13.03.2020
Feuchte Träume: die Luftfahrtindustrie und die E-Fuels
Selbst wer sich nur ansatzweise mit einem klimaneutralen Energiesystem beschäftigt, weiß, dass auch der Luftverkehr mit seinen rund drei Prozent am weltweiten Klimagase-Ausstoß Abschied von fossilen Treibstoffen nehmen muss. Immerhin hat die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (International Civil Aviation Authority/ICAO) beschlossen, den CO2-Ausstoß nach 2020 nicht mehr ansteigen zu lassen. Und die Air Transport Action Group (ATAG), ein weltweiter Zusammenschluss von Fluglinien, Flugzeug- und Triebwerksherstellern etc., hat sich dazu verpflichtet, die CO2-Emissionen bis 2050 auf die Hälfte der Mengen des Jahres 2005 zu reduzieren.
Doch wohin die Reise künftig technisch gehen soll, darüber gehen die Meinungen auseinander, zumal die Lösungen hier deutlich anspruchsvoller sind als im Straßenverkehr. Theoretisch kommen dafür Biotreibstoffe, E-Flugzeuge und E-Fuels bzw. Power-to-Liquides (PTL) in Frage – theoretisch! Denn obgleich bereits ein großes Projekt für „nachhaltigen“ Bio-Flugkraftstoff in Delfziji/Niederlande im Entstehen begriffen ist, an dem auch deutsche Firmen beteiligt sind, ist schon jetzt klar, dass sich der Weltluftverkehr so nicht antreiben lässt. Die bei dem Projekt benötigten organischen Reststoffe dürften im Übrigen wohl u.a. aus den holländischen Gewächshäusern kommen. Das Problem: fehlende Flächen, die Teller-oder-Tank-Problematik, die CO2 freisetzenden Kunstdünger und der Transportaufwand für die überwiegend dezentral anfallenden Bioausgangsstoffe lassen Bio-Flugkraftstoffe allenfalls als Nischenanwendungen zu. Elektro-Flugzeuge und -Luftschiffe sind zwar eine Option; allerdings hat man hier und bei den Batterien die Entwicklungen zu lange verschlafen, so dass es derzeit noch keine entsprechenden, größeren Flieger am Markt gibt. E-Fuels hingegen haben – theoretisch – den Vorteil, dass die Luftfahrtindustrie mit ihren Jets so weiter fliegen könnte wie bisher. Zudem verbrauchen PTLs weniger Wasser und Anbaufläche bei gleicher Leistung wie Biokraftstoffe.
Und so hat im vergangenen Herbst die Global Alliance Powerfuels ein Positionspapier „Powerfuels in Aviation“ veröffentlicht. Zu der Allianz gehören neben der Lufthansa und weiteren Institutionen vor allem Mineralöl- und Energie-Konzerne wie BP, Exxon, Shell und Uniper. Gestützt wird das Ganze hauptsächlich von der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena), die auch das Papier herausgegeben hat. Das 16seitige Werk beschäftigt sich mit „Sustainable Aviation Fuels“ (SAF = Nachhaltige Flugtreibstoffe). Neben allgemeinen und z.T. bereits bekannten Infos wie der Notwendigkeit der Defossilisierung, der Überlegenheit von PTL gegenüber Biokraftstoffen, sowie den künftig zu erwartenden Kosten und möglichen Maßnahmen zur Beschleunigung der Marktentwicklung steht nur sehr wenig zu den Bedingungen der PTL-Erzeugung und dem PLT-Bedarf in dem Papier (S. 6, 8). Der Strom für die Herstellung soll erneuerbar sein, nicht in Konkurrenz zur Defossilisierung des Energiesektors stehen, und ggf. auch, aber nicht nur aus abzuregelndem Überschussstrom bestehen. Als potentielle Kohlenstoff-Quellen werden die CO2-Direktabscheidung aus der Luft (Direct Air Capture/DAC), die Nutzung biogener CO2-Quellen (z.B. aus Biogasanlagen) und CO2 aus industriellen Prozessen wie z.B. der Zementherstellung genannt.
Diese Zurückhaltung ist kein Wunder, denn das Thema ist diffizil bezüglich der technischen Verfahren und der dabei zu gewinnenden Treibstoffmengen, so dass ein Konzept von E-Fuels schnell ins Reich der Träume entschwinden kann. Dabei geht es vor allem um folgende Problemkreise:
Wasser und Wasserspaltung
Auch wenn die Erde als blauer Planet gilt, ist geeignetes Süßwasser selbst in europäischen Ländern wie etwa in Spanien nicht im Überfluss vorhanden. Diese Situation würde durch einen PTL-Ausbau verschärft werden. Natürlich ließe sich das benötigte Wasser auch aus Meerwasser erzeugen, nur müsste man dazu – energieintensive – Entsalzungsanlagen dem Prozess vorschalten. Auch die Nutzung des Wasserdampfs aus der Luft ist nur in wenigen Gebieten möglich und zudem ebenfalls energieintensiv.
Der bei der Wasserspaltung entstehende Wasserstoff (H2) unterliegt wie bei ähnlichen Prozessen einem gewissen Schlupf, d.h. ein Teil dieses leichtesten aller Gase wird in den Weltraum entweichen. Das ist heute kein Problem, aber wie sich das bei einer weltweiten Wasserstoff-Wirtschaft und über mehrere Jahrzehnte/Jahrhunderte auswirkt auf den Wasserhaushalt der Erde auswirkt, ist derzeit noch gar nicht kalkuliert.
