16.09.2022
EU-Kommission, Bundestag, Regierung: Vorfahrt für die Photovoltaik allerseits
Eine Analyse von Jörg Sutter
Es bewegt sich was
„Manche können nur unter Druck arbeiten“ – was für einige Menschen gilt (ich nehme mich da nicht aus), zeigt sich gerade jetzt auch in der Politik. Der Druck der aktuellen Energiekrise macht eine Geschwindigkeit und Lösungsfindung möglich, die man vor Monaten nicht erwartet hätte. Innerhalb der letzten Tage wurden etliche Entscheidungen getroffen, die teils dem Ausbau der Erneuerbaren Energien insgesamt nutzen wie auch konkret bei der Umsetzung von Projekten helfen. Eine kleine Aufstellung der aktuellen Ereignisse und Beschlüsse:
Energieminister: PV-Ausbau stärken
Die deutschen Energieminister haben bei ihrem Treffen in dieser Woche den Wunsch nach stärkerem PV-Ausbau bekräftigt. Gemäß Abschlusserklärung des Treffens begrüßen sie die Neuerungen des EEG 2023, fordern jedoch weitere Maßnahmen. So soll die Bundesregierung die aktuelle Flächenkulisse für Freiflächen-PV weiter vergrößern. Außerdem wird eine bundesweite Solardachpflicht gefordert, die ähnlich den derzeitigen Eckpunkten der Solarpflicht in Baden-Württemberg ausgestaltet werden soll. So findet sich im Beschlussprotokoll ein interessanter Verweis auf einen neuen Entwurf der Europäischen RED II-Richtlinie zu erneuerbaren Energien. Dieser enthält den Vorschlag einer europäischen Solardachpflicht für Neubauten. Eine Bagatellgrenze für Kleinanlagen (wie auch schon lange von der DGS gefordert) und eine Qualifizierungsoffensive werden ebenfalls von der deutschen Ministerrunde angemahnt.
Europaparlament: 45 statt 40 % Erneuerbare Energien in Europa
Das Europaparlament hat am Mittwoch beschlossen, dass bis zum Jahr 2030 statt bislang geplant 40 nunmehr 45 Prozent der Energie in der EU aus erneuerbaren Energien kommen sollen. Die Staaten hatten sich jedoch zuvor auf die Beibehaltung der 40 Prozent geeinigt. Deshalb muss es nun zu Verhandlungen kommen; die 45 Prozent sind also noch nicht in trockenen Tüchern.
EU-Kommission: Strompreisdeckel
Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, einen bis März 2023 befristeten „Strompreisdeckel“ einzuführen. Der gehört zu einer Reihe von Sofortmaßnahmen, um die explodierenden Strompreise in Europa in den Griff zu bekommen. Windräder, PV-Anlagen, aber auch Atom- und Kohlekraftwerke sollen nur noch maximal 180 Euro pro MWh (also 18 Cent pro kWh) erhalten. Das soll laut EU auch ausdrücklich reichen, um zukünftige Investitionen zu schultern. Die Differenz zwischen den 180 Euro pro MWh und dem Marktpreis sollen die europäischen Mitgliedsstaaten abschöpfen und an die Verbraucher zurückgeben.
Die Öl- und Kohleindustrie sowie Raffinerien sollen mit einem „Solidaritätsbeitrag“ beteiligt werden: Vorgesehen ist, ein Drittel von Mehrgewinnen abzuschöpfen, die durch die hohen Marktpreise erzielt werden. Auch diese Summen sollen von den Staaten vereinnahmt und an bedürftige Energiekunden (sowohl privat und Unternehmen) weitergegeben werden.
Die EU-Kommission schätzt, dass diese beiden Maßnahmen rund 140 Mrd. Euro in die Staatskassen spülen werden.
Bundeskabinett: PV-Erleichterungen
Am Mittwoch hat das Bundeskabinett weitreichende Änderungen für PV verabschiedet. Gleich sei bemerkt: Es ist ein Beschluss des Kabinetts, damit noch nicht endgültig. Wir können davon ausgehen, dass die Regelungen prinzipiell umgesetzt werden, aber auf die Detail-Ausgestaltung kann und wird das Parlament noch Einfluss haben.
