15.05.2020
Die Landwirtschaft in der Klimakrise, Teil 2: Aufgaben und Lösungen
Auf eine eigene Landwirtschaft können wir in einer zunehmend komplexer und anfälliger werdenden Welt nicht verzichten. Doch wie wir in Teil 1 dieser Serie gesehen haben, hat unsere heutige Landwirtschaft auch negative Auswirkungen auf das Klima, so dass man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann. Welche Veränderungen sind notwendig, um unsere Landwirtschaft klimafreundlich und nachhaltig zu machen, welche Themenkreise sind dabei zu berücksichtigen?
Böden schützen
Weit mehr als der sekundäre Sektor (Industrie) und der tertiäre Sektor (Dienstleistungen) ist die Landwirtschaft von den Böden abhängig. Diese sind u.a. im Zeitalter der Klimakrise in unseren Breiten hauptsächlich von Austrocknung und Humusverlusten durch Starkregen und Wind betroffen. Letzteres führte 2011 dazu, dass ein Sandsturm in Mecklenburg-Vorpommern die A 19 einhüllte, wobei es zu einer Massenkarambolage mit 40 Fahrzeugen und 10 Toten kam. Ursache für solche Probleme sind die von LPGs ausgeräumten Landschaften ohne Bäume, Hecken etc. Dabei ließe sich das Problem mit Wallhecken, in Schleswig-Holstein „Knicks“ genannt, einfach und ökologisch beheben. Da den Landwirten hierbei ackerbaulich nutzbarer Boden verloren geht, müsste entweder eine gesetzliche Vorschrift dafür gefunden oder die staatlichen Fördermaßnahmen darauf abgestellt werden.
Während Knicks gegen Verwehungen helfen, sind Bäume noch geeigneter gegen Austrocknung. Baumbestände in Kombination mit Ackerbau nennen sich Agroforstsysteme. Auch sie reduzieren die Ackerbaufläche, halten aber die Feuchtigkeit im Lande und liefern zusätzlich, je nach Wahl, Obst oder Holz. Es dauert allerdings, bis solche Systeme zur vollen Wirkung heran gewachsen sind. Deshalb ist es besonders wichtig, bereits bestehende Bäume auf den Äckern zu erhalten, wofür sich Projekte engagieren, die die Landwirte für ihre Erhaltungsarbeit und den damit verbundenen Aufwand finanzieren. Bei anderen Böden, wie z.B. ehemaligen, inzwischen trocken gelegten Mooren, ist die einfachste und klimafreundlichste Lösung die Wiedervernässung. Selbst hier gibt es inzwischen Projekte (MoorFutures), an denen man sich auch als Nicht-Landwirt beteiligen kann.
Ein weiteres Problem ist die Degeneration der Böden, ihre Verdichtung und Auslaugung durch die Industrielle Landwirtschaft. Hier kann, richtig angewendet, Terra Preta helfen, ein als Schwarzerde tituliertes Gemisch aus Kompost, Fäkalien, Erde und Holzkohle, wobei letztere aus der Pyrolyse von land- und forstwirtschaftlichen Abfällen und nicht von Nutzholz u.ä. stammen sollte.
Anpflanzungen ändern
Ein Teil der bisher hier angebauten Pflanzen und gepflegten Traditionen wird sich nicht durch die Zeit der Klimakrise hindurch retten lassen. So konnte 2019 erstmals seit 200 Jahren kein Eiswein geerntet werden, da es wegen der generell höheren Temperaturen keinen Frost gab. Auch das große Gewächs des Deutschen Weinbaus, der Riesling, dürfte ab der Jahrhundertmitte immer weniger geeignete Temperaturen hier vorfinden. Doch es trifft nicht nur den Weinbau: der Weizen, eines unser Hauptgetreide, wird bei den zunehmenden sommerlichen Hitzewellen Ernteausfälle erleben, evtl. sogar in allen wichtigen Anbaugebieten zugleich.
Zu diesen Punkten gesellen sich weitere: wenn wir Lachgas emittierende Kunstdünger-Orgien und den flächendeckenden Tod von (Bestäubungs-)Insekten durch Pestizide künftig vermeiden wollen, brauchen wir genügsamere, schädlings- und hitzeresistentere Pflanzen, die dennoch auskömmliche Erträge liefern. Hier ist noch eine Menge Züchtungsarbeit zu leisten.
Der Abschied vom fossilen Energiesystem geht mit einem weitreichenden Abschied vom fossilen Rohstoffsystem einher. Die dabei entstehenden Lücken müssen mit Nachwachsenden Rohstoffen geschlossen werden, gerade auch aus heimischer Produktion. Hier kann auf Dauer auch die nachhaltige Nutzung wieder vernässter Moore eine Rolle spielen, z.B. als Lieferanten für Schwarzerlenholz, Rohrkolben, Schilf etc.; die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) hat hierzu mehrere Projekte gefördert.
