16.12.2022
Besinnlichkeit … vor 25 Jahren
Ein Rückblick von Jörg Sutter
Die Vorweihnachtszeit sollte ja eigentlich ein wenig besinnlich sein, das Tempo herausnehmen, auf die Weihnachtszeit einstimmen. In der Photovoltaik ist wie so oft das Gegenteil der Fall. Es gehen zwar schon die ersten Mails zu Betriebsferien von Firmen über die Feiertage ein, aber aktuell wird noch viel gearbeitet: Anlagen müssen schnell noch fertig installiert werden, bevor der Schnee kommt, Abschlagsrechnungen werden geschrieben und vieles mehr.
Und die Hektik bleibt auch hoch, weil ja bei einigen politische Themen der Sack noch nicht zu ist: Sei es die EEG-Vergütung im neuen Jahr, die noch auf die EU-Freigabe wartet (die Freigabe vom September galt nur für die Inbetriebnahmen bis zum Jahresende 2022) oder das Jahressteuergesetz mit den starken steuerlichen Vereinfachungen für PV-Betreiber. Diese Regelung ist vom Bundestag verabschiedet, kommt am heutigen Freitag in den Bundesrat und muss eventuell noch eine Ehrenrunde im Vermittlungsausschuss drehen. Und dann sind da noch die Umsetzungsfragen, allen voran: Kann ich als Installateur denn mit meiner EDV ab Januar auch Angebot mit 0 Prozent Umsatzsteuer erstellen? Das hat alles mit Besinnlichkeit nicht viel zu tun, deshalb werfen wir heute einen Blick zurück in das Jahr 1998. Vor 25 Jahren war die PV-Branche noch besinnlich und hatte zu Mitte Dezember eine recht ruhige Weihnachtszeit vor sich.
1998: Noch kein EEG
Im Jahr 1998 war das EEG noch nicht erfunden, das wurde erst im Jahr 2000 eingeführt. Es galt noch das Stromeinspeisegesetz, das seit 1991 erstmals in Deutschland die Einspeisung von Strom in die öffentlichen Stromnetze regelte. Die Initiativen zur kostendeckenden Vergütung (Aachen, Hammelburg, Pforzheim) waren schon aktiv und hatten schon erste lokale Förderprogramme als Erfolg verbuchen können, mit denen teils auch größere Projekte bereits aufgebaut werden konnten. Doch das war aus wirtschaftlichen Gründen nur punktuell in wenigen Kommunen möglich.
Schon einige Großanlagen in Betrieb
Doch auch die ersten Großanlagen waren bereits am Netz: Seit 1997 ein MW auf dem Dach der Messe München, ein MW auf dem Dach der Fortbildungsakademie in Herne mit Modulen der Firma Pilkington Solar aus Gelsenkirchen, schon damals als Glas-Glas-Module, durch die Licht durchscheinen konnte. Mit der Modulproduktion für die Messe München war die Fabrik von Siemens ein halbes Jahr ausgelastet. Auch eine gewerbliche 435 kWp-Anlage bei Mercedes-Benz in Bad Cannstatt bei Stuttgart war in Betrieb genommen, genauso wie 340 Kilowatt mit betongefüllten Autoreifen als Dachfundament, die von den späteren Sonnenkönig Frank Asbeck in Bonn aufgebaut wurden.
Auch das Thema Beteiligungsanlagen war 1998 schon nicht mehr neu: Bereits 1994 wurde in Freiburg die Firma Solar-Energie-Systeme (SES) ins Leben gerufen, die dann erstmals gemeinsam mit einem Förderverein die ersten Solarstrom-Beteiligungskraftwerke errichtet hat, zuerst in Freiburg (z.B. das damalige Fußballstadion) und später weitere Projekte auch an anderen Standorten in Deutschland. 1998 krönte dann auch eine Auszeichnung den Erfolg auch dieses Konzeptes: Der Solar-Unternehmer Georg Salvamoser, Gründer der SES, hat gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Klimaforschung des Max-Plack-Institutes den Umweltpreis der Deutschen Umweltstiftung verliehen bekommen. Der Unternehmer habe – so die damalige Laudatio – „eine Trendwende zugunsten der Solarenergie herbeigeführt“ und die Solartechnik „insgesamt solarfähig gemacht“.
Und auch weitere Unternehmen waren aktiv: So hat 1998 die deutsche Shell AG die Shell Solar als Tochterfirma gegründet und mit dem Bau einer Solarfabrik in Gelsenkirchen begonnen. 25 MW Solarzellen sollten dort im Jahr produziert werden – die Hälfte mehr als die damals weltweit größte Fabrik von Siemens Solar in Kalifornien. Die Zellen sollten dann in einem benachbarten Solarmodulwerk von Pilkington weiterverarbeitet werden. Und das wurde als großer Fortschritt gefeiert, denn die Zellen konnten per Transportband in die nahe Modulproduktion gebracht werden: Ohne Zellschäden und andere Defekte, wie sie bei den weit transportierten Zellen aus Übersee oft anzutreffen waren.
Neue Player in der Branche
Einen Einstieg in die Branche plante 1998 auch die Firma Würth: Gemeinsam mit dem ZSW ging man auf Standortsuche bei über 60 Kommunen in Baden-Württemberg, um mit einer Investition von 15 Millionen D-Mark neuartige Dünnschicht-Module zu produzieren. Und auch der Finanzmarkt wurde schon eingebunden: Im Oktober 1998 gab die Solon AG aus Berlin die ersten 600.000 Aktien aus, nachdem das Unternehmen erst 1996 gegründet und 1997 erfolgreich einen Umsatz von 1,7 Mio. D-Mark verbuchen konnte.
Die Jahresproduktionen der großen Werke wirken aus heutiger Sicht wie Miniaturen: Die 25 MW von Shell Solar, 13 MW seit Ende 1998 bei der ASE in Alzenau, daneben gab es rund 40 MW in den USA und 21 MW in Japan. Als Vergleich: Die im EEG 2023 für das Jahr 2023 angehobene maximale Anlagengröße für ein förderfähiges Projekt in Deutschland liegt bei 100 MW, also dem damaligen gesamten (!) Weltmarktniveau.
Die Ende 1998 in Deutschland installierte Modulleistung lag bei rund 10 MW, also 0,01 GW (zum Vergleich: heute rund 67 GW).
Fortschritte bei der Technologie
Auch bei der Technologie wurden Fortschritte erreicht: Mit einer neuen Forschungszelle, entwickelt von Michael Grätzel an der Eidgenössischen Hochschule Lausanne, könne ein elektrischer Wirkungsgrad von 33 Prozent erreicht werden, so eine Meldung aus dem Oktober 1998.
Und neben den oben erwähnten Glas-Glas-Modulen wurde auch schon das Thema Dachintegration vor 25 Jahren behandelt: So bot damals schon der Dachziegelhersteller Braas einen zu seinen Dachsteinen passenden PV-Solarziegel an, auch waren schon einige Anbieter mit Ideen im Bereich von Schieferdächern, teils mit aufgeklebten Solarzellen auf Schieferplatten, beschäftigt.
Und wie das Bild mit der Kirchturmspitze aus PV-Modulen zeigt, wurden auch damals schon Projekte konkret umgesetzt.
Das Argument für integrierte Solarmodule anstelle von Aufdach-Modulen liefert ein damaliger Presseartikel: „Denn das Aussehen der Module zerstört nicht selten die Dacharchitektur und beeinträchtigt das Orts- und Landschaftsbild“. Diese Sichtweise hat sich - glücklicherweise – in den vergangenen 25 Jahren ein wenig geändert.