12.11.2021
KWK - eine Technik von gestern
Eine Kritik von Götz Warnke
Allmonatlich ruft die „Agentur für Erneuerbare Energien“ eine Energiekommune des Monats aus. Im vergangenen September wurde hierbei das baden-württembergische Bad Waldsee gekürt. Der Kurort erhielt die Auszeichnung u.a. für ein CO2-sparendes Nahwärmeprojekt: „Nach Fertigstellung werden 4.100 m Trassen in Kombination mit einem Erdgas-Blockheizkraftwerk (BHKW) mit Wärmepumpe zur Nutzung der BHKW-Niedertemperaturabwärme die Stadt teilweise mit Wärme versorgen.“ Doch das ist noch nicht alles; das Wärmenetz soll in den kommenden Jahren auch ausgebaut werden: „Nach Abschluss des Projektes sorgen untereinander vernetzte Heizkessel, mehrere BHKWs, Wärmepumpen, Wärmespeicher und weitere Energiesysteme wie Solaranlagen, Geothermieanlagen und umgewandelte Abwärme für eine zuverlässige Wärmeversorgung …“ So weit, so gut?
Oder auch nicht! Denn Blockheizkraftwerke (BHKWs) sind ein Teil der Kraft-Wärme-Koppelung (KWK), der gleichzeitigen Erzeugung von mechanischer Energie (meist Strom) und Nutzwärme. Und die KWK-Anlagen, die als Heizkraftwerke auch Kraftwerksgröße erreichen können, arbeiten in Deutschland überwiegend mit Erdgas. Erst dann folgen die z.T. fragwürdige Biomasse, die Steinkohle, Braunkohle, Mineralöle sowie erneuerbare Gase (Deponie- und Klär-Gase). Insofern sind KWK-Anlagen, und mit ihnen die kleineren Blockheizkraftwerke, Teil des fossilen Energiesystems. Weil sie mit ihrem Brennstoff zugleich Strom und Wärme erzeugt, ist die Kraft-Wärme-Koppelung eine Energiespartechnik. Aber sie ist keine Technik der Erneuerbaren Energien, und ihr Klimanutzen ist mehr als zweifelhaft.
Heizkraftwerke für Fernwärmenetze gibt es seit Beginn des 20. Jahrhunderts, aber die Karriere der Blockheizkraftwerke begann in Deutschland 2002 mit dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz der Rot-Grünen Bundesregierung, das die Einspeisung und Vergütung des aus KWK-Anlagen erzeugten Stroms regelte. In der Tat hatten diese Erdgasanlagen gegenüber der Ölverfeuerung einige Vorteile: die Feinstaubemissionen sanken um über 90%, die Stickoxidemissionen um rund zwei Drittel, und auch die CO2-Emissionen gingen nach den damaligen Berechnungsmethoden zurück. Das führte lange zum grünen Mäntelchen der KWK-Technik. Denn dass die BHKWs in Wohnblocks und Häusern eine „Lebensdauer“ von ca. 20 Jahren haben, galt nicht als Klimaproblem, solange man von der Notwendigkeit einer „CO2-Neutralität“ erst für das Jahr 2050 ausging.
Heute wissen wir, a) dass spätestens 2035 alle Verbrennungsprozesse in den drei Sektoren eliminiert sein müssen; b) dass „CO2-Neutralität“ eine Mogelpackung ist, weil sie Ausgleichsmaßnahmen beinhaltet, die weit überwiegend nicht funktionieren (z.B. Aufforstungen, die durch die Erderhitzung eingehen oder niederbrennen) – wir müssen dagegen klimagasfrei werden!; c) dass Erdgas auf die nächsten 20 Jahre gesehen – und die sind für das Klima entscheidend – deutlich klimafeindlicher ist als Kohle. Denn Erdgas besteht, je nach Typ, zu 85 bis 98 % aus dem hochwirksamen Klimagas Methan, das auf 20 Jahre gesehen 84 mal klimaschädlicher ist als CO2. Und das Methan entweicht in großen Mengen („Methanschlupf“) bei der Erdgasförderung, beim Transport und aus alten Bohrlöchern, wobei das Fracking nochmals deutlich klimaschädlicher ist. Selbst gegenüber Mineralöl ist der Klimavorteil des Erdgases zweifelhaft: Zwar entstehen pro Kilowattstunde bei der Verbrennung von Erdgas nur 246 Gramm CO2, im Gegensatz zu 318 Gramm CO2 bei Heizöl, doch durch den Methanschlupf kann sich das Verhältnis je nach Fördersituation noch drehen.
