12.11.2021
Sehen wir bald weniger statt mehr PV-Zubau?
Eine Beschreibung von Jörg Sutter
Aktuell mehren sich die belastbaren Hinweise, dass die Politik gut beraten ist, die Randbedingungen beim EEG und anderen Regelungen zur Photovoltaik zügig anzupacken und zu reformieren. Der Bereich der Gewerbedachanlagen ist in diesem Jahr schon deutlich geschrumpft, den Kleinanlagen droht im nächsten Jahr vielleicht das gleiche Schicksal.
Warnung des BSW
Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) warnte in der vergangenen Woche gemeinsam mit Vertretern der mittelständischen Wirtschaft vor einem Einbruch der Zubauzahlen von PV-Anlagen. Und tatsächlich: Der Neubau von PV-Gewerbedächer ist in den ersten neun Monaten einer EuPD-Studie zufolge um fast 20 Prozent geringer ausgefallen als im Jahr 2020. Grund hierfür: Schlechtere Investitionsbedingungen. Das hängt zum einen mit der seit 01.04. geltenden Neuregelung für PV-Dachanlagen ab 300 kWp zusammen, die sich entweder an den Ausschreibungen der Bundesnetzagentur beteiligen müssen oder nur noch 50% der erzeugten Jahresstrommenge gefördert bekommen.
Zum anderen – und das ist wirklich relevant – laufen seit einigen Monaten die Anlagenkosten deutlich nach oben, die EEG-Vorgaben reduzieren aber die Vergütungshöhe für Anlagen, die neu ans Netz angeschlossen werden immer weiter. Das Stichwort heißt „atmender Deckel“ - und der trifft auch die kleinen Anlagen, weiter unten dazu mehr.
Warum eigentlich ein „atmender Deckel“?
Eines der Ziele der EEG-Reformen in den vergangenen Jahren war es, die Systempreise für PV-Anlagen zu senken. Betrachtet man die vergangenen 20 Jahre seit Installation der ersten EEG-Anlagen, so zeigen sich gewaltige Preissenkungen, die die Branche realisiert hat. Ohne den Druck des EEG wäre das wahrscheinlich nicht so schnell und so stark gekommen. Der „atmende Deckel“ in §49 des EEG regelt eine Justierung der Einspeisevergütung für Neuanlagen, die an die Marktentwicklung gekoppelt ist. Kurz gesprochen: Werden wenig Solarmodule auf die Dächer gebaut, dann sinkt die Vergütung langsam. Wird viel gebaut wird, dann sinkt sie schneller. Und „viel“ ist natürlich abhängig von der Betrachtungsweise: Schon seit Jahren werden nur geringe Zubauzahlen, die nicht für die Paris-Ziele reichen, als Planwerte vom Wirtschaftsministerium und damit der Bundesregierung ausgegeben.
Der aktuelle Zubau in Deutschland liegt mit aktuell rund 4 Gigawatt (Jan bis Okt 2021) nur bei einem Bruchteil der Menge, die für die Paris-Ziele notwendig sind. Dafür werden notwendige Werte zwischen 10 und 20 GW pro Jahr genannt, je nachdem, wer dazu rechnet. Doch gemäß dem aktuellen EEG liegen auch die 4 GW über dem gewünschten Zielkorridor und daher sinkt die Vergütung weiter, aktuell um 1,4% jeden Monat. Und jetzt lässt diese Steuerungsmethode die PV-Branche bald gegen die Wand prallen. Der atmende Deckel muss weg, wir brauchen freie Fahrt für einen hohen Ausbau.
Seit Monaten steigen die Preise
Die Absenkung der Vergütung – die derzeitigen 1,4 % pro Monat sind eben 15,6 Prozent pro Jahr - trifft seit dem vergangenen Jahr nicht auf gleichlaufend sinkende, sondern auf steigende Anlagenkosten: Vor allem auch in 2021 sind die Anschaffungen teurer geworden (Bild 2). Neben Corona und Materialverteuerungen ist auch die Auftragslage der Elektriker so gut, dass hier höhere Preise ohne Probleme durchgesetzt werden können.