Energie
Wasser, aber auch Kohlenstoffdioxid sind stabile Verbindungen, die sich nur unter Energieaufwand in ihre Elemente aufbrechen und dann rekombinieren lassen, z.B. mittels eines Sabatier-Prozesses zu Methan. Dieses kann mit Hilfe der Fischer-Tropsch-Synthese in flüssiges Methanol und von da in weitere Flüssig-Treibstoffe umgewandelt werden. Alternativ bietet sich die Synthese von Ammoniak mit dem Haber-Bosch-Verfahren an: der Wasserstoff wird aus der Spaltung von Wasser gewonnen, der Stickstoff mittels Luftverflüssigung (Linde-Verfahren) bei rund -200°C energieintensiv aus der Luft geholt. Ammoniak ist zwar nur bis -35°C flüssig, aber dafür deutlich weniger gefährlich als z.B. Hydrazin.
Alle diese Verfahren verbrauchen eine Menge an Energie, vor allem Strom. Doch während die Bundesregierung von einer Wasserstoff-Wirtschaft und E-Fuels schwadroniert, stockt gleichzeitig der Ausbau von Wind- und Solar-Energie. Dabei wäre gerade beim geringen Wirkungsgrad der E-Fuels von deutlich < 13% (Strom → Düsenschub) das Gegenteil notwendig: der Ausbau der Erneuerbaren müsste auf über 20 GW jährlich gesteigert werden – derzeit liegt er gerade mal bei einem Drittel! Mögen auch die Arbeiten an neuen Verfahren wie „Elkasyn“ des Fraunhofer Instituts Umsicht, der neue, an der TU München und der University of Alberta entwickelte Zinn-Iod-Phosphor(SnIP)-Katalysator, oder das von der Uni Bremen geleitete „KEROSyN100“-Projekt den Energiebedarf senken – er wird weiterhin sehr hoch bleiben und sich bei Fortbestehen der jetzigen Politik kaum aus Erneuerbaren Energien decken lassen.
CO2-Quellen und -Senken
Die Verwendung von Kohlendioxid aus industriellen Prozessen, wie sie das Papier in Aussicht nimmt, verbietet sich schlicht. Schließlich müssen solche Industrien CO2-frei werden oder ihre Klimagase sind zumindest zu sequestrieren. Da ist es ausgeschlossen, dass das alte, in Treibstoff umgewandelte CO2 nach einer weiteren Runde durch die Flugzeugtriebwerke einfach in die Atmosphäre entlassen wird.
Abgase aus Biogasanlage sind ebenfalls keine Alternative, weil die heutige Biogas-Wirtschaft nur mit klimaschädlichen Kunstdüngern funktioniert, und deshalb auf Dauer keinen Bestand haben wird.
Letztlich bleibt nur die Direktabscheidung aus der Luft. Doch diese bedeutet einen zusätzlichen Energieaufwand. Die ETH Zürich hat ein Verfahren mit Sonnenlicht zur Herstellung von PTL entwickelt, das DAC einschließt. Diese solare Mini-Raffinerie kann Treibstoff in der Menge von zwei Schnapsgläsern erzeugen – pro Tag! Die ganze Anlage hat einen Wirkungsgrad von fünf bis sieben Prozent. Sicher lassen sich diese Zahlen künftig noch verbessern; ob das dann zu den benötigten Treibstoffmengen und zu adäquaten Preisen führt, darf angesichts der jahrzehntelangen Entwicklungen bei grünem Wasserstoff und Brennstoffzellen durchaus in Frage gestellt werden. Auch darf man sich die Flächen-Frage nicht so einfach machen wie die Züricher Forscher, und einfach ein großes Wüstengebiet (Mojave-Wüste) künftig dafür in Anspruch nehmen, denn die PTL-Produktion benötigt große Wassermengen, die in Wüsten bekanntlich nicht verfügbar sind.
Fazit
Das Positionspapier „Powerfuels in Aviation“ greift deutlich zu kurz: der derzeitige Luftverkehr wird sich mengenmäßig nicht in absehbarer Zeit, d.h. bis 2050, auf Powerfuels aus Erneuerbaren Energien umstellen lassen. An #wenigerfliegen führt kein Weg vorbei, auch wenn es die Luftfahrtbranche nicht hören will. Wer jetzt angesichts der lächerlichen Ausbauzahlen bei den Erneuerbaren Energien das Lied von den Powerfuels singt, so wie die Dena, der betreibt die Politik des klimafeindlichen „blauen“ Wasserstoffs unserer Bundesregierung.
Und um gleich mit noch einem Märchen aufzuräumen: selbst „Powerfuels“ aus Erneuerbaren Energien sind im Luftverkehr niemals klimaneutral. Dazu schreibt das Positionspapier versteckt in Fußnote 2: „Due to the non-CO2 effects, current aviation propulsion systems will, however, not become neutral in their effect on global warming, even when using carbon-neutral fuels (see footnote 3), but these effects are reduced by using SAF [31].“ Die interessante Fußnote 3 fehlt dann aber in dem Papier, warum auch immer …
Götz Warnke