12.07.2019
Von Wasserstoffmeilen und Brennstoffzellenzügen am Frankentag in Thüringen
In’s Land der Franken fahren: Das konnten Bahnfans am letzten Sonntag von Sonneberg (Thüringen) aus sogar per wasserstoffbetriebenem Bus oder Bahn. Und das auch noch kostenlos.
Eine „Wasserstoff-(H2-)Meile“ hatten die Veranstalter heuer zum Tag der Franken auf die Beine gestellt. Der war diesmal länderübergreifend zwischen dem oberfränkischen Neustadt bei Coburg und eben Sonneberg aufgeteilt. Ein Hubstapler zum Palettentransport, mehrere Personenautos, ein Stadtbus sowie ein Triebwagen – alle hatten H2 im Tank und Brennstoffzellen-(BZ-)Elektroantriebe „unter der Haube“.
Eine ganze Straße nahe des Neustadter Bahnhofs war gesperrt worden, damit die Frankentag-Besucher ganz genau hinsehen und die Berater mit Fragen bombardieren konnten.
Die Attraktion aber war der „Coradia iLint“ des Bahnherstellers Alstom mit Hauptsitz in Frankreich. Im Bahnbetrieb heißt die Baureihe „654“. Von der sind in Deutschland zwei „auf Achse“, und zwar normalerweise im „Regelbetrieb“ bei der Elbe-Weser-Bahn EVB zwischen Bremervörde und Buxtehude unterwegs.
Einer davon, der BZ-Zug mit der Nummer 654-102 war eigens zum Tag der Franken in die ehemalige Zonengrenzregion gebracht worden. Nun fuhr er erstmals auf Bayerischen Gleisen. Und die Premieren-Fahrgäste konnten erleben, wie statt des in Zügen der optisch identischen Triebwagenreihe 622 üblichen Dieselgeratters ein elektrisches Summen einsetzt, wenn der Fahrer „Gas“ gibt.
Von Alstom-Fachleuten erfuhren sie: Die Kombination aus H2-Tank, Strombatterie, Antriebselektronik und Brennstoffzelle (BZ) kann den Elektromotoren genug Energie für 1000 Kilometer Fahrstrecke bereitstellen, genau wie bei Diesel-Triebwagen. Mit über 50 Prozent Gesamtwirkungsgrad werde die eingesetzte H2-Energie verwendet, denn beim Bremsen fließt Strom in die Batterie zurück. Schon der Wirkungsgrad der BZ alleine, der Wandler von H2 und O2 in Strom und Wasser, sei im Bereich von 42 Prozent angesiedelt.
Doch genauso wichtig wie die technischen Details war für die Fahrgäste, zu erleben: Eine Bahnverbindung von Diesel- auf Stromantrieb umstellen, das geht von jetzt auf gleich. Serienmäßig. Denn die BZ-Züge von Alstom sind käuflich.
Davon scheinen auch Bayerns Staats-Eisenbahnverantwortliche inzwischen Wind bekommen zu haben. Die hatten die Gelegenheit genutzt, mit den Alstom-BZ-Zug-Produzenten eine Testfahrt im Coradia iLint zu vereinbaren. Am Montag nach dem Franken-Tag ging es von Coburg nach Bayreuth und wieder zurück. Am Ende stand das Bekenntnis der Bayern, über die Beschaffung von BZ-Elektrozügen für bisher nicht vollständig elektrifizierte Strecke ernsthaft nachzudenken, hieß es hinter vorgehaltener Hand.
Noch gut eine Woche zuvor hatte die Bayerische Eisenbahngesellschaft mbH BEG eine Anfrage so beantwortet: „In unseren Ausschreibungen geben wir Fahrzeuge mit alternativen Antrieben nicht konkret vor, wir schließen diese aber auch nicht aus.“ Das Problem dabei: Alternativ angetriebene Züge sind (noch) teurer als dieselbetriebene. Und außerdem sind Diesel-Tankstellen auf vielen Bahnhöfen verfügbar, H2-Zapfsäulen dagegen bisher nur an jener Strecke rund um Bremen.
Wenn bislang in Bayern über „Elektrifizierung“ von Bahnstrecken nachgedacht wurde, gab es zwei Probleme: Erstens musste die Infrastruktur, also die Stromversorgung via Oberleitung errichtet werden. Nur dann konnte zweitens das „Rollende Material“ in Form neuer Elektrozüge beschafft werden.
