08.11.2019
Millionen E-Mobile - das Verteilnetz kann`s ab!
Das Strom-Verteilnetz des Versorgers N-ERGIE AG verträgt auch Millionen E-Mobile: Das hat eine Studie ergeben, die essen Tochterfirma Main-Donau-Netzgesellschaft mbH hat erstellen lassen. Damit wollten die Nordbayern Fakten gegenüber Kritikern schaffen. Denn deren Vermutungen – auch Fake News genannt - bekommen immer wieder breiten öffentlichen Raum.
„Wir wollten wissen: Was passiert, wenn in unserem Netzgebiet eine Million Elektro-Autos unterwegs sind?“ begründet Gerald Höfer, Technischer Geschäftsführer der Main-Donau-Netzgesellschaft (MDN), den Untersuchungsauftrag für das MDN-Stromnetz. Dieses umfasst die Ebenen 110 kV-Hochspannung, 20 kV-Mittelspannung und 400 Volt Niederspannung und reicht fast von Würzburg bis Ingolstadt. Die MDN-Fläche entspricht 2,3 Prozent der Bundesrepublik. Für Höfer steht fest: „Die Entwicklung zur E-Mobilität ist unumkehrbar. Sie geht aber nicht von heute auf morgen. Deshalb war ich schon immer relativ entspannt.“ Dank der Studienergebnisse kann der Ingenieur nun noch ruhiger schlafen.
Hierzulande wird seit Jahren über mehrere tausend Kilometer geplanten Ausbaus des von vier Konzernen betriebenen, so genannten Übertragungsnetzes diskutiert: Über die 220- und 380-kV-Ebene, zudem über Hochspannungs-Gleichstromleitungen (HGÜ). Wo neue Trassen ober- oder unterirdisch gezogen werden sollen, dort gibt es über deren Notwendigkeit fast überall heftigen Streit.
Doch nicht auf diesen oberen Spannungsebenen, „sondern im Verteilnetz findet die Energiewende statt. Bei uns speisen bereits 53.000 Regenerativ-Kraftwerke ein“, dezentrale Windräder, Biomasse- oder Photovoltaik-Anlagen, erläutert Höfer. Um diese Einspeisungen zu verkraften, habe MDN bereits jede Menge in den Verteilnetzausbau investiert. So wurden beispielsweise Leitungen verstärkt oder sogenannte „RONT“, Regelbare Ortsnetztrafos eingebaut, um an Leitungsenden die Spannung für die Verbraucher konstant zu halten.
Doch Leitungen können Strom bekanntlich in beide Richtungen transportieren. Auch wenn viele neue E-Autos kommen, sei deshalb wegen dieser erfolgten Verstärkungen nur noch punktuell weiterer Ausbau-Aufwand notwendig: Das habe die Untersuchung bestätigt, sagt Thomas Bruch, „Leiter Netzentwicklung“ bei MDN und „Herr der Studie“, wie ihn N-ERGIE-Vorstandsvorsitzender Josef Hasler einführte.
Wissenschaftler der P3 Energy & Storage GmbH, einer Ausgründung der RWTH Aachen, haben die drei „Stützjahre“ (Hasler) 2025, 2030 und 2050 gewählt, um „lokale Lastzeitreihen für Elektromobilität zu entwickeln“. Dabei haben sie unterschieden zwischen privaten und gewerblichen E-Fahrzeugen. Denn die werden unterschiedlich geladen: Die einen an zentralen Elektro-Tankstellen, bei Supermärkten, in Parkhäusern, am Arbeitsplatz, daheim. Firmenfahrzeuge dagegen haben Bus-, Lkw- oder Firmendepots mit Ladestationen.
Beispielhaft haben sich die Forscher mit den Auswirkungen der E-Mobile auf drei typische, unterschiedliche Netzgebiete der MDN beschäftigt: Innerstädtisch, ländlich, in Stadtrandlage. Gerade im letzteren Fall sieht Höfer „moderaten Ausbaubedarf“ auf die MDN zukommen: „Die Gürtel um die Städte sind die größte Herausforderung. Dort wird die Dichte der dezentralen Ladestationen recht hoch“ und damit fast überall mehr Leistung notwendig. In den Städten dagegen erwartet er, dass mehr zentrale Elektro-Tankstellen entstehen. Und am Land wird erwartet, dass viele Besitzer ihre Fahrzeuge auch daheim laden oder für`s Pendeln in die Städte Firmen-Ladesäulen erhalten.
„Technisch ist alles machbar“: Die Studie habe ihn in seiner Meinung weiter bestärkt, ergänzt N-ERGIE-Chef Josef Hasler. Doch ein Problem sei bislang ungelöst, eine politische Entscheidung dafür absolut wichtig und notwendig: „Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit wir Netzbetreiber das Laden steuern können“. Was er meint: Zwar wird seit vielen Jahren über das „Rollout“ elektronischer Zähler, die so genannten Smart Meter, gesprochen. So ist bei Discovergy seit 2018 zu lesen, dass schon 2020 Smart-Meter-Pflicht für Verbraucher über 6.000 kWh pro Jahr bestehe.
Doch bis heute sind nur zwei von drei Smart-Meter-Systemen überhaupt zertifiziert. Und die Möglichkeit, dass kleinere Verbraucher ihren Strom dann kaufen können, wenn er günstig ist, ist bislang genauso wenig gesetzlich geregelt wie Eingriffsmöglichkeiten der Versorger auf die Stromlasten ihrer Kunden. Hasler und Höfler haben bei der Steuerung vor allem das Verschieben der Ladezeiten für E-Mobile im Blick. Gerald Höfer erläutert den Grund: „Im Netz rechnen wir mit Gleichzeitigkeiten. Nicht immer sind alle Verbraucher oder Erzeuger gleichzeitig am Netz.“ Auf diese Art werden üblicherweise Leitungen ausgelegt und möglichst kostengünstig gebaut. „Wenn wir die Lastspitzen am Abend verschieben dürfen, also das Laden verschiedener Autos auf mehrere Stunden verteilen, können meist sogar die Trafos so bleiben, wie sie jetzt sind“, hebt Höfer heraus. Und: „Am Morgen sind trotzdem alle Batterien voll.“
Aber wie sein Chef Hasler bestätigt auch der MDN-Geschäftsführer: „Solange es keine rechtliche Möglichkeit gibt, dürfen wir die Lasten leider nicht verteilen. Zwei bis drei Jahre Zeit für die Regelungen“ räumt Gerald Höfer dem Bundes-Gesetzgeber noch ein.
Für seine Verteilnetzgesellschaft MDN sei deshalb „Ausbau zwar wichtig, aber nicht an allen Stellen, und auch nicht sofort. Hinten raus, gegen 2050, werden wir etwas mehr tun müssen. Aber bis 2030 sind wir entspannt.“ Gerald Höfers Fazit: „Die E-Mobile können kommen, die Netze halten`s aus.“