15.04.2022
So werden die Erneuerbaren Energien sabotiert, Teil 3
Ein kritischer Bericht von Götz Warnke
Dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien seit Jahren auf eine Vielzahl von Hindernissen stößt, die nicht in diesen Energieformen selbst und ihren Vertretern begründet sind, ist kein Geheimnis. Vielmehr wird der Ausbau seit Jahrzehnten durch das „Störfeuer“ von Akteuren wie Einzelpersonen, Unternehmen und Organisationen begleitet, so dass es fast schon ein Wunder ist, dass die Erneuerbaren heute auf 20 Prozent an der Energieerzeugung über alle Sektoren hin gekommen sind – für eine klimasichere Zukunft müsste dieser Wert allerdings heute schon bei 70 Prozent liegen. Wenn auch die Absichten und Anteile dieser Hinderniserrichter sicherlich unterschiedlich sind, so kann man in der Gesamtbetrachtung zweifellos von Sabotage sprechen.
Nachdem wir im 1. und 2. Teil den Reigen der „De-Facto-Saboteure“ betrachtet haben, kommen wir nun zu einzelnen Energieformen:
Sonnenenergie
Auch wenn die meisten Bürger glauben, die Sonnenenergie sei heute unumstritten – zumal auch durch das Engagement der DGS viele Ü20-Anlagen gesichert und die ganzen Widerstände gegen die Steckersolargeräte ausgeräumt wurden – , so gibt es doch immer wieder Hindernisse, Fallstricke und Sabotageakte, die einen schnelleren Ausbau verhindern.
Da sind zum einen die gesetzlichen Hürden wie:
- das Baurecht mit dem Mindestabstand für PV von 1,25m zu Brandschutzwänden des Nachbarn. Das ist aus brandtechnischen Gründen überflüssig, und behindert bzw. verhindert die umfängliche Solarisierung der Dächer („beim Mittelreihenhaus sieht‘s düster aus!“) Aber auch das Verbot, Module über 2 m2 Größe auf Wohngebäuden zu installieren, ist hinderlich.
- die Gesetzgebung zum Mieterstrom, wonach Mieterstrom-PV-Anlagen nur auf dem Wohnhauptgebäude installiert werden dürfen, nicht aber auf Nebengebäuden wie Carports, Gartenpavillons oder als Nachführanlagen bzw. PV-Zäune. Das führt zu einer praktischen Unnutzbarkeit von riesigen solaren Flächen und der Benachteiligung vieler Mieter.
- der Förderdeckel und die Auktionspflicht für große PV-Anlagen auf Gewerbedächern.
- der Denkmalschutz, der eine Solarisierung von Gebäuden entweder über Verbote oder durch kostentreibende Auflagen sabotiert. Eine Sanierung zu substantiell mehr Energieautarkie oder gar zu einem Plusenergie-Haus ist damit praktisch ausgeschlossen.
- die Wärmelieferverordnung in Verbindung mit BGB § 556c, die ursprünglich Mieter vor exorbitanten Kosten im Zuge einer Umstellung der Wärmelieferung schützen sollte; in den vergangenen Jahren hat sie defacto klimafeindliches, billig gehaltenes russisches Erdgas vor klimafreundlicher solarer Wärme geschützt.
Nein, diese Liste ist bei weitem nicht vollständig, wie schon ein Blick hierhin zeigt. Und es gibt darüber hinaus Naturschutzverbände und „besorgte Bürger“, die sich in der Sabotage der Energiewende und damit des Klimaschutzes gefallen. Letztere haben z.B. in Pronstorf im schleswig-holsteinischen Kreis Segeberg letztes Jahr per Bürgerentscheid eine 90 Hektar große PV-Freiflächenanlage verhindert, die Hans-Caspar Graf zu Rantzau errichten wollte – wohlgemerkt auf seinem eigenen Grund und Boden! Man stelle sich nur mal das Geschrei bei diesen besorgten Bürgern vor, wenn man im Gegenzug einfach ihre Vorgärten nach ästhetischen und klimatologischen Aspekten umgestalten wollte!
Windenergie
Mit der neuen Bundesregierung scheinen sich die Bremsen für den Windenergieausbau – sowohl Onshore als auch Offshore – zu lösen. Auch das von Bundesbehörden gestützte Infraschall-Märchen ist widerlegt, die angeblich alternativlosen Mindestabstände von Windkraftanlagen zur Flugsicherung wurden durch wissenschaftliches Nachmessen mehr als halbiert, und der Windradverhinderer Armin Laschet ist in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwunden. Selbst das Schreckgespenst der vielen, an Windrädern geschredderten Rotmilane löst sich langsam in Luft auf. Also alles bestens?
