13.08.2021
Atomendlagersuche: Es war einmal eine Selbstorganisation
Ein Erlebnisbericht von Heinz Wraneschitz
Die „Fachkonferenz Teilgebiete“ (FKT) der Atomendlagersuche für Deutschland ist Geschichte. Was jetzt noch folgt, ist der „additive Bericht“ darüber, was genau in den drei Beratungsterminen besprochen wurde. Doch ist damit die gesetzlich gewünschte Beteiligung der Zivilgesellschaft erreicht worden?
Über die vorausgegangenen Beratungen Eins und Zwei haben die DGS-News ausführlich berichtet. In den so genannten Qualitätsmedien dieses unseres Landes dagegen war kaum ein Wort darüber zu lesen oder zu hören; kaum ein Bild davon zu sehen.
Das „StandAG“, das Bundesdeutsche Standortauswahlgesetz, legt den Weg für die Suche nach dem hoffentlich sichersten Atomendlagerstandort der Welt ganz genau fest - klingt beispielhaft. Eigentlich ist auch die Idee der Fachkonferenz im StandAG beispielgebend: „Selbstorganisierend“ sollte sie sein, und „Teil 1 der Phase 1“ konstruktiv und kritisch begleiten. Phase 1 begann, als BGE, die Bundesgesellschaft für Endlagersuche mbH ihren „Zwischenbericht Teilgebiete“ (ZBT) fertiggestellt hatte.
Kein wirklicher Zwischenbericht
Doch leider war dieser ZBT ganz anders ausgefallen, als es sich die Menschen in diesem unserem Lande, das offiziell neutrale Nationale Begleitgremium NBG oder alle alten und neuen Atomenergie-Kritiker der Republik vorgestellt hatten. Denn nicht, wie allgemein erwartet worden war, etwa 20, nein 90 Teilgebiete und damit mehr als die Hälfte der Fläche der Bundesrepublik hat die BGE im September 2020 der Öffentlichkeit als „potenzielle Endlagerstandorte“ präsentiert.
Eigentlich hätte sich dank dieses ZBT fast jede*r als künftige*r Nachbar*in von >Schacht Atom 1< fühlen müssen. Doch tatsächlich war die Betroffenheit der Betroffenen nirgends zu spüren. Nur in Gorleben, das jahrzehntelang als „der Standort“ gehandelt worden war, jubelten die Atomgegner. Denn ausgerechnet dieser Ort ist im ZBT nicht mehr genannt.
In den drei Beratungsterminen der FKT wiederum wurde sehr intensiv über Vor- und Nachteile der drei möglichen „Wirtsgesteine“ für das Endlager debattiert. Die Kritik, dass es ja auch Gegenden mit mehreren unterschiedlichen, übereinander liegenden Gesteinsschichten gebe, wurde kaum zur Kenntnis genommen. Und weiter als zu Beginn ist die (echte) Öffentlichkeitsbeteiligung an der Endlagersuche auch nicht – im Gegenteil: Immer weniger Bürger*innen oder Kommunalvertreter*innen nahmen teil. Für den dritten Termin am letzten Wochenende gab es 932 Registrierungen. Bürger*innen waren offiziell gerade mal 180 darunter. Zudem fanden sich viele als Doppelanmeldungen in der Teilnehmendenliste – und auch Politiker*innen-Namen. Doch selbst von dieser sehr geringen Zahl „932“ waren meist nur gut 300 gleichzeitig zugegen: ein paar Dutzend im Saal in Darmstadt, der Rest war online eingebucht.
Streitgespräch im wahrsten Wortsinn
Der erste Abend war „von Enttäuschung und Aggression geprägt“, wie Hans Hagedorn völlig richtig feststellte, der vom Nationalen Begleitgremium NBG benannte „Partizipationsbeauftragte“. Hagedorn hatte versucht, zwischen der FKT und dem „Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung“, kurz BASE zu vermitteln.
Denn Prof. Patrizia Nanz, die BASE-Vizepräsidentin, hatte erst kurz von dem 3. Termin einen Vorschlag fertiggestellt, wie es nach ihrer Meinung nach dem Ende der Fachkonferenz weitergehen soll mit der Beteiligung der Öffentlichkeit.
Dass BASE diese Aufgabe erfüllen muss, steht zwar fest. Aber die FKT selbst hatte bereits in der 2. Beratungsrunde in einem eigenen Beschluss formuliert, wie sie die Betroffenen in die Endlagersuche eingebunden haben möchte bis zu jenem Zeitpunkt, an dem die BGE genauere Zielregionen vorschlägt und dort sogenannte Regionalkonferenzen starten können. Diese Konferenzen sieht nämlich wiederum das StandAG vor.
Aber während BASE laut Prof. Nanz „als Gestalterin des Verfahrens den Gesamtrahmen denken muss“, sahen sich die Aktiven der FKT durch deren Vorschlag brüskiert. Auslöser war vor allem die in Nanz` Konzept fehlende Selbstorganisation der Beteiligung.
Zwar hatte genau jene bislang praktizierte Selbstorganisation anfangs auch in der FKT selbst für Unmut gesorgt. Aber im Verlauf der drei Beratungsrunden zeigte sich immer mehr: Die jeweils neu gewählten Mitglieder der „AG Vorbereitung“ (AGV) waren ihrer ehrenamtlichen Aufgabe sehr gut und engagiert nachgekommen. Und das bei gerade mal 250 Euro Verdienstausfall-Pauschale monatlich.
