sie ermöglicht wird. Dass es auch anders geht, zeigt sich in Zeiten der sinkenden Förderung.
Welche Alternativen gibt es nun zum obigen Konzept des ICCT?
Eine Möglichkeit wäre eine starke Staffelung der Förderung nach den Fahrzeugpreisen, also nach dem Prinzip: Je günstiger das Fahrzeug, desto höher die Förderung! Also beispielsweise: 5.000 Euro für Fahrzeugpreise bis 15.000 Euro, 4.000 Euro bis 20.000 Euro, 3.000 Euro bis 25.000 Euro, 2.000 Euro bis 30.000 Euro, und 1.000 Euro bis 35.000 Euro. Einige Punkte sollten dabei beachtet werden:
1. Es sollte dabei der gesamte Kaufpreis des Fahrzeuges veranschlagt werden, und nicht wie heute ein BAFA-Listenpreis, der oft erheblich unter dem realen Kaufpreis liegt.
2. Es sollten auch elektrische Leichtfahrzeuge in die Förderung aufgenommen werden. Sie bieten zwar wie E-Autos Standsicherheit (z.B. bei Glatteis) und Wetterschutz, werden aber bisher in Deutschland nicht gefördert.
3. Es sollten Mindeststandards festgeschrieben werden, unter anderem hinsichtlich Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit und Ausstattung.
4. Die Maßnahmen sollten durch eine Förderung der Umrüstung vom Fossil-Auto zum E-Auto flankiert werden. Es gibt eine Vielzahl qualitativ guter, langlebiger Gebrauchtwagen, von denen einige auch gut für eine Umrüstung geeignet wären. Dazu kommen spezielle Autos wie Camper oder Werkstattwagen, die allein durch ihre Ausbauten einen gewissen Wert darstellen, und zu schade zum Verschrotten sind. Dass heute die Umrüstung auf Elektroantrieb noch teuer ist, liegt auch daran, dass es hier bisher keine Förderung dafür gibt. Allerdings gibt es auch hier trotz allem interessante Ansätze.
Ein solches, hier eben skizziertes Förderungs-Design würde die Hochpreispolitik der Hersteller beenden, viel „graue Energie“ sparen und zu mehr kostengünstigen E-Autos führen, die sich auch Menschen mit geringerem Einkommen leisten können. Zudem kann es bei der Verkehrswende im Straßenbereich nicht nur um einen Wechsel des Antriebsstrangs gehen, sondern wir brauchen auch hier eine stärkere Suffizienz.