Neue Anbaumethoden
Der Abschied von der Industriellen Landwirtschaft wird vor allem dem Ökolandbau in seinen verschiedenen Spielarten zugute kommen. Der notwendige, weitgehende Verzicht auf Kunstdünger und chemischen Pflanzenschutz legt diese wichtige, wenngleich nicht neue Wirtschaftsweise nahe. Auch im Ökolandbau werden dabei große Maschinen eingesetzt, aber das Gesamtsystem ist mehr auf biologische Kreisläufe abgestimmt.
Deutlich weiter geht die Permakultur, ein Landwirtschaftssystem, welches bereits in den 1970er Jahren in Australien entwickelt wurde. Hier geht es um ein stabiles, dauerhaftes Landsystem mit vorwiegend mehrjährigen Anpflanzungen, wobei alle Teile mindestens zwei oder mehr Funktionen erfüllen: Teiche dienen zur Bewässerung, zur Fischzucht, und – in Australien – als Bremse für Buschbrände; Hecken dienen als Windschutz, Fruchtproduzenten, Einzäunung; Bäume dienen als Beschattung, Holzproduzenten etc. Permakultur wird mittlerweile weltweit praktiziert; an vielen Orten gibt es Lehrstätten dafür.
Ein weiteres Anbausystem ist das Microfarming-Konzept „Biointensiver Anbau“ (engl. Market Gardening), das in den 1960ern in Nordamerika entwickelt wurde. Anders als solche Subsistenz-Systeme wie das Urban Gardening handelt es sich hierbei um eine Haupterwerbs-Landwirtschaft, die auf kleinen Flächen, aber mit sehr hohen Quadratmeter-Erträgen operiert. Sorgfältige, kleinteilige Gartenplanung, minimale Bodenbearbeitung, Biodüngung, Sortenvielfalt und ausgeklügelte Fruchtfolgen gehören ebenso zum System wie Direktvermarktung und der Verzicht auf Großmaschinen. Neben den positiven Klimawirkungen haben alle o.a. Systeme den Vorteil, dass sie mehr agrarische Erwerbsplätze bereit stellen als die Industrielle Landwirtschaft
Tierzucht
Die heutige Viehzucht mit Hochleistungstieren in engen Ställen, mit dem Kükenschreddern und mit so brustbetont gezüchteten Puten, dass diese kaum noch stehen können, ist weder nachhaltig noch tierfreundlich. Wer nicht Vegetarier werden will oder gleich modisch die Vegan-Fahne schwenkt, muss sich mit diesem Problem beschäftigen, wobei das Weniger-Fleisch-essen sicher hilfreich, aber noch nicht die Lösung ist. Denn es werden Unmengen an Futtermitteln aus aller Welt importiert, nur um hier aus vielen pflanzlichen Kalorien eine einzige tierische zu machen. Schon 1975 hatte der Schweizer Rudolf H. Strahm in seinem Buch „Überentwicklung – Unterentwicklung“ im Kapitel „Getreideverschwendung durch Fleischproduktion“ auf das Missverhältnis verwiesen, dass z.B. 1 kg Rindfleisch 10 kg Getreide erfordern, beim Schwein immer noch 3 kg. Getan hat sich inzwischen kaum etwas. Immerhin: In der Biolandwirtschaft müssen bei Pflanzenfressern mindestens 60 Prozent der Futtermittel aus der selben Betriebseinheit stammen, und 100 Prozent Bio-Fütterung sind ab 2021 Pflicht.
Zur – auch unkonventionellen, energieeffizienteren – Ernährungsumstellung bei Mensch und Tier muss eine Umstellung bei der Tierzüchtung kommen, und zwar bei Puten (s.o.), Hühnern, Ziegen, Rindern etc. – weg von den Hochleistungsrassen, hin zu gesunden, stabilen, langlebigen Tieren. Erste Ansätze und Erfolge dazu gibt es bereits.
Fazit
Die Landwirtschaft in Mitteleuropa steht vor großen Veränderungen, will sie nicht der Klimakrise „ins Messer laufen“. Die Veränderungen betreffen die verschiedensten Gebiete und Strukturen – der Umstieg des Fuhrparks auf Erneuerbaren Energien ist da sicher eines der kleineren Probleme. Viel Zeit bleibt bei allem nicht; die Umstellungen müssen zügig erfolgen, denn in einer vollen, auch noch durch das Klimachaos gebeutelten Welt wird es künftig vermehrt zu Nahrungsmittel-Krisen kommen.
Teil I: Die Landwirtschaft in der Klimakrise: Ursachen und Probleme