17.03.2023
Die PV-Strategie liegt auf dem Tisch
Eine Analyse von Jörg Sutter
Nicht erst mit dem EEG 2023 war klar, dass die Bundesregierung die Photovoltaik massiv nach vorne bringen will, wir hier verweisen nur auf die geplanten PV-Ausbauzahlen von 9 Gigawatt in diesem Jahr und 22 Gigawatt in den Jahren ab 2026.
Nun hat das Bundeswirtschaftsministerium den Entwurf einer „Photovoltaik-Strategie“ vorgelegt, die auf dem Weg dorthin weitere Hürden abbauen will. Robert Habeck bei der Vorstellung: „Wir müssen den Ausbau der Erneuerbaren Energien mit ganzer Kraft vorantreiben und das gelingt nur gemeinsam mit allen Akteuren. Wir haben im letzten Jahr eine neue Dynamik entfacht. Wir haben mit der Reform des EEG im vergangenen Jahr, der Anhebung der Höchstsätze in den Ausschreibungen für Wind- und Solarenergie und einer Reihe von weiteren Änderungen den Weg für die Beschleunigung freigeräumt. Jetzt kommt es auf die Umsetzung an. [..] Die Strategie enthält dazu elf Handlungsfelder unterlegt mit konkreten Maßnahmen.“
Um es gleich vorwegzunehmen: Wir können diese elf Punkte der PV-Strategie voll unterstützen, wenngleich wir uns natürlich noch einige weitere Punkte darin vorstellen und uns diesbezüglich noch an das Ministerium wenden werden.
Formal wurde die Strategie auch als Entwurf angekündigt, denn es besteht der Wunsch der kritischen Kommentierung bis zur kommenden Woche. Nach der Überarbeitung soll im Mai bei einer weiteren Veranstaltung die endgültige Strategie verabschiedet werden. Verbesserungen sind anzugehen, um den Ausbau auch tatsächlich zu erreichen, denn bei aller Attraktivität durch hohe Strompreise: Die angestrebten Zubauzahlen sind kein Selbstläufer. Und: Das Ministerium räumt auch ein, dass nicht alle der Punkte in der Verantwortung des BMWK liegen, sondern auch andere sich hier bewegen müssen. „[Wir] wollen einen offenen Austausch mit allen Beteiligten organisieren und auf diesem Weg zu gemeinsamen Positionen kommen“, so das BMWK.
Die elf Felder
- Stärkung der Freiflächenanlagen
Für Freiflächenanlagen sind weitere Vereinfachungen der Umsetzung durch Privilegierung im Baugesetzbuch angestrebt(*), der Einsatz in Gewerbe- und Industriegebieten soll umfassender möglich sein und ein dritter Aspekt soll den Einsatz der Agri-PV erleichtern. Genehmigung und Vergütung sollen auch für Parkplatz-PV geprüft/verbessert werden, um mehr solche Anlagen realisieren zu können.
- Erleichterungen von Dachanlagen
Hier will das BMWK die Grenzen der Direktvermarktungspflicht verändern und die Anlagenzusammenfassung lockern. PV-Anlagen auf Gebäuden im Außenbereich sollen ebenfalls die Dachvergütung erhalten können. Einige weitere Punkte werden ebenfalls geprüft, darunter auch zwei Aspekte, die typische Kleinanlagen auf dem Einfamilienhaus betreffen: Zum einen die Abstandsregelungen (Bauordnungen), die jedoch die Länder betreffen und die Vereinfachung von Garten-PV. Auch die Möglichkeit zum Repowering von Dachanlagen wird geprüft, denn das ist - ohne Verlust der vorhandenen, hohen Einspeisevergütungssätze - derzeit nur für Freiflächenanlagen erlaubt.
- Mieterstrom und gemeinschaftliche Gebäudeversorgung
Hier wird treffend festgestellt, dass Mieterstromprojekte insbesondere im kleineren Mehrfamilienhaus noch immer kaum in die Umsetzung kommen. Mehrere Maßnahmen sind derzeit laut BMWK in der Prüfung: Neben der Stärkung des Mieterstrommodells nach EEG könnte auch die gemeinschaftliche Versorgung in einem Gebäude oder ein sogenannter „Stadtstrom“ als finanzielle Mieterbeteiligung in Frage kommen. Mieterstrom soll zukünftig auch bei reinen gewerblich genutzten Gebäuden möglich sein. Auch soll Wärmestrom im Mehrfamilienhaus (z.B. für Wärmepumpen) künftig mit der Betriebskostenabrechnung weitergegeben werden können.
- Stecker-Solargeräte
Auch die von uns schon lange propagierten Steckersolargeräte haben ein eigenes Feld in der PV-Strategie erhalten, das freut uns sehr. Ziel des BMWK: „Bürgerinnen und Bürger sollen die Anlagen selbst anschließen und in Betrieb nehmen können, ohne die Hilfe von Fachkräften“. Hier werden zentrale Ziele, die die DGS schon lange fordert, adressiert: Meldepflichten sollen vereinfacht werden, der Schukostecker zugelassen und die Schwelle von 600 Watt erhöht werden sowie eine Privilegierung in WEG und BGB soll erfolgen. Übergangsweise soll auch ein notwendiger Zählertausch entfallen, jedoch nicht als generelle Lösung, sondern nur, um die Geräte schneller ans Netz zu bekommen, wenn der Zählertausch erst nach etlichen Wochen vom Netzbetreiber erledigt werden kann.
