14.08.2020
Schluss mit der permanenten gezielten Irreführung der Öffentlichkeit!
Ein Kommentar von Tatiana Abarzúa
Wie wäre es mit einer kurzen Zeitreise zurück zum Beginn der Jahrtausendwende? In die Zeit in der Star Wars: Episode II – Angriff der Klonkrieger in den Kinos lief, Shakira im Radio und in Deutschland die erste Rot-Grüne Bundesregierung im Amt war. 2002, die erste Amtszeit von George W. Bush als US-Präsident. Erinnern Sie sich an Bushs Aussage es gebe nicht ausreichend wissenschaftliche Belege, um die Industrie für die Erderwärmung verantwortlich zu machen?
Damals hatte die Umweltbehörde der USA zum ersten Mal in seiner Amtszeit einen Bericht vorgelegt, der erläuterte, dass menschliches Handeln die Erderwärmung verursacht: durch Autoabgase sowie Emissionen aus Erdölraffinerien und Kraftwerken. In einem damaligen Artikel wird die Environmental Protection Agency mit den Worten zitiert: „Es besteht allgemeine Übereinstimmung darüber, dass die beobachtete Erwärmung real ist und in den letzten 20 Jahren besonders stark war.“ („There is general agreement that the observed warming is real and has been particularly strong within the past 20 years.“). Diesen Bericht lehnte Bush damals ab. Was viele Menschen noch nicht wissen ist: Erdölkonzerne wie Exxonmobil wussten bereits seit 1957, also über vier Jahrzehnte früher, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe zur Erwärmung des Erdklimas und zum Anstieg des Meeresspiegels führt. Der Umweltjurist Carroll Muffett recherchierte, dass US-Ölfirmen 25 Jahre lang entsprechende Forschungen durchführten und ihre Ergebnisse verheimlichten. Außerdem nutzten sie den Wissensvorsprung und bauten Ölbohrplattformen höher, da sie heftigere Stürme erwarteten. Ein Dokufilm des Regisseurs Johann von Mirbach zu diesem Thema ist bis August nächstes Jahr in der WDR-Mediathek abrufbar. Bei so vielen vorliegenden Informationen über den anthropogenen Treibhauseffekt stellt sich die Frage, warum es Regierungen nicht möglich gewesen ist, in den vergangenen 60 Jahren umfassende Klimaschutzmaßnahmen einzuleiten und schnell zu handeln.
Was haben die Ölkonzerne mit denm gewonnenen Erkenntnissen über die Klimafolgen ihrer Fossilwirtschaft gemacht? Es ist ein offenes Geheimnis, dass sie Gegenstudien in Auftrag gaben und Netzwerke finanziell unterstützen, die eine vom Menschen verursachte Erderwärmung leugnen und die internationale Klimaforschung bekämpfen. Zur Leugner-Lobby zählen unter anderem das Atlas-Netzwerk und seine Mitgliedsorganisation Heartland Institute, das jährlich eine Konferenz abhält (International Conference on Climate Change). Beide Netzwerke wurden 1984 gegründet und von der Tabak-, Kohle- und Erdölindustrie finanziert. Die Koch Family Foundation gilt als einer der einflussreichsten Sponsoren von klimaskeptischen Positionen. Zur Szene der Wissenschaftsleugner gehören auch die britische Lobbygruppe Global Warming Policy Foundation und das Committee for a Constructive Tomorrow (Cfact) mit einem vom Publizisten Marc Morano betriebenen Blog (climate depot). Cfact ist seit 2004 auch in Europa aktiv (Cfact Europe) und wurde von Holger Thuss gegründet, Präsident des eingetragenen Vereins Europäisches Institut für Klima und Energie (Eike), das durch seine Benennung Seriosität vorgibt. Es bestehen enge inhaltliche und personelle Verbindungen zwischen Eike und der AfD-Partei, da Eike-Vizepräsident Michael Limburg auch Vize im Bundesfachausschuss Energie der AfD ist. Ein in Deutschland sehr aktiver Lobbyistenverband ist die von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie finanzierte INSM Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft GmbH. Sie ist ein Tochterunternehmen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln Medien GmbH. Der Unternehmenssitz wurde 2010 von Köln nach Berlin verlegt. Die INSM nimmt über Themenkampagnen immer wieder Einfluss auf öffentliche Debatten, beispielsweise für die Einführung der privaten Altersvorsorge und gegen die Einführung eines Mindestlohnes und einer Mütterrente. Branchenweit bekannt sind die INSM-Kampagnen gegen die Energiewende, so forderte sie etwa eine Einführung von Ausschreibungsmodellen und Ausbaureduzierungen sowie eine Begrenzung der PV-Förderung, was in den Novellen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dann schließlich so stand. Immerhin hat die Bundesregierung inzwischen die Aufhebung des PV-Deckels beschlossen. Die INSM hat nach eigenen Angaben einen Jahresetat von sieben Millionen Euro.
In den vergangenen Jahr(zehnt)en waren die Antiklimaschutz-Netzwerke oft mit ihren Desinformationskampagnen erfolgreich im Kampf um die öffentliche Meinung. Beispielsweise haben die USA das Kyoto-Protokoll zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert und auf der Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 konnte die internationale Staatengemeinschaft kein neues Abkommen erzielen, ein ernüchterndes Ergebnis gemessen an den Zielen. In der oben genannten Reportage beschreibt Muffett, Vorsitzender des Zentrums für Internationales Umweltrecht (Center for International Environmental Law) die Täuschungsversuche der Wissenschaftsleugner: „Sie finanzierten bewusst Studien, um die eigenen Ergebnisse zu diskreditieren, versuchten den Klimawandel über Sonnenflecken zu erklären oder ganz zu leugnen. Sie betonten Statistikfehler und Unsicherheiten in der Forschung. So arbeiten Klimawandelleugner noch heute. Für mich ist das der größte Skandal der Menschheitsgeschichte“. In Bezug auf die Aushandlung von Vereinbarungen für Klimaschutzmaßnahmen verschiebt sich der Diskurs weg von der Leugnung des Klimawandels hin zu Verzögerungen von Klimaschutzmaßnahmen (climate delay).
Doch gerade jetzt leben wir in einer Ära in der viele energie- und klimapolitischen Aufgaben gelöst werden müssen und ein rechtlich gesicherter kontinuierlicher Zubau an Erneuerbaren Energien notwendiger denn je ist – auch wenn das den Interessen der traditionellen Energiewirtschaft entgegensteht.
Anmerkung: Im DGS-Buch „Der Tollhauseffekt“ wird detailliert beschrieben, wie die „Klimaleugner-Industrie“ funktioniert und arbeitet.