16.10.2020
Standortauswahlverfahren: Forderungen nach Mitbestimmung und Moratorium
Ein Bericht von Tatiana Abarzúa
Am 28. September hatte die Bundes-Gesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) den Zwischenbericht Teilgebiete veröffentlicht (Zusammenfassung). Dieser bildet die Grundlage für eine Eingrenzung des Suchraums für einen "Standort, der die bestmögliche Sicherheit für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle für eine Million Jahre bietet".
Die BGE ist eine bundeseigene Gesellschaft, die 2016 gegründet wurde. Sie hat den Auftrag, das künftige Atommülllager zu betreiben. Die Ermittlung der Teilgebiete ist der erste Schritt der ersten Phase auf dem Weg zur Standortentscheidung. Die BGE wird "unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus der Fachkonferenz Teilgebiete" die Standortregionen vorschlagen, die in Phase II oberirdisch erkundet werden sollen. Im Rahmen der Untersuchung wird die BGE später Standorte für eine untertägige Erkundung ermitteln.
Als Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung führt das Bundesamt für die Sicherheit in der nuklearen Entsorgung (BaSE) die Fachkonferenz Teilgebiete durch - sie ist ebenfalls die Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde in der nuklearen Entsorgung.
Der Zwischenbericht liegt vor
Die ermittelten Teilgebiete verteilen sich "auf alle Bundesländer mit Ausnahme des Saarlands". Die BGE nennt in ihrem Zwischenbericht 91 als ungünstig identifizierte Gebiete sowie 90 Teilgebiete, "die eine günstige geologische Gesamtsituation für die Lagerung hochradioaktiver Abfälle erwarten lassen". Als Standorte kommen drei Wirtsgesteine in Betracht: Steinsalz (mit 60 Teilgebiete in Salzstöcken und 14 Teilgebieten in flachen Steinsalzformationen), Tongestein (mit neun Teilgebieten) und Kristallingestein (mit sieben Teilgebieten).
Unter Berücksichtigung der Überlagerung einiger Teilgebiete - aufgrund der Lage in erdgeschichtlich unterschiedlichen Einheiten - hat die BGE insgesamt etwa 54 % der Landesfläche als Teilgebiet ausgewiesen (ca. 194.000 km²). Eine interaktive Karte ist online einsehbar.
Die Fachkonferenz Teilgebiete - mit Live-Stream
Gemäß des 2017 beschlossenen Standortauswahlgesetzes (StandAG) beruft das BaSE nach Erhalt des Zwischenberichts eine Fachkonferenz Teilgebiete ein, die innerhalb von sechs Monaten dreimal tagt, um den Zwischenbericht zu erörtern. Laut §9 StandAG sind folgende Teilnehmer dabei: " Bürgerinnen und Bürger, Vertreter der Gebietskörperschaften der nach § 13 Absatz 2 ermittelten Teilgebiete, Vertreter gesellschaftlicher Organisationen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler."
Die Auftaktveranstaltung ("offenes Forum für die Diskussion des Zwischenberichts Teilgebiete") wird an diesem Wochenende, den 17. und 18. Oktober, stattfinden. Dabei sollen alle Interessierten die Möglichkeit haben, mit der BGE über den Zwischenbericht zu diskutieren. Dazu ist ein Live-Stream vorgesehen.
Der knappe Zeitraum zwischen der Veröffentlichung des Berichts und der Auftaktveranstaltung wurde von mehreren Umweltschutzorganisationen kritisiert, da Betroffene so kaum die Möglichkeit hätten, sich unabhängig zu informieren. Hinzu kommt, dass, anders als ursprünglich vorgesehen, das BaSE beschlossen hat, die Auftaktveranstaltung "als rein digitales Format" umzusetzen und diese Vorgehensweise mit der "aktuellen Corona-Entwicklung" begründet.
Kritiker des Verfahrens fordern Mitbestimmung und Moratorium
Die Umweltschutzorganisationen Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, .ausgestrahlt und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland haben nach Veröffentlichung des Zwischenberichts völlige Transparenz und "Mitbestimmung statt inszenierter Beteiligung" gefordert. Sie haben dazu eine Stellungnahme im Namen des Forums Atommüllkonferenz herausgegeben, ein bundesweiter Zusammenschluss mehrerer Organisationen. In dieser Erklärung erläutern die Initiativen und Organisationen ausführlich, warum sie "gegen den schnellen Start der Fachkonferenz Teilgebiete" sind. Mitunterzeichnerin der Stellungnahme ist auch die Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD, ein 1987 gegründeter Verein, der sich unter anderem kritisch mit dem geplanten Umbau des ehemaligen Eisenerzbergwerks in ein Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle auseinandersetzt. Die AG Schacht KONRAD fordert ein Moratorium für das Standortauswahlverfahren. Sie argumentiert, dass eine Diskussion "auf Augenhöhe" bei so einer rein digitalen Veranstaltung nicht möglich sei. Zudem würde das Beteiligungsformat diejenigen ausschließen "die in Gebieten mit schlechter Internet-Verbindung leben, die über kein entsprechendes Equipment verfügen oder die an einer zweitägigen Online-Veranstaltung nicht teilnehmen können oder wollen." Vorstandsmitglied Ludwig Wasmus zufolge, müsse wer die Bürgerbeteiligung ernst meine "das Verfahren jetzt anhalten".
Zeitplan für die Öffentlichkeitsbeteiligung
Nach Angaben des BaSE sollen nächstes Jahr drei "Beratungstermine" stattfinden: im Februar, April und Juni. Das darauf aufbauende Beteiligungskonzept sind Regionalkonferenzen der am Auswahlverfahren beteiligten Regionen. Gemäß StandAG soll der Bundestag 2031 die Entscheidung über den Standort für das Endlager für hochradioaktiven Müll treffen.