Nicht ganz! Laschets Adepten regieren weiterhin in Nordrhein-Westfalen, die Bayerische Staatsregierung betreibt mit ihrer 10-H-Regelung weiterhin fleißig Windkraftsabotage, und in Sachsen mit seiner gegen Windkraft eingestellten, CDU-geführten Landesregierung planen Gemeinden ausufernde Waldfriedhöfe, die jede Windkraftanlage verhindern. Immer noch schafft es selbst ein in dem Gebiet nicht mehr nistender Rotmilan, dort per Gerichtsbeschluss eine Windkraftanlage zu stoppen. Und immer noch dürfen in Deutschland Kohlekraftwerke dichter an Wohngebiete heran gebaut werden als Windkraftanlagen – die Kollegen vom Solarserver haben daher als Glosse zum 1. April ein Windrad mit Schornstein und CO2-Emissionen vorgestellt.
Schließlich: Naturschützer und die ganze übrige „Schützer“-Fraktion – mit ihren meist egoistischen Interessen (Not in my backyard) – werden in ihrem Kampf gegen die Windkraft so bald nicht aufgeben. Es bleibt also noch viel zu tun.
Wasserkraft
Die Wasserkraft hat es von den Erneuerbaren Energien am schwersten; hier gibt es die breit gestreutesten Widerstände verschiedener Akteure: Naturschützer, Umweltschützer, Angler, Kanuten, Fischforscher etc. und die damit liierten Politiker sowie die Genehmigungsbürokratie. Dabei ist die Wasserkraft eine einheimische, traditionell umweltfreundliche, flexibel regelbare, stets verfügbare, netzstabilisierende Energieform; die von den 60.000 Wassermühlen 1875 heute noch verbliebenen 7.600 Wasserkraftanlagen liefern trotz aller Einschränkungen 3,6% des deutschen Stroms. Klimaschützern ist die Bedeutung der Wasserkraft für die Energieversorgung, Klimaanpassung, aber auch für Artenschutz und Hochwasserschutz bewusst.
Dagegen haben im vergangenen Jahr „65 Fachwissenschaftler:innen“ vor allem des Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) ein Papier veröffentlicht, das wegen des Biodiversitätsschutzes u.a. den Stopp der EEG-Förderung und den Rückbau von Kleinwasserkraftwerken fordert. Hingegen findet sich in einer aktuellen und offiziellen, d.h. wissenschaftlichen Publikation aus dem IGB überraschender Weise ein viel differenzierteres Ergebnis: zwar sind die aufgeführten Fischverluste von 22,3 Prozent beim Passieren einer Wasserkraftturbine deutlich zu hoch und nicht hinnehmbar, aber das „Risiko hängt von Fischlänge, Art und den verbauten Turbinen ab“, und: „Langsam drehende Turbinen wie Very-Lowhead-Turbinen und Wasserräder sind im Vergleich zu den meisten konventionellen Turbinenarten weniger schädlich. Doch selbst bei konventionellen Turbinentypen zeigt die Analyse eine große Variabilität von Sterblichkeitsraten, was besonders interessant ist. Es gibt also durchaus Wasserkraftwerke mit Turbinenkonfigurationen, die zu geringeren Sterblichkeitsraten führen.“
Von einem Rückbau von Kleinwasserkraft ist hier nicht die Rede, und auch die Thesen der „65 Fachwissenschaftler:innen“ wie „Kleinwasserkraftwerke tragen kaum zum Klimaschutz bei“ oder „Ökologische Sanierung der Kleinwasserkraftwerke ist nicht möglich“ finden hier keinen Widerhall. Widerhall hat das Papier jedoch offensichtlich im Bundeswirtschaftsministerium gefunden, das auch unter neuer Führung die kleine Wasserkraft deckeln will. Klimakrise? War da mal was?
Fazit
Obgleich die Klimakrise fast ungebremst fortschreitet, und die deutschen Klimaziele ein ums andere Mal verfehlt werden, setzt sich die Behinderung der Erneuerbaren Energien, die die einzige Lösungsmöglichkeit dieser Krise darstellen, weiterhin fort. Dabei unterscheiden sich Art und Umfang je nach Energieform: Die weit verbreitete Solarenergie, die viele Bürger selbst nutzen, wird von der Politik schon mit Rücksicht auf die Wählerstimmen weniger gegängelt als die von wenigen genutzte bzw. „praktizierte“ Wasserkraft.
Für die Zukunft der Erneuerbaren Energien ist es wichtig, politische Forderungen deutlich zu formulieren und ggf. auch gegenüber dem Naturschutz „klare Kante“ zu zeigen. Für die Solarenergie kann das heißen, dass Agri-PV-Anlagen auf privatem Grund und Boden künftig ohne Bürgerbeteiligung errichtet werden können. Für die Windenergie kann das heißen, dass Anlagen künftig mit einem nicht bedrängenden 3-H-Abstand und unter Berücksichtigung der Lärmgesetzgebung gebaut werden dürfen. Für Wasserkraftanlagen kann das heißen, dass durch Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) der Eigentümer eines von einem Gewässer durchflossenen Grundstücks grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf die Erteilung einer wasserrechtlichen Nutzungsbefugnis hat.
Es gibt viel zu tun. Und wir haben nur noch wenig Zeit.
So werden die Erneuerbaren Energien sabotiert, Teil 1
So werden die Erneuerbaren Energien sabotiert, Teil 2
So werden die Erneuerbaren Energien sabotiert, Teil 3