17.04.2020
FFF und ÜNB in einem Boot
„Fridays for Future (FFF) lassen sich leider systematisch von den Netzausbau-Profiteuren strategisch einbinden und betreiben kritik- und ahnungslos Greenwashing-Dienste für die in der Renewables Grid Initiative versammelten Trassenbefürworter.“ Dörte Hamann, Pressesprecherin von „Die Stromautobahn - Das Informationsportal gegen unnötige Stromtrassen“ aus Leinburg bei Nürnberg hält mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg: Sie ist stinkesauer. Denn die Klimaschützer von FFF organisieren seit einiger Zeit Webinare, in denen Campaigner von Umweltverbänden mit Vertretern von Übertragungs-Netzbetreibern (ÜNB) als Fachleute über Ökoenergiethemen sprechen.
Erst am gestrigen Donnerstag stand bei FFF „Das Übertragungsnetz“ auf dem Webinar-Programm. Dass NABU-Frau Verena Bax hierzu Gerald Kaendler vom ÜNB Amprion befragen sollte, ist noch nachzuvollziehen. Aber wenige Stunden vor der Durchführung wurde es abgesagt. Gründe wurden nicht genannt. Doch warum wurde am 2. April ausgerechnet Niels Ehlers vom ÜNB 50Hertz als Gesprächspartner des Germanwatch-Manns Kai Bergmann ausgewählt? Denn dass 50Hertz bislang als Antreiber für das Ziel „100 Prozent Erneuerbare Energien – wie geht das?“ aufgetreten wäre, daran kann sich im EE-Umfeld niemand so recht erinnern.
Mit den ÜNB machen übrigens viele bekannte Umweltverbände seit einiger Zeit gemeinsame Sache. Auf europäischer Ebene bekennen sich besagte NABU, Germanwatch, aber auch der WWF in der so genannten „Renewables Grid Initiative“ (RGI) zum Zig-Milliarden-Euro-teuren Höchstspannungsnetzausbau in der EU. Die deutschen „NGO“ arbeiten in der RGI mit Umweltverbänden aus Holland, Frankreich oder Spanien eng zusammen. Aber eben auch mit den ÜNB aller möglicher EU-Länder: Das Who-is-Who der Stromnetzbetreiber von 50Hertz bis TransnetBW ist hier versammelt. Schon das allein lässt vermuten, beim hiesigen ÜN-Ausbau ist das Argument, Windstrom aus Deutschlands Norden nach Bayern oder Baden-Württemberg zu transportieren nur vorgeschoben: Es geht offensichtlich um transnationale Wirtschaftsinteressen. Bezahlt wird RGI übrigens stark aus dem Programm „Horizon 2020“ der EU-Kommission, von der Mercator-Stiftung und durch das Bundeswirtschaftsministerium BMWi.
Werblich schön umschrieben wird dieser europaweite Hochspannungs-Vernetzungs- und Ausbauplan mit dem Spruch: „Wir fördern eine faire, transparente und nachhaltige Netzentwicklung.“ Und RGI bewirbt auf der Titelseite ihrer Homepage genau jene FFF-Kollaborations-Webinare, über die sich Dörte Hamann so vehement mokiert. Nicht dabei in dieser illustren NGO-ÜNB-Runde ist übrigens der Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Denn der BUND strebt den „Um- und Ausbau des Stromnetzes für die dezentrale Energiewende“ an. Das „Wie?“ ist auf der Webseite eindrucksvoll dargestellt: Es orientiert sich stark am „Zellularen Ansatz“ der VDE-Gesellschaft Energietechnik (die DGS-News berichteten mehrfach), der viel weniger neue Stromtrassen benötigt.
„Wir haben eine alternative Auffassung vom Netzausbau – und das studienbestätigt. Wir diskutieren gerade darüber, wie wir gegenüber unserem europäischen Dachverband unsere Positionen besser verdeutlichen können“, erklärt Werner Neumann aus Altenstadt in Hessen gegenüber den DGS-News. Neumann ist Sprecher des Arbeitskreises Energie im wissenschaftlichen Beirat des BUND. Noch in der letzten Bundesdelegiertenversammlung 2019 habe sein Verband einen Beschluss „Pro Windenergie im Wald“ gefasst. Damit steht der BUND in einer Reihe mit der DGS und anderen Öko-Umwelt-Energieverbänden - aber eben außerhalb der Denkweise von NABU und Co.
Hört man sich in der Ökoenergieszene um, heißt es hinter vorgehaltener Hand: „Die Netzbetreiber wollen die Umweltverbände auseinanderdividieren. Der Trick des EU-Projekts RGI ist, dass die ÜNB die Verbände unter ihre Fittiche nehmen.“ Dass dies ganz offensichtlich zu gelingen scheint, bestätigt „Fabian aus der AG Forderungen“ von Fridays for Future in einer schriftlichen Antwort: „Zwischen FFF Deutschland und RGI besteht keine feste Zusammenarbeit. Das Webinar war der erste Kontaktpunkt und ist über persönliche Kontakte entstanden.“
Das „Unter-die-Fittiche-nehmen“ hat aber anscheinend auch bei Schwesterorganisationen des BUND geklappt. So ist – zwar sehr verschämt klein, aber trotzdem – das Logo von „Friends of the Earth Ireland“ in der Liste der RGI-Mitglieder zu finden. Friends of the Earth – kurz FoE – ist der internationale Dachverband von Umweltorganisationen in 76 Ländern, dem auch der BUND angehört.
Und so merkt man BUND-Energie-Sprecher Neumann zwar deutlich seine Verärgerung über die irischen KollegInnen an. Er formuliert aber sehr diplomatisch: „Wir diskutieren darüber, wie wir gegenüber unserem Dachverband unsere Positionen verdeutlichen können.“ Noch diplomatischer gibt sich Gregor Hagedorn von der Öko-Wissenschaftler-Vereinigung „Scientists for Future“ (S4F). Auf die Nachfrage, wie S4F die augenscheinlichen Vereinnahmungsversuche von FFF durch die Übertragungsnetzbetreiber sehe, will er gar nicht Stellung beziehen. Und wie steht seine Organisation zu der Aussage von FFF, „Im Namen der Wissenschaft: Über 27.000 Wissenschaftler*innen allein im deutschsprachigen Raum stehen hinter uns und unterstützen unsere Forderungen“ – hier verlinkt FFF seine Webseite direkt zu S4F? Dazu sagt Hagedorn nur: „Auch bei uns gibt es sehr unterschiedliche wissenschaftliche Meinungen zum richtigen Weg in die Energiezukunft.“
PS: Jener FFF-Fabian schreibt aber auch: „Moderieren darf bei uns, wer Lust darauf hat. Da kann sich also intern jeder melden.“ Könnten sich also auch Leute aus der Umweltenergie- und Trassengegnerszene bei FFF als Moderatoren bewerben? Mail: ag.grundsatz(at)fridaysforfuture.de