Mögen BHKWs gegenüber anderen Fossilheizungen auch ein Beitrag zum Umweltschutz sein – das gilt natürlich nicht im Vergleich mit Erneuerbaren Energien – , hinsichtlich des Klimaschutzes sind sie heute verheerend. Bestenfalls kann man sagen: „Bei der Umwelt sind sie fix, für das Klima tun sie nix!“ Der heutige BHKW-Hauptbrennstoff Erdgas ist keine Brückentechnologie, sondern eine Krückentechnologie, mit der wir ungebremst in Klimachaos stürzen können.
Aber könnten nicht Biogas und Wasserstoff hier eine Lösung sein, indem man sie ins Erdgasnetz einspeist? Bei Biogas aus Biomasse ist das Potential gering, da Biomasse das Sonnenlicht bei uns nur zu weniger als 2 % nutzen kann. Schon heute ist das Potential praktisch ausgeschöpft, wenn man bedenkt, dass unsere Biogasanlagen nur durch erdölbasierte Pflanzenschutz- und Düngemittel genügend Nachschub bekommen, welcher mit erdölbasierten Fahrzeugen geerntet und herangekarrt wird. Und: Auch bei Biogas gibt es einen Methanschlupf.
Wasserstoff ist im gegenwärtigen Wasserstoffhype für alles Mögliche gut. Allerdings ist er jenseits des Hypes auch für vieles Nötige gut. Beispielsweise für eine dekarbonisierte Stahlindustrie, auf die wir nicht verzichten können. Und für einen Einsatz in der Chemischen Industrie. Dazu kommen noch alle möglichen Ansprüche z.B. von der Luftfahrtindustrie und den Reedern auf wasserstoffbasierte E-Fuels. Dem gegenüber steht ein Erdgasnetz, dass derzeit nur einen Anteil von 5 bis 10 % H2 sowie künftig vielleicht 20 % H2 verträgt, und das so groß ist, dass es eigentlich zurück gebaut werden müsste. Spötter lästern, selbst beim optimalen Ausbau der H2-Erzeugung würde man künftig einen Atomdetektor benötigen, um die wenigen H2-Moleküle aus Erneuerbaren Energien im riesigen Gasnetz wieder zu finden.
Dass unter diesen Umständen die Kraft-Wärme-Koppelung und insbesondere die BHKWs keine Zukunft haben, ist eigentlich klar, zumal klimagasfrei „keine Klimagasemissionen mehr“ bedeutet und nicht „etwas weniger Klimagasemissionen“. Ein zeitnaher Ausstieg aus der fossilen Wärme ist daher notwendig.
Doch warum dringt das so wenig ins öffentliche Bewusstsein? Ein Grund dafür ist die Politik. Sie hat zwar die KWK-Förderung wesentlich weggeschmolzen, fördert aber immer noch den häuslichen Umstieg von Öl auf Erdgas. Und so begrüßt Hamburgs Umweltsenator Kerstan (Grüne) die 1.000ste Umsteigerin aufs Erdgas festlich, und sagt dabei zu den Förderungen: „Wir sind daher überzeugt, die Erfolgsgeschichte dieser Klimaschutzmaßnahme fortzusetzen.“ Auch wenn der Mann „nur“ Umweltsenator ist, sollte er den Unterschied zwischen Klimaschutz und Umweltschutz kennen.
Ein weit gewichtigerer Grund ist allerdings die Erdgaslobby mit ihren Verbänden und Vereinen wie u.a. der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW), der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e. V. (BVEG) oder „Zukunft Erdgas", die Brancheninitiative der deutschen Gaswirtschaft, die nur ihren Namen dekarbonisiert hat, und nun „Zukunft Gas“ heißt. Sie alle streben für die Fortsetzung ihres Geschäftsmodells nun Richtung Wasserstoff, und lassen dort die Welt ganz neue Wasserstofffarben kennen lernen, die vielfach eines gemein haben, nämlich dass sie auf Erdgas basieren und extrem klimafeindlich sind. Entlarvend ist hier auch die Werbung des Bundesverbandes Kraft-Wärme-Kopplung e.V. für sein Gütesiegel „Blaue Energie“ (Dein Beitrag zur Energiewende: Blaue Energie), das angeblich das Beste aus der Welt der grünen Öko-Energie und der fossilen grauen Energie in „hocheffizienten“ KWK-Anlagen vereint.
Was also tun, um das Erdgas-Propaganda-Kartell zu durchbrechen? Der diesjährige Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu den Beschwerden gegen das Merkelsche Klima“schutz“gesetz (KSG) von 2019 kann da neue Wege eröffnen: Greenpeace verklagt derzeit Volkswagen, weil der Konzern zu viel CO2 ausstoßen wolle. Warum also nicht auch einen größeren BHKW-Hersteller verklagen, wenn der zu viele Klimagase verursachen will?!