Während die Strecke selbst bei DB Netz, einer Tochter der „privatisierten“ Deutschen Bahn angesiedelt ist, können sowohl die DB wie auch echt private Betreiber, die Eisenbahnverkehrsunternehmen, den günstigst ausgeschriebenen Betrieb mit Fahrzeugen anbieten. Deshalb fallen die teureren Alternativ-Triebwagen in Konkurrenz zu Dieselzügen automatisch durch. Auch wenn bei der Umstellung auf E-Betrieb die Gesamtkosten aus Zug und Oberleitung wesentlich höher sind als der BZ-Zugbetrieb.
Diese Kostenrechnung betrifft im Übrigen genauso Batterie-Triebzüge, beispielsweise solche vom Typ Stadler Flirt Akku. Aber in Schleswig-Holstein (SH) sollen 55 davon ab Dezember 2022 die heutigen Diesel-Züge auf einer ganzen Reihe Regionalbahnstrecken ersetzen. Der Nahverkehrsverbund SH hat dem Schienenfahrzeug-Hersteller Stadler den Auftrag für die Flirts dieser Tage erteilt.
Das war jedoch für den H2-Brennstoffzellen-Zuganbieter Alstom ein schwerer Schlag. Denn bei dieser bewussten Ausschreibung für „emissionsfreie Triebwagen“ hätte eigentlich jeder Hersteller selbst für „die gesamte Infrastruktur der Energieversorgung“ sorgen müssen. Alstom rechnete also die Kosten für Wasserstofftankstellen und deren Versorgung ein. Doch Anbieter von Batterie-Antrieben brauchen keine Lade-Infrastruktur aufzubauen: Sie können auf die bei DB Netz vorhandene Stromversorgung zurückgreifen.
Weshalb die Gewinner mit Batterien jetzt jubeln: „Stadler konnte sich damit bei der ersten Green-Technology-Ausschreibung (kein Diesel) über Fahrzeuge mit alternativen Antrieben in Deutschland erfolgreich durchsetzen.“ Doch die Akkutriebwagen haben einen nicht zu unterschätzenden Nachteil: Anders als die 1000 km bei BZ-Zügen dürften die Batterien nur für 150 km reichen.
Heinz Wraneschitz
Kommentar: Weg vom Diesel - beim Zug geht das sofort
Auf vielen Nebenbahnen sind bis heute Dieselzüge im Einsatz. Viel Krach, Gestank, umweltschädliche Abgase. Doch das müsste nicht sein. Denn das Umstellen eines Diesel-Netzes auf emissionsfreien Antrieb könnte sehr schnell erfolgen.
Beispiel Bayern. Die dortigen Staats-Eisenbahner bestellen die Nahverkehrsleistungen im Freistaat. Und sie redeten sich bislang gerne heraus: Es dauere mindestens ein Jahrzehnt, bis an Nebenstrecken wie Fürth-Markt Erlbach oder Fürth-Cadolzburg Oberleitungen montiert werden könnten.
Bis jetzt galt: Ohne Oberleitung keine Umstellung auf E-Antrieb. Doch nun zählt diese Ausrede nicht mehr! Es gibt serienmäßig hergestellte Triebwagen, in denen gespeicherter Wasserstoff oder Strom die Elektromotoren antreibt. Die Züge fahren ohne neue Oberleitungen, aber eben auch ohne Dieselnachteile. Und das fast von jetzt auf gleich.
Selbst das Kostenargument „alternative Antriebstechnik ist teurer als reine Elektrozüge“ trägt nicht. Jedenfalls dann, wenn die Gesamtkosten verglichen werden. Denn da gilt es mit einzurechnen: Was kostet die Installation der Infrastruktur – Oberleitung auf der einen, Strom- oder Wasserstoff-Tankstellen auf der anderen Seite.
Und auch wenn die Bayerische Eisenbahngesellschaft in ihrer jüngsten Presseerklärung zu diesem Thema fast nur Bedenken aufführt: Bitte, liebe Verantwortliche von BEG und Verkehrsministeriums, wenn ihr es ernst meint mit der Wende zum sauberen Eisenbahnverkehr, dann bestellt demnächst nicht mehr Diesel- sondern Züge mit alternativen Antrieben. Und haltet die Fahrgäste nicht mit Ausreden wie der „Entwicklung eines Prototyps, der auch in Bayerns hügeliger Landschaft fahren kann“ jahrelang unnötig hin.
Heinz Wraneschitz