- Netzanschlüsse
Die Netzanschlüsse sollen beschleunigt werden, ohne dass es dabei zu Abstrichen bei der Sicherheit kommt. Dies ist schon im EEG 2023 bis zum Jahr 2025 angekündigt, ohne jedoch konkret zu werden. Jetzt werden eine Beschleunigung des Zählertausches, die Duldungspflicht für Anschlussleitungen von Freiflächenanlagen und ein beschleunigtes und vereinfachtes Verfahren für kleine Anlagen bis 30 statt bisher 10,8 kWp angekündigt.
- Akzeptanz stärken
Hier soll das Förderprogramm „Bürgerenergiegesellschaften“, von dem bislang Umsetzer von Windparks profitieren, auch auf Photovoltaik ausgedehnt werden. Bürgerenergiegesellschaften sollen Zugriff auf alle EEG-förderfähigen Flächen erhalten.
- Flankierung durch steuerliche Regelungen
Weitere steuerliche Benachteiligungen beim PV-Einsatz sollen beseitigt werden, so der Verlust der Gemeinnützigkeit bei Vereinen oder die gewerbesteuerliche Infizierung von Vermietungseinkünften.
- Europäische Solarprodukte
Ebenfalls angesprochen wird eine europäische Produktion, die ausgebaut werden soll, nicht nur in der PV, sondern in fünf strategisch wichtigen Bereichen: Windkraft, Photovoltaik, Elektrolyseure, Stromnetze und Wärmepumpen. Dialogverfahren dazu sind begonnen, um das voranzubringen.
- Fachkräfte
Eine weitere Schlüsselaufgabe: Der Ausbau des Fachkräfteangebotes entsprechend des angedachten PV-Zubaus. Hier wird auf die Ideen des „Aktionsplan Mittelstand, Klimaschutz und Transformation“ des BMWK verwiesen.
- Technologieentwicklung voranbringen
Forschungsförderung und die weitere Umsetzung von Ergebnissen in industriereife Fertigungen wird hier als Ziel genannt, vor allem auch bei der Weiterentwicklungen der Solarzellentechnologie wie den Tandemzellen (gestapelten Solarzellen).
- Europäischer Blick
Der letzte Punkt spricht die europäische Verzahnung an, konkret die Umsetzung der RED II-Vorgaben, die bald beschlossen werden sollen und der EU-Genehmigungs-Notfallverordnung, die Genehmigungsverfahren noch weiter beschleunigen soll.
Und was fehlt?
Nachdem zwar Mieterstrom und auch die gemeinschaftliche Versorgung im Gebäude adressiert ist, fehlt hier noch ein wichtiger Baustein: Das echte „energy sharing“, also Strom für Nachbarschaft auch durch das öffentliche Netz zur Verfügung stellen, wie es europäisch schon seit Jahren erlaubt und auch in Ländern wie Österreich schon erfolgreich umgesetzt wird. Hier müssen Möglichkeiten unbedingt noch ergänzt werden.
Bei Steckersolar wird zwar eine Vereinfachung der Anmeldung angestrebt, nicht adressiert sind jedoch die technischen Anforderungen der Netzbetreiber, die teils durch z.B. die Pflicht zur Prüfung der Installation oder die Vorgabe des Steckers derzeit einen Elektrikereinsatz unumgänglich machen.
Auch steht inzwischen der Auszahlung der (wenn auch geringen) EEG-Vergütung bei Steckersolar -Geräten formal nichts mehr im Wege, dazu sollten die Netzbetreiber nun auch verpflichtet werden.
Aus unserer Sicht noch zu vage sind die Entbürokratisierungen bei den Vorgaben der Netzbetreiber gefasst: Hier könnten klare Ziele helfen: Bis 2025 einheitliche Vorgaben für den Netzanschluss statt unterschiedlichster Anforderungen durch technische Anschlussbedingungen und Kleingedrucktes in Anmeldeformularen.
Ähnliches gilt für die unterschiedlichen Regelungen der Landesbauordnungen: Hier wurde im letzten Jahr eine Musterbauordnung abgestimmt, deren Umsetzung jedoch auch nur langsam voran geht.
Und nicht zuletzt: Das Thema Solarpflicht im Gewerbe ist ja schon im Koalitionsvertrag der Regierung vereinbart, jedoch überhaupt nicht Bestandteil der Solarstrategie. Dabei wäre das aus meiner Sicht eine gute Chance, um nach Beispiel von Baden-Württemberg den Solarausbau voran zu bekommen und auch Gebäude zu erschließen, deren Besitzer sich die letzten 20 Jahren nicht haben überzeugen lassen.
Weitere Vorschläge
Auch wir sind aufgefordert, weitere Vorschläge für die schneller Umsetzung zum PV-Strategie beizutragen, schon mit unserer Stellungnahme im vergangenen Frühjahr zum EEG 2023 haben wir damit begonnen. Wir werden bis Ende März hier die obigen Punkte und gerne auch weitere Aspekte dem Ministerium zukommen lassen.
Wenn Sie, liebe Leserin und lieber Leser, auch noch Anregungen haben, lassen Sie mich das bitte kurzfristig bis zum 22. März (schon kommender Mittwoch!) wissen, gerne einfach per Mail an sutter(at)dgs.de - vielen Dank.
Der Entwurf der PV-Strategie wird vom Ministerium überarbeitet werden und die Punkte, die in direkter Verantwortung des Gesetzgebers liegen, sollen in einem zwei Solarpaketen (Solarpaket I und II) verabschiedet werden.
Der aktuelle Entwurf der PV-Strategie steht hier zum Download bereit:
https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/photovoltaik-stategie-2023.html
(*) Anmerkung der Redaktion: Eine solche Privilegierung ist auch für die Schwestertechnologie Solarthermie essentiell. Sollen Wärmenetze dekarbonisiert bzw. neu errichtet werden, muss gerade die solare Wärme hier bessere Möglichkeiten erhalten.