14.09.2018
Strom in Wärme zwischenspeichern – jetzt gehts los!
Je mehr Strom aus großen PV- und Windkraft-Anlagen in den Netzen ist, desto stärker wächst der Bedarf an Speichern – schließlich sind Produktionsüberschüsse und Nachfragespitzen nicht immer zeitlich deckungsgleich. Um künftig selbst große Strommengen relativ günstig speichern zu können, errichtet Siemens Gamesa derzeit einen neuartigen Thermospeicher. Die Demonstrator-Anlage entsteht im Hamburger Hafengebiet Altenwerder auf dem Gelände der Aluminium-Hütte der Trimet SE, da hier u.a. bereits große Stromleitungen liegen. Dabei hofft man, die beim Testspeicher in Hamburg-Bergedorf in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Hamburg-Harburg und des Energieversorgers Hamburg Energie gemachten Erfahrungen in die alltägliche Speicherpraxis umsetzen zu können.
Technisch besteht die Anlage aus zwei dicht nebeneinander stehenden Gebäuden: einem Speicher- und einem Maschinen-Haus. Der hoch isolierte Speicher mit elliptischem Grundriss hat künftig in seinem Inneren 1.000 Tonnen Gesteinsmaterial vulkanischen Ursprungs, da nur dieses die hohen Temperaturbelastungen vertragen kann. Dabei hat man sich für Basalt aus Norwegen entschieden, der sich u.a. auf dem Seeweg nach Hamburg transportieren lässt. In die optimale Schüttung der Steine im Speicher wurde ein erheblicher Forschungsaufwand investiert.
Von ihrem Funktionsschema her ist die Gesamtanlage relativ einfach: im ersten Schritt wird Luft angesaugt und durch große, elektrisch betriebene Heiz-Elemente geleitet; dabei erhitzt sie sich nach dem Fön-Prinzip, und zwar auf Temperaturen über 600 °C. Die Heißluft wird in den Steinspeicher geleitet, wo sie die Vulkangesteine ebenfalls auf über 600 Grad aufheizt.
Soll die Gesteinshitze wieder in Strom zurück verwandelt werden, so wird wieder Luft durch den Steinspeicher gepumpt, wobei sich diese erhitzt. Nach Überleitung ins Maschinenhaus erzeugt die Luft dort in einem speziellen Serien-Dampfkessel Wasserdampf, der über eine 1,5-MW-Turbine einen Generator antreibt.
Der Steinspeicher hat eine Kapazität von 30 MWh und soll die Hitze notfalls drei Tage bis eine Woche speichern können. Künftige Regelspeicher sollen 15.000 Tonnen Gesteinsmaterial enthalten und die Hitze über eine Woche lang speichern. Die Rohre der Anlage haben einen Durchmesser von 1,2 Meter und können bis zu 35 Tonnen Luft pro Stunde transportieren.
Der Dampfkessel ist speziell für den schnellen Temperaturwechsel von Heißluft zu Dampf ausgelegt; insgesamt lässt sich die Anlage in nur fünf Minuten anfahren. Die 1,5-MW Turbine samt Generator kann dann mit der Speicherhitze rund 24 Stunden lang Strom ins Netz einspeisen. Viele weitere technische Details sind noch Geschäftsgeheimnis; auch darf längst nicht jedes Teil der Anlage fotografiert werden.
Und die Bau- und Betriebskosten dieser „Future Energy System – FES“ genannten Power-to-Heat-to-Power-Anlage? Siemens Gamesa rechnet für die künftigen Großanlagen im GWh-Bereich mit einem Zwanzigstel der für Batteriespeicher üblichen Kosten. Ob sich diese Erwartungen in etwa realisieren lassen, wird man erst abschätzen können, wenn die Anlage in der ersten Jahreshälfte 2019 fertig ist und einige Wochen später in Betrieb geht. Läuft das System erfolgreich, wird es schon bald weitere, erheblich größere Anlagen geben. Denn von der Kostenseite her ist es günstiger, z.B. Offshore-Windstrom auf diese Art zu speichern, als die Windparks abzuregeln. Günstig könnte sich die Power-to-Heat-to-Power-Anlage auch für alte Kohle- und Atom-Kraftwerke erweisen: wenn auch deren Innereien nicht mehr nutzbar sind, so stellen doch ihre Gebäude, die Stromnetz-Anbindung und die Lage am Wasser selbst für dieses moderne Speichersystem eine Wert dar. Und vielleicht kann so aus dem „modernen“ Kohlekraftwerk Moorburg, Hamburgs größter CO2-Schleuder, eines Tages eine nicht-fossile, aber wichtige Stütze für die Erneuerbaren Energien werden.
Götz Warnke