14.10.2022
Chillventa: Ist Klimatisierung grün - oder doch nicht?
Eine Reportage von Heinz Wraneschitz
Klimatisierung und deren Branche ist international, die Messesprache ist Englisch: Die Chillventa 2022 zog wieder fast tausend Aussteller aufs Nürnberger Messegelände. Und über vielen Ständen prangten Werbetafeln, die verhießen: Klimatisierung ist klimafreundlich und „Grün“. Oder soll es zumindest bald werden.
Selbst Kühlen mit CO2–Kältemittelkennzeichen R744 - ist verhältnismäßig umweltfreundlich. „We`re cool with CO2“ lautete beispielsweise der Werbespruch einer Firma, trotz deren Verwendung des ansonsten verteufelten Klimagases. Denn im Vergleich zu anderen Kältemitteln hat CO2 wesentlich weniger Klimaschädigungspotenzial (GWP, Global Warming Potential). Wenn beispielsweise das wohl am weitesten verbreitete R134a aus dem Klimagerät austritt, hat dies immerhin 1.430 mal mehr GWP als wenn das mit CO2 passiert. Deshalb nennt zum Beispiel Beijer Ref aus Schweden, deutsche Niederlassung in Unterschleißheim, seine Kälteerzeuger-Serie mit CO2 „GreenLine“.
Und wenn dann noch Solarmodule den Strom für den Betrieb der notwendigen Klimaanlagenlüfter produzieren, strahlt über der Branche wohl auch weiterhin die helle Umsatz-Sonne. Nach den ausliegenden Messegeschenken zu urteilen, dürfte dort von wirtschaftlichen Schwierigkeiten keine Rede sein.
Passend zur guten Zukunftschance ihres Berufs trugen die Azubis im Kälteanlagenbauer-Handwerk aus allen Bundesländern, die auf der Chillventa ihren Bundesleistungswettbewerb austrugen, T-Shirts mit dem Aufdruck „Born to chill“: Sie sind geboren um zu kühlen. Wobei „Chillen“ für viele Menschen eher gleichbedeutend ist mit ausspannen. Doch fürs Ausspannen hatten die angereisten „besten Junghandwerker“ keine Zeit. Im Gegenteil: Sie mussten „unter hohem Zeitdruck überzeugen“, war in der Wettbewerbsausschreibung zu lesen.
Für Kälte wird 14 Prozent des Stroms gebraucht
Fakt ist jedenfalls: Kälte ist vielerorts in Industrie und Wirtschaft unverzichtbar. Beispiel: Kühlhäuser für Lebensmittel. Dort passiert dasselbe, wie es jeder Haushalt von daheim kennt: Um die Kälterohre im Gefrierschrank bildet sich eine Eisschicht. Die wächst entweder unendlich an. Besser aber: Der Eisschrank wird regelmäßig abgetaut. Dies passiert in Kühlräumen ständig. Sogar dann, wenn es gar nicht notwendig wäre.
Auf dem vom Bundeswirtschafts- und Energieministerium geförderten „Gemeinschaftsstand für junge innovative Unternehmen“ bewies Coldsense Technologies, eine Ausgründung der TU Braunschweig: Es geht auch anders. Und zwar mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI). Die nämlich steuert über Eissensoren die Abtauheizstäbe nach Bedarf. Mehr als zehn Anlagen hat das Start-Up-Unternehmen bereits mit ihrer „Intelligenten Abtauung“ ausgestattet. Bei einem Lebensmitteldienstleister sorgt das System beispielsweise für 20 Prozent weniger Stromverbrauch. Und weil „Kälteanlagen und Kühlprozesse in Deutschland 14 Prozent der gesamten Stromproduktion verbrauchen“, wie Geschäftsführer David Burzynski weiß, könnte der KI-Einsatz in den Kühlhallen dieser Republik zu erheblich weniger CO2-Ausstoß durch die Stromproduktion führen. Standbesucher wünschten der Firma für ihren intelligenten Ansatz jedenfalls viel Erfolg.
Doch nicht nur Chillen: die Chillventa wird immer mehr auch zur Wärmemesse. Auf vielen Ständen wurde für Wärmepumpen geworben. Ökologisch seien die, mit A++-Energie-Zertifikaten ausgestattet, warb beispielsweise die türkische Firma Ekoturka für ihre Baureihe „Ecocycle“. Trotz des verwendeten Kühlmittels R-410A, einem Gemisch aus je 50 Prozent Difluormethan und Pentafluorethan.
Methan – das immer teurer werdende Erdgas – ersetzen will dagegen zum Beispiel Haier. Die italienische Niederlassung des chinesischen Herstellers „führt den kompakten Monoblockwassererhitzer mit Wärmepumpe ein. Kohlenstoffarm“ sei das – weil im Privathaus das Trinkwarmwasser nicht mehr mit eben jenem Erdgas, sondern durch eine strombetriebene Wärmepumpe erhitzt werde. „Eine Grüne Lösung“ sei das, so Kevin Nofz, „Europe Operations Manager“ bei Haier. Trotz des klimakritischen Kältemittels R134a. Denn aus einem Teil Strom macht das Gerät 3,8 Teile Wärme, wieder COP ausweist, der „Coefficient of Performance, auf Deutsch Leistungszahl.
Solch hohe COPs, wenn nicht sogar SCOPs – auf Deutsch Jahresarbeitszahl (JAZ) – weisen inzwischen viele normale Luft-Wasser-Wärmepumpen für Wohnhäuser auf, bestätigt Joel Grieshaber am Stand des Bundesverbands Wärmpumpe BWP. So wirft der „Jazrechner“ des BWP für die Luft-Wasser-Wärmpumpe eines Standardherstellers einen SCOP von 3,8 aus. Von dritter Seite wird dennoch zusätzlich ein „Realitätscheck Wärmepumpen-JAZ“ vorgeschlagen. Passend dazu gab es auf der Messe einen „Heat Pumping Congress“.
Laut BWP jedenfalls könne die Wärmpumpe jederzeit hierzulande als Ersatz eines Öl- oder Gaskessels für Radiatorenheizung und Vorlauftemperaturen von 55 Grad Celsius (°C) dienen, so Grieshaber. Und selbst bei einem älteren Haus ließe sich der Energiebedarf so von 4.000 Liter Heizöl auf 10.500 kWh Strom reduzieren. Der Strom wiederum solle gerade im Sommer durch eine PV-Anlage erzeugt werden, empfahl der BWP-Mann weiter.
Auf der Chillventa 2022 waren reine Solaranbieter zwar noch nicht vertreten. Aber vielleicht bei der nächsten Ausgabe der einstigen Klimatisierungsmesse ...