17.05.2019
Der letzte Mann, der die Welt noch retten kann
Eine Glosse von Götz Warnke.
Die Situation unseres Planeten wird immer kritischer und seine Zukunft immer bedrohlicher: die Temperaturen, die Meeresspiegel und die Großschadensereignisse steigen, die Insekten, Pflanzen und Fische sterben, Wälder, Moore und Wiesen brennen; Äcker, Grundgewässer und Zukunftshoffnungen versalzen. Das einzige, was wirklich noch blüht, wächst und gedeiht, sind die Weltwirtschaft, der internationale Handel und die Dividenden-Erwartungen der Aktionäre.
Viele haben in der Vergangenheit versucht, das Schicksal dieses Planeten und der auf ihn angewiesenen Menschheit zu wenden, oftmals mit Energie, Ausdauer und viel „Herzblut“: die Klimaforscher, Solaringenieure und Biodiversitäts-Wissenschaftler, allen voran berühmte Nobelpreisträger und Akademiemitglieder; Umweltorganisationen wie Greenpeace, Friends of the Earth und WWF; Hilfsorganisationen wie Brot für die Welt, CARE International, Dienste in Übersee. Es hat alles nichts gebracht, man könnte verzweifeln!!!
Wie war es doch früher so schön und einfach – zumindest im Kino. Da kam John Wayne und befreite Kleinstädte von Gangsterbanden, Henry Fonda erledigte in „Mein Name ist Nobody“ im Alleingang die 150 Mann starke Wilde Horde, Bruce Willis rettete in „Armageddon“ gleich den ganzen Planeten. Klasse, so einen Mann brauchen wir jetzt – einen Klimaheld wie ein Kinoheld!!! Er müsste nur noch eine Menge politischen Einfluss mitbringen – sozusagen als Startkapital und um die Chancen zu erhöhen.
„Halt, Du alter Chauvi! Warum kann es nicht auch eine einflussreiche Frau sein?“, grätscht meine innere Stimme dazwischen. Ja, warum eigentlich nicht? Und wen hätten wir da … hmm: Christine Lagarde, Theresa May, Angela Merkel. Hmm, alle sind für mehr Freihandel, für Abbau von Zollschranken, für internationale „Arbeitsteilung“ – eine Art Klein-Orchester, das lautstark stets und ununterbrochen die Schalmeienklänge des weltweiten Wirtschaftswachstums intoniert. Dabei ist gerade letzteres für immer mehr Verkehr, Müll und Klimaerhitzung verantwortlich – die Idee von unendlichem Wachstum auf einem endlichen Planeten ist halt nicht sonderlich intelligent und praktikabel.
Allein Frau zu sein scheint nicht wirklich zu helfen – allerdings ein Mann will mir auch nicht recht einfallen. Schwierig, schwierig, vielleicht sollte ich mir vor dem anstrengenden Nachdenken mal ein Fläschchen meines chilenischen Lieblingsweins aufmachen. Valle de Colchagua – gutes Anbaugebiet, aber der Rote braucht noch etwas Zeit und Luft. Also aufmachen und weiter. Vielleicht habe ich einfach die falschen Bilder im Kopf: große, strahlende, schöne Helden; ich bin wohl einfach zu sehr von Goethe mit seinem Zusammengehen des Wahren, Schönen und Guten beeinflusst. Also gehen wir die Sache jetzt mal systematisch an:
Muss der Klimaheld schön sein und gut aussehen? Eigentlich nicht, denn schließlich sah auch Bruce Willis in allen seinen „Stirb langsam“-Filmen immer eher blutig, dreckig, ramponiert aus, hatte aber dennoch in den hoffnungslosesten Situationen Erfolg. Und die Klimakrise ist eigentlich auch nichts anderes als ein „Stirb langsam“, weshalb die meisten Leute dieser Welt die Gefahr auch nicht mitbekommen.
Muss der Klimaheld intelligent und gebildet sein? Hmm, also … im Sheriff-Büro von John Wayne ging die Tendenz allenfalls zum Zweitbuch (Bibel + Gefangenenregister) und auch Harrison Ford hat in den Indianer-Jones-Filmen das Böse nicht mit Schriftrollen erschlagen, schon gar nicht mit deren Inhalt … also eher nicht.
Muss der Klimaheld wenigstens gut sein? Schon bei Goethe beschreibt im „Faust“ der Mephisto sich als „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“ Und Clint Eastwood in „Gran Torino“ oder Charles Bronson in „Ein Mann sieht rot“ lösten zwar schwere Krisen, waren ja auch nicht gerade das Gute und Liebe in Person. Also „gut“ ist überflüssig.
