16.09.2022
Freisprüche kassiert: Gegen Sunowe-Mitarbeitende wird bald wieder verhandelt
Ein Bericht von Heinz Wraneschitz
Es war einmal, da träumte Europas Solarindustrie davon, dass durch die Abschottung gegenüber China die eigene, teure Produktion eine Zukunft haben würde. Sogar eine eigene Initiative wurde 2013 ins Leben gerufen: EU pro Sun. Und die EU-Kommission tat der Initiative um ihren großen Antreiber Frank Asbeck tatsächlich den Gefallen, setzte im Jahre 2013 Mindest-Importpreise auf Solartechnik fest und verhängte Strafzölle auf chinesische PV-Importe, die diese Vorgabe unterliefen. Dennoch konnte selbst diese EU-Hochzoll- und Abschottungspolitik die Pleite von Asbecks Solarworld nicht verhindern. Trotzdem suchte der Unternehmer die Schuld daran stets bei anderen statt bei sich selbst.
Aber vielleicht liegt die Wahrheit in der Mitte, lag Asbecks Absturz ja auch tatsächlich mit an den Chinesen? Denn einige Hersteller versuchten durch Tricks, die Mindest-Importpreise zu unterlaufen. Was ihnen zwar gelang, später aber zu einigen Urteilen gegen diese Firmen und verantwortliche Manager:innen führte.
Sunowe schnell im Visier
Schnell hatten Zoll und Staatsanwaltschaft auch „Sunowe“ im Visier, die deutsche Tochter des chinesischen Herstellers Sunflower. Die Zollfahndung sprach 2017 gar davon, ein von ihr so genanntes „Betrugskartell ausgehoben“ zu haben. Besonders pikant dabei: Einer der verdächtigten Sunowe-Angestellten war der damals ehrenamtlich als Vize-Landrat des fränkischen Kreises Erlangen-Höchstadt engagierte Kommunalpolitiker. Zwischenzeitlich landete der sogar in Untersuchungshaft. Für seine Chefin dauerte die gar jahrelang an.
Erster Sunowe-Prozess 2019
2019 stand der erste Prozess gegen einige Sunowe-Mitarbeitende vor dem Nürnberg-Fürther Landgericht an. Doch nach 17 Sitzungstagen wurde das Verfahren ausgesetzt. Denn die Ermittler:innen waren 30 Tage lang nicht in der Lage gewesen, Originale der Beweismittel vorzulegen, auf denen die Anklage beruht hatte.
Danach war fast zwei Jahre Prozesspause. Doch bereits am zweiten Verhandlungstag, dem 5. Mai letzten Jahres, sprach die 3. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth (LG) alle sechs damals Angeklagten in diesem inzwischen so genannten „Sunowe“-Prozess frei. Ziemlich überraschend. Denn es hatte keinerlei Beweisaufnahme gegeben. Dabei hatten Staatsanwaltschaft (StA) und Zollfahndung ihre Anklage gegen die Sechs als „ein Betrugskartell mit Solarmodulen“ wiederholt. Die Strafkammer sah dagegen keinen Verurteilungsgrund, weil es keine deutschen Gesetze für die angeklagten Vergehen gegeben hätte. Die LG-Kammer gestand im Urteil mit dem Aktenzeichen 504 Js 2388/18 3 KLs vier der Angeklagten damals sogar Schadenersatz wegen der teils langen U-Haft zu.
Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt
Die StA sah das anders und legte deshalb gegen das Urteil Revision beim Bundesgerichtshof (BHG) ein. Und jener BGH hob am Dienstag vergangener Woche das Nürnberger Urteil aus dem Mai 2021 auf. Das Verfahren wurde „zur neuen Verhandlung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des LG zurückverwiesen“, wie eine BGH-Sprecherin erklärt. Genau das hatte die StA Nürnberg-Fürth erreichen wollen, bestätigt deren Sprecherin Antje Gabriels-Gorsolke. Damit muss gegen sechs nun wieder beschuldigte Firmenmitarbeiter komplett von vorne verhandelt werden. Aber erst einmal warten alle Beteiligten auf die noch ausstehende schriftliche Urteilsbegründung des BGH im Fall mit dem Aktenzeichen 1 StR 389/21.
Zehn Jahre und kein Ende?
Als „unfassbar lang und enorm belastend für alle Angeklagten“ bezeichnet nun Markus Wagner das Verfahren. Wagner ist der Strafverteidiger des 2017 verhafteten Vizelandrats und Mitarbeiters der Sunowe GmbH. Denn auch die Ermittlungen gehen bis ins Jahr 2013 zurück: Wegen des Verdachts, die in Nürnberg ansässige deutsche Tochter des chinesischen Herstellers Sunflower habe die von der EU-Kommission festgesetzten Mindesteinfuhrpreise für Solarmodule unterlaufen.
Der dritte Prozess dürfte wohl erst 2023 beginnen – zehn Jahre nach dem vermuteten Unterlaufen der längst wieder gestrichenen EU-Regelung für Solar-Mindesteinfuhrpreise. Wird dann die Geschichte zu Ende gehen – oder wird womöglich eine unendliche „Solarkartell“-Geschichte daraus?