Dennoch sind die beschlossenen Punkte positiv zu bewerten:
a) Klarstellung zu Steckersolar
Steckersolar braucht keine Abregelung. Wird das so umgesetzt, können die 190.000 Besitzer von Steckersolargeräten ruhig den kommenden Silvesterabend feiern, andernfalls hätten ihnen ab Januar Bußgelder gedroht.
b) Keine 70%-Regelung für bestimmte Bestandanlagen
Dies wurde auch von der DGS gefordert, ein Teil ist nun beschlossen: Auch bei schon bestehenden PV-Anlagen bis 7 kWp soll die 70%-Regelung ab 1.1.23 entfallen. Das betrifft dann also auch jene Anlagen, die noch bis Jahresende errichtet werden. Hier hatten schon Betreiber darüber nachgedacht, ihre Anlage deswegen nicht mehr in diesem Jahr ans Netz zu bringen. Das wäre in Anbetracht unserer Situation auf den Strommarkt völlig irrsinnig gewesen, daher ist der Beschluss völlig richtig. Im parlamentarischen Verfahren wird noch abzuklopfen sein, ob das auch für alle größeren PV-Anlagen angewendet werden kann und nicht nur für die kleinen bis 7 kWp.
c) Freistellung von PV-Gewinnen bei der Einkommenssteuer
Was bisher auf Antrag bis 10 kWp galt, soll nun gesetzlich fest geregelt werden – und das bis zu 30 kWp Anlagengröße. Die Freistellungs-Regelung soll auch für größere Gebäude gelten, wo bis zu 15 kWp pro Wohn/Betriebseinheit berücksichtigt werden sollen.
d) Null Umsatzsteuer für Photovoltaikanlagen, Komponenten und Speicher
Diese Regelung soll auf Basis neuer EU-Regeln eingeführt werden.
Doch für a) bis d) sei aber ausdrücklich nochmals betont: Dies ist der aktuelle Kabinettsbeschluss. Der muss nun in Gesetze gegossen werden. Und er kann im parlamentarischen Verfahren noch im Detail geändert werden. Auch die konkrete Umsetzung ist derzeit noch unklar.
PV-Branche: Gute Vorschlägen
Und auch die Branche bewegt sich: Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE), der in diesen Tagen 20 Jahre alt wird, hat eine Aktualisierung seines „Standards für gute Solarparks“ vorgenommen. In dieser Selbstverpflichtung, die bereits von 40 Projektumsetzern unterzeichnet wurde, sind Kriterien festgelegt, damit Natur, Menschen und Kommunen von Solarparks profitieren. Die Aspekte reichen von Artenschutz bis zur finanziellen Beteiligung der Standortgemeinden.
Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) hat inzwischen eingeräumt, dass eine maßvolle Gewinnabschöpfung denkbar ist (siehe Beitrag der DGS-News letzte Woche). Dabei hat der BEE betont, dass die erneuerbaren Energien ja gerade die billigen sind, die preistreibenden teuren Energien sind die fossilen. Deshalb müsse weiter der Fokus auf dem Ausbau der erneuerbaren Energien liegen.
Und wie geht es jetzt weiter?
Was das Bundeskabinett beschlossen hat, muss nun auch noch die parlamentarische Runde drehen und wird dabei eventuell auch noch verändert. Der Strompreisdeckel muss nun zwischen Europa und den Staaten verhandelt und dann rasch in den einzelnen Ländern umgesetzt werden. Und die Forderungen der Energieminister – tja, die richten sich an die Bundesregierung. Die bekommt hierdurch die Aufgabe, bereits die übernächsten Änderungen des EEG vorzubereiten.
Was ist weiter wichtig?
Seit einigen Wochen werden jene Stimmen lauter, die den strategischen Aufbau einer europäischen Solarindustrie fordern, damit zukünftige Abhängigkeiten reduziert werden können.
Daneben geht es natürlich auch um die konkrete Erleichterung der Projektumsetzung: An deren Bürokratie kann man zurzeit schier verzweifeln. Und das wird sich auch mit allen jetzt beschlossenen Neuregelungen noch nicht komplett ändern. Auch hier muss und soll es politisch weitergehen.
Aber wir sind jetzt auch mal optimistisch: Es bewegt sich aktuell ganz viel in die positive Richtung, wir sind heute auf dem richtigen Weg. Und ein großer Dank gebührt allen, die dafür ihren Beitrag geleistet haben.