Teilhabe von BASE und BGE gesichert
„In unseren öffentlichen Sitzungen waren immer BGE und BASE mit am Tisch“, stellte Andreas Fox klar, der kontinuierlich in der AGV mitgearbeitet hat. Nun aber werde ein additiver Bericht seitens der AGV zusammengestellt, der alle Ergebnisse der drei FKT-Termine enthalte. Die BGE sei zwar „aufgefordert, den Bericht in ihrer weiteren Arbeit zu berücksichtigen“, zitierte Fox das StandAG. Aber wie schaue diese Berücksichtigung genau aus? Denn für die erwartet drei, vier, fünf Jahre, bis die BGE die „Zielregionen für obertägige Erkundung“ benenne, „ist laut Gesetz keine Partizipation vorgesehen. Das StandAG fordert aber auch, dass die Bürger in dieser Zeit weiter Gestaltungsmacht haben sollen“, so Fox.
Unterschiedliche Sichtweisen auf Beteiligung
„Gut, dass daran so viele mitmachen“: Beim Grußwort von Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin im für alle beteiligten Atombehörden zuständigen Bundes-Umweltministerium, zum 3. Beratungstermin waren gerade mal 400 Teilnehmende anwesend, darunter wohl fast die Hälfte Beobachter aus BASE, BGE und anderen Bundesorganisationen. Trotzdem lobte die SPD-MdB das StandAG als Grundlage der Partizipation in der FKT ausdrücklich: „Die Endlagersuche geht hier neue Wege und setzt Maßstäbe. Sie ist weltweit einzigartig. Es braucht dafür die Akzeptanz der Bürger – deshalb diese Transparenz.“
Ist der Einfluss der Zivilgesellschaft am Ende?
Wie aber diese Macht der Zivilgesellschaft künftig konkret aussehen soll, das sagt das Gesetz nicht. Deshalb konnte auch zwischen BASE und FKT keine Einigkeit erzielt werden, auf welche Legitimation sich die von Patrizia Nanz neu vorgeschlagenen Gruppen „Arbeitsteam“ und Feedback-Forum“ stützen könnten. „Wo bleiben die Menschen? Ich sehe nur noch Insider“, lautete ein Einwurf aus dem Publikum. Eine Antwort gab die BASE-Vizin auch darauf nicht.
Dennoch waren sich gegen Ende der Konferenz alle einig: „Es gibt einen großen Willen auf ein Folgeformat.“ Nur wusste auch Stefan Wenzel von der AGV keine Antwort auf die Frage: „Wie kommt man zu einer gemeinsamen Linie?“ Eine solche sollen nun laut FKT die zwölf bisherigen AGV-Mitglieder plus drei „Vertreter*innen der jungen Generation“ in „weiteren Gespräche zur Gestaltung eines Folgeformats“ finden. Diesem Antrag folgten 184 Stimmberechtigte; 16 sagten „Nein“, und 16 hatten keine Meinung.
Ob diese Zwischenlösung aber die von Wolfgang Ehmke von der BI Lüchow-Dannenberg erkannte „Asymmetrie im Verfahren“ zwischen BASE und Zivilgesellschaft auflösen kann, scheint mehr als fraglich. Denn während der 3. Beratungsrunde bekannten einige altbekannte Bürgerbewegungen bereits: Für sie sei die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung gescheitert; sie würden künftig wieder auf die alten Mittel zurückgreifen, also auf die Straße gehen und demonstrieren.
Asta von Oppen, Gorleben-Anwohnerin und Mitglied im „Netzwerk Nukleares Gedächtnis NeNuG“, nahm das Scheitern des neuerlichen Versuchs bereits vorweg. In Richtung BGE, BASE und NBG schlug sie vor: „Machen Sie Ihre Formate untereinander. Aber wir (die Zivilgesellschaft; d.Red.) müssen unter uns arbeiten, und dann in Dialog mit Ihnen gehen.“
Selbst die bisherige Nuklearia-Vorständin Anna Veronika Wendland kritisierte Nanz` Vorschlag: „BASE hätte im neuen Format mehr zu sagen als bisher.“
Anders Jörg Gantzer, Beamter im Landratsamt Waldshut und wie Wendland Mitglied in der AGV: „Ich beurteile die Chancen, dass es tatsächlich zu einem weitgehend selbstorganisierten Nachfolgeformat kommt, positiver.“
Gibt es noch Hoffnung?
Kurz nach dem 3. Beratungstermin hat auch das Nationale Begleitgremium seine Hoffnung auf „transparente Gespräche über die Fortsetzung der Öffentlichkeitsbeteiligung mit dem BASE“ zum Ausdruck gebracht.
Im Gegensatz dazu sieht Jürgen Voges, Journalist und augenscheinlicher Atomkraftkritiker, „die Chancen, dass es tatsächlich zu einem Nachfolgeformat kommt, gering“.
Vielleicht auch wegen dieser Widersprüche setzt Anne-Dore Uhte, AGV-Mitglied und Medienmanagement-Professorin von der Hochschule Harz auf den demnächst neu zu wählenden Bundestag: „Lernendes Verfahren kann auch heißen, dass das StandAG reformiert wird.“
Kommentar zum Abschluss der Fachkonferenz Teilgebiete
Gerade mal 222 mehr zufällig (noch) Anwesende der FKT stellten für die gesamte (Zivil-)Gesellschaft der Bundesrepublik eine Verhandlungsgruppe zusammen: Die soll nun eine Mitsprache der Öffentlichkeit bei der weiteren Atomendlager-Suche sicherstellen.
Haben wir hierzulande wirklich eine Bürger*innenschaft, der es völlig egal ist, wie der Endlagerstandort ausgewählt wird? Oder war das für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Bundesamt BASE bislang schlichtweg weder in der Lage und/oder willens, ernsthaft dafür zu sorgen, mehr als nur 0,001 Promille der Bevölkerung für die Teilnahme an diesen Fachkonferenzen zu gewinnen? Ich vermute Letzteres.
HEINZ WRANESCHITZ