Schwierig, schwierig, immerhin sollte jetzt der Rotwein hinreichend belüftet sein. Ja, gaaanz ausgezeichnet. Schön rund im Abgang, so etwas findet man hier in Deutschland gar nicht. Jetzt entspannen, ein, zwei Gläser trinken, und dann kann ich mich wieder dieser schwierigen Frage … Hach, das Smartphone, was ist los … ein Tweet … von? Der?? Der... Ja, DER! ER IST ES!!!
Liebe Leser, sitzen Sie? Nein, nicht wegen Klimaverbrechen im Gefängnis … das kommt noch. Ich meine: sicher auf Ihrem Hintern, so dass Sie nichts umhauen kann – also eher Lehnsessel und Sofa als Hocker! Wir haben den Klimahelden, ER ist es!!! Nein, nicht Jesus. Der große Blonde … , nein, nicht der mit dem schwarzen Schuh aus Frankreich, sondern der aus den USA.
Ja, Trump, der richtige DONALD TRUMP!
Ja doch, ja doch, ja, das mit der Bildung hatten wir schon – ein Harvard-Studium ist keine Grundvoraussetzung! Sicher, die Frisur sieht aus, als sei sein Friseur von einer besonders boshaften KGB-Abteilung geschickt worden, aber die Frisuren vom ondulierten Macron und pomadierten Xi… Und die sind für immer mehr Wirtschaftswachstum und Welthandel!
Nein, nein, gut muss er nicht sein – da gibt es schon seit gefühlt 100 Jahren den Dalai-Lama, und dennoch ist die Welt nicht besser geworden. Und das Aussehen … hört doch endlich mal auf mit dem Aussehen!! Danach kann man doch keinen Menschen beurteilen! Die kleine Runde vom Schalmeienorchester ist auch keine „Augenweide“, und dennoch hat das richtigerweise bisher noch niemand kritisiert.
Sehen wir es doch mal nüchtern: Wenn Donald mit den Chinesen und der EU den Wirtschaftskrieg anfängt, bricht die Weltwirtschaft gewaltig ein – weniger Waren werden produziert, weniger Produkte werden verpackt und um die Welt transportiert, weniger Produkte werden vorzeitig weggeworfen und durch neue ersetzt, die in irgendeinem Entwicklungsland unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert wurden. Es gibt dann weniger Urwald-Rodungen für Palmöl, weniger Krieg um Erdöl und weniger mittelständische Unternehmen, die von internationalen Konzernen aufgekauft werden. Das chinesische Projekt der „Neuen Seidenstraße“ wird vom Winde verweht, und so bleiben dem Planeten Milliarden Tonnen an CO2 aus der Beton- und Zementproduktion erspart. Mehr Erneuerbare Energien, heimische Rohstoffe und regionale Wertschöpfung. Weniger Klimagase, weniger Umweltverschmutzung, weniger Plastik und tote Fische in den Weltmeeren.
Sicher, einige Wachstums-Fetischisten werden politischen „Haarausfall“ bekommen Konzernmanager, Freihandels-Ideologen etc. Vielleicht wird sogar Christian Lindner vor Schreck seinen Rasierapparat wiederfinden. Was soll‘s. Das Ganze wird die Menschheit zwar hunderte von Milliarden Euro kosten, aber dafür ist die Klimakrise gestoppt, der Planet gerettet, unsere Kinder haben eine Zukunft!
Donald Trump rettet die Welt, Donald ist unser Klimaheld!!! Prost darauf.
Gut, ein bisschen werden wir unseren Lebensstil auch umstellen müssen, aber so schlimm kann es eigentlich nicht werden. … Wobei … wenn der Welthandel zusammenbricht, was wird aus meinem Rotwein aus Chile? Werde ich den überhaupt noch bekommen können?? Und meine Filetsteaks aus Argentinien?? Und meine Jackfrüchte aus SriLanka sowie die Litschifrüchte aus China??? Und meine teuren Marken-T-Shirts, die in … Bangladesh ... Indonesien … ach irgendwo da unten genäht werden??? Nee, also so geht das ja auch nicht … solche Konsequenzen. Irgendwie wird mir dieser Trump ziemlich unheimlich! Der kann einem ja das ganze Leben vermiesen!! Nein, schließlich will ich meine restlichen Lebensjahre noch genießen. Der Klimawandel mit den schweren Folgen kommt sowieso erst später. Da soll sich die nachfolgende Generation drum kümmern!!! Jetzt bloß keine Klimareligion oder so komische Sachen. Nachher kommt noch irgendein Depp auf schräge Ideen und sagt zu mir: „Der letzte Mann, der die Welt noch retten kann – bist DU!“