Berechnungen durch das UBA
Im vergangenen Monat hat das Umweltbundesamt die Studie „Wirtschaftlichkeit von PV-Dachanlagen“ veröffentlicht. In der Studie, die inhaltlich vom Öko-Institut aus Freiburg erstellt wurde, werden die Autoren deutlich: Es besteht die Gefahr, dass selbst bei optimistischem Ansatz von Eigenverbrauchsquoten die Wirtschaftlichkeit von kleineren PV-Anlagen nicht mehr gegeben ist, wenn die Vergütung weiter so stark absinkt. Anlagen ohne Eigenverbrauch sind schon seit einiger Zeit meist nicht mehr rentabel.
Bild 3 zeigt für verschiedene Anlagengrößen und niedrige/mittlere/hohe Stromgestehungskosten die Differenz zur Einspeisevergütung nach EEG: Nur durch eine Zusatzvergütung können diese Anlagen wirtschaftlich werden, schlägt das UBA vor.
Die Studie schreibt die Absenkung der Vergütung fort und geht dabei sogar noch von leichten Kostensenkungen aus, die derzeit, zumindest kurzfristig, nicht in Sicht sind. Wir gehen an dieser Stelle nicht auf die vielen Details und Berechnungen der Studie ein, Sie können die Studie hier kostenlos als pdf downloaden. Doch klar ist: Die Gefahr ist real.
Begründung
Wie lassen sich höhere Vergütungssätze oder Zuschläge als mögliche Gegenreaktion rechtfertigen? Vor Jahren wäre das kaum denkbar gewesen, aber heute kann man sagen: Weil es den Stromkunden nicht weiter belastet. Laut der Studie (Seite 29) resultiert eine Erhöhung der Vergütung/Marktprämie auf ein wirtschaftlich attraktives Niveau im Jahr 2030 in Mehrkosten von 0,1 Cent pro kWh für die EEG-Umlage. Sowohl angesichts der Klimaschäden als auch der derzeitigen Kapriolen am Strommarkt ist dieser Minibetrag nicht relevant. Warum ist das so? Weil die Stromgestehungskosten bei PV so deutlich gesunken sind in den vergangenen Jahren und jetzt eben kein großer Förderaufschlag mehr notwendig ist, sondern nun noch wenige Cent zum Marktpreis fehlen.
Positive Konsequenzen
Noch einige Gedanken, warum eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit sinnvoll ist: Zum einen, um die Zubauzahlen in den Bereich zu steigern, den wir für die schnelle Energiewende brauchen, zum anderen würde das auch dazu führen, dass Dachflächen aus wirtschaftlichen Erwägungen möglichst voll mit Modulen belegt werden und nicht jeder Investor die Modulfeldgröße für sich selbst optimiert. Auch Dachflächen, bei denen kein Eigenverbrauch möglich ist, stehen dann wieder für PV zur Verfügung. Die Energiewende wird damit dann auch wieder zu einem echten gesellschaftlichen Gemeinschaftsprojekt.
Appell an die Politik
Hoffentlich kommen die Aufrufe von BSW, Mittelstand und die Erkenntnisse der UBA-Studie bei den aktuellen Sondierern an, denn es möchte keiner nochmals einen Markteinbruch wie nach 2012 erleben. Vor allem nicht der Klimaschutz, dem derzeit schon der Ausbau der Windkraft fehlt. Wichtig ist, dass für ein paar weitere Millionen PV-Anlagen die Randbedingungen so justiert werden, dass eine Realisierung wirtschaftlich attraktiv möglich ist, die Stellschrauben dazu sind von uns und anderen schon vielfach benannt worden. Dann – und nur dann - gehen Bürger und Investoren weiter an ihre Dachflächen und machen bei der Energiewende mit. Und das wollen wir doch alle.