15.11.2019
Solare Aufbruchsstimmung in Österreich
Branchenverband fordert drastische Beschleunigung des PV-Ausbaus und Änderung der Bauordnung – Ministerium hat Energieanlagenausbaugesetz in der Schublade
Mit über 600 Teilnehmern und 27 Ausstellern war die Österreichische Fachtagung für Photovoltaik und Stromspeicherung in Wien am 5. und 6. November sehr gut besucht. Neben zahlreichen Fachvorträgen insbesondere um das Thema wie Photovoltaik am besten gespeichert und genutzt werden könnte wurde mit Spannung erwartet, wie der Photovoltaik-Ausbau beschleunigt werden kann.
Von der letzten konservativen Regierung bereits offiziell beschlossenes Landesziel und Konsens in Österreich ist, dass bis zum Jahr 2030 der Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammen soll.
Zur Erreichung eines vollständig regenerativen Strommixes müssten neben der traditionellen Quelle Wasserkraft insbesondere die neuen Erneuerbaren Photovoltaik und Wind ausgebaut werden: insgesamt 15 Gigawatt Photovoltaik würden benötigt, um das Ziel zu erreichen. Doch wie so oft hakt es mit der Umsetzung: bislang hat Österreich nur eine installierte PV-Leistung von unter zwei Gigawatt (GW) bei einem relativ gleichbleibendem jährlichen Ausbau von unter 200 MW in den letzten fünf Jahren.
Herbert Paierl, Vorstandsvorsitzender des Branchenverbandes ‚Photovoltaik Austria’ hat das Ausbauziel nun einmal heruntergebrochen auf konkrete Ziele und Maßnahmen (Vortrag zum Download).
Der Verband PV Austria fordert klare Schritte und auch regulatorische Maßnahmen. So sollen in die Bauordnungen Solarbauverpflichtungen für Neubauten aufgenommen werden:
- Einfamilienhäuser: 3 kWp
- Mehrfamilienhäuser: 1 kWp / Wohneinheit
- Nicht-Wohngebäude: eine PV-Leistung in Höhe von 30 – 50% der Anschlussleistung
Dabei soll es auch möglich sein, die PV-Verpflichtung durch externe Dienstleister andernorts bauen zu lassen. Um den Bau von PV-Anlagen auf Industriehallendächern zu erleichtern, soll eine extra Reserve von 25 kg / m2 als Lastannahme für Photovoltaik gleich verpflichtend mit eingeplant werden.
Und auch weitere wichtige Erleichterungen werden gefordert:
Die in Österreich erforderliche Betriebsanlagengenehmigung soll abgeschafft werden. Die Raumordnung soll so geändert werden, dass der Bau von Großanlagen erleichtert wird. Derzeit gelten Freiflächenanlagen als ‚Kraftwerke’ und benötigen eine Flächenwidmung als Industriegebiet. Und auch die zukünftig kommenden Energiegemeinschaften sollen unbürokratisch genehmigt werden.
Ziel ist es bis 2030 für jeden Einwohner Österreichs zwei Kilowatt PV-Leistung zu bauen. So würde man bei rund 8 Millionen Einwohnern auf 16 GW Solaranlagen kommen. Auf dieses Ziel sollen auch Gemeinden verpflichtet werden.
Als Pendant zum Branchenvertreter gab Michael Losch, der derzeitige Sektionschef des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus Auskunft zum aktuellen Stand des Österreichischen Energieanlagen Ausbaugesetzes, kurz EAG genannt. Bereits eineinhalb Jahre wurde daran gearbeitet.
Trotz Neuwahlen und aktuellen Koalitionsgesprächen hat das Ministerium nun einen fertigen Entwurf erstellt, der rasch innerhalb der ersten Wochen nach einer neuen Regierungsbildung in die offizielle Konsultation gehen könnte. Allerdings gibt es zwei Möglichkeiten zur Verabschiedung. Favorisiert würde ein Bundesgesetz, welches allerdings eine Zweidrittel Mehrheit bräuchte, da Landesbelange berührt werden. Alternativ müssten die Beschlüsse in allen Bundesländern gefasst werden.
Zuversichtlich stimmt ihn, dass in der letzten Sitzung vor der Wahl mit einem Allparteienkonsens einstimmig vom Parlament ein Notpaket verabschiedet wurde, in welchem die Mittel für die Förderung von Photovoltaik und Stromspeicherung für drei Jahre von 15 auf 36 Millionen jährlich angehoben wurden. Insgesamt werden so über 100 Millionen EUR bereitgestellt. Damit soll das Österreichische Modell einer Investitionsförderung von Photovoltaikanlagen weiterhin verfolgt werden. Gefördert werden Anlagen bis zu 50 kW mit einem Zuschuss von 200 EUR pro kW Leistung. Auch die Tarifförderung (in Deutschland Einspeisetarif nach EEG) wurde nachgefüllt mit 8 Millionen EUR. Am 9. Januar um 17 Uhr startet hier die neue Förderrunde der ÖMAG – welche in der Regel innerhalb kurzer Zeit vergeben ist. Gereiht werden die eingehenden Anträge wie bisher nach der Höhe des Eigenverbrauchsanteils. Am 11. März wird eine zweite Runde gestartet für Photovoltaikanlagen mit Speicher.
Doch auch regulatorisch soll sich einiges ändern: Gemeinschafts-Photovoltaikanlagen sollen ermöglicht werden. Dabei werden zwei Arten unterschieden, räumlich nahe und solche die höhere Netzebenen nutzen.
Bei gemeinschaftlicher Solarstromnutzung wie bei Energiegemeinschaften, welche sich hinter dem letzten Umspannwerk auf den Netzebenen sechs und sieben befinden, soll nicht die volle Netzgebühr angerechnet werden, sondern es soll ein Ortstarif gelten, bei welchem der Netzausbau höherer Ebenen nicht mitfinanziert würde. Damit sollen die erwarteten Effekte eines Peak-Shaving und des lokalen Ausgleiches und Solarstromverbrauches stimuliert und belohnt werden.
Doch auch Bürgerenergieanlagen, welche höhere Netzebenen benutzen sollen erleichtert werden, diese bezahlen jedoch das volle Netzentgelt.
Insgesamt soll der Rechtsrahmen und damit auch die Anschlussrechte verbessert werden. Für bis zu 5 kW soll ein absolutes Anschlussrecht gelten. Ein Ziel das der Sektionschef Losch umsetzen möchte ist zudem, dass es immer möglich sein sollte, die Leistung mit welcher man als Kunde Strom bezieht auch als Photovoltaik-Leistung einspeisen zu können. Es sei nicht logisch, dass für eine Sauna hohe Anschlussleistungen selbstverständlich bereitgestellt werden, jedoch nicht für die Solarstromeinspeisung in gleicher Höhe.
Insgesamt ist Losch sehr optimistisch und sieht eine solare Revolution kommen: „wenn wir jetzt alles richtig machen“.
Astrid Schneider, Solar Architecture
www.